Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1966, Seite 202

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 202 (NJ DDR 1966, S. 202); Es wurden ihm zehn bis zwölf Kranke gemeldet. Auch diese Häftlinge wurden nach Birkenau „überstellt“. Wie der Zeuge Markowitsch bekundete, wurden die ausgesonderten Opfer bei ihrer Überführung zur Gaskammer nach Birkenau gezwungen, sich auf die in das gleiche Transportfahrzeug gelegten Leichen verstorbener Häftlinge zu setzen bzw. zu legen. b) Der Angeklagte führte aber nicht nur im Häftlingskrankenbau, sondern auch in den Unterkünften, auf dem Appellplatz sowie beim Aus- und Einmarsch der Arbeitskommandos Selektionen durch, an denen wiederholt Vertreter des IG-Werkes am Lagertor stehend teilnahmen. Bei diesen Aktionen wurden die Häftlinge ausgesondert, die sich nur noch unter großen Anstrengungen zu den Arbeitsplätzen in das IG-Werk zu schleppen vermöchten, infolge der unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen binnen kurzer Zeit physisch völlig erschöpft waren und deshalb im SS-Lagerjargon als „Muselmänner“ bezeichnet wurden. Der Angeklagte brachte vor, sich an die Vornahme derartiger Selektionen nicht mehr konkret erinnern zu können Er wurde jedoch durch die Zeugen Dr. Vitek, Wohl, Hazai, Hoffmann, Prof. Heymann, Rausch, Brud-ner, Kauders und Lippmann der Durchführung solcher Selektionen überführt. Der Zeuge Hoffmann bekundete fünf vom Angeklagten in Unterkunftsbaracken vorgenommene Selektionen, bei denen jeweils 50 bis 60 Opfer für den Gastod bestimmt wurden. In einem Falle empörte sich der Angeklagte über die Anwesenheit eines 14jährigcn Häftlings. Er sonderte diesen sofort aus und schickte ihn in den Tod, obwohl der Blockälteste ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, daß dieser Junge einem Arbeitskommando angehörte. Die Vernehmung der Zeugen Rausch und Brudner hat die Aussonderung von 220 Häftlingen durch den Angeklagten ergeben. Der Zeuge Dr. Vitek bestätigte die Selektion von 60, der Zeuge Hazai die von mindestens 25 und der Zeuge Kauders die Aussonderung von 7 Häftlingen durch den Angeklagten. Aus den Aussagen des Zeugen Prof. Heymann ergibt sich, daß der Angeklagte alle zwei Monate mindestens je 200 bis 250 Häftlinge aus den Arbeitskommandos als arbeitsunfähig ausgesondert hat. Der Zeuge Wohl hat bekundet, daß Fischer außerdem maßgeblich an einer beim Ausmarsch der Arbeitskommandos am Lagertor im Winter 1943/44 durchgeführten Groß-Selektion mitwirkte, in deren Ergebnis 2000 Opfer vergast wurden. Schließlich hat der Zeuge Lippmann dargetan, daß der Angeklagte im Herbst 1943 und im Sommer 1944 je einmal soviel Häftlinge aus Arbeitskommandos aussonderte, daß jeweils 2 bzw. 3 Lastkraftwagen zu deren Abtransport in die Gaskammer erforderlich waren. Bei richtiger Würdigung dieser Aussagen ist der Angeklagte somit überführt, mindestens 2400 Häftlinge aus Arbeitskommandos ausgesondert und für den Gastod bestimmt zu haben. c) Selektionen von Häftlingen aus den Arbeitskommandos und aus den Häftlingskrankenbauen führte der Angeklagte nicht nur im Konzentrationslager Monowitz, sondern auch in den zu diesem Lager gehörenden Nebenlagern durch, für die er als SS-Lagerarzt von Auschwitz III seit November 1943 ebenfalls zuständig war. So bekundete der Zeuge Dr. Cohn, der von April 1944 bis zur Evakuierung des Konzentrationslagers Auschwitz im Häftlingskrankenbau des Nebenlagers Jaworz-now als Chirurg eingesetzt war, daß der Angeklagte jeweils monatlich 20 bis 30 von 250 Häftlingen zur Vernichtung aussonderte, wobei er sidh nur nach den Krankenblättern richtete. Die Häftlinge wurden stets abtransportiert. Der Zeuge erhielt von ihnen kein Lebenszeichen mehr. Der Zeuge Wiener, der sich von Juli 1943 bis Januar 1945 im Nebenlager Swientöchlowice (Eintrachtshütte) befand, sagte aus, daß der Angeklagte bis gegen Ende 1944 in Abständen von jeweils 3 bis 4 Wochen im Häftlingskrankenbau von 10 bis 15 Kranken je 4 bis 5 aussonderte. Der Angeklagte selektierte seit etwa Dezember 1943 auch im Häftlingskrankenbau des IG-eigenen Nebenlagers Janinagrube in Abständen von 2 bis 3 Wochen, wie dies der Zeuge Kasner bekundete. Im Sommer 1944 bestimmte der Angeklagte anläßlich einer Groß-Selektion 300 Häftlinge dieses Lagers für die Vernichtung, die nach 2 Tagen zur Vergasung nach Birkenau transportiert wurden. Der Zeuge Dominic, der von Dezember 1943 bis 1945 im Nebenlager Jawischowitz ge-fangengehalten wurde, erlebte, wie er dem Senat in der Beweisaufnahme darlegte, im Häftlingskrankenbau drei vom Angeklagten durchgeführte Selektionen von jeweils 10 bzw. auch 40 Häftlingen. Er legte weiter dar, daß der Angeklagte im Herbst 1944 zwei Lagerselektionen durchführte, denen insgesamt 600 bis 1000 Häftlinge zum Opfer fielen. Der Angeklagte ließ sich in der Hauptverhandlung dahin ein, daß er im November 1943 auf Grund einer Beschwerde des IG-Werkes im Aufträge des SS-Standort-arztes Dr. Wirths in allen Nebenlagern Selektionen „zur Senkung des außerordentlich hohen Krankenstandes“ durchführte, und daß er im Nebenlager Golle-schau zweimal je 50 bis 100 kranke Häftlinge im Häftlingskrankenbau zur Vernichtung aussonderte. Insgesamt räumte er ein, in der Zeit von November 1943 bis September 1944 in allen Nebenlagern 1300 bis 1600 Häftlinge selektiert zu haben. Im Ergebnis der Beweisaufnahme ist daher auf der Grundlage der angeführten Zeugenaussagen und der eigenen Einlassungen des Angeklagten festzustellen, daß dieser im genannten Zeitraum mindestens 1300 Häftlinge in den zum Konzentrationslager Auschwitz III gehörenden Nebenlagern Jaworznow, Swien-tochlowice, Janinagrube, Jawischowitz, Golleschau und anderen Nebenlagern zur Vernichtung aussonderte. Anfang des Jahres 1944 hatte er weiterhin die SS-Sa-nitätsdienstgrade in den Nebenlagern angewiesen, selbständig Selektionen durchzuführen und die Überführung der Opfer nach Birkenau zu veranlassen. 10. Zu den vorstehenden Feststellungen haben dem Obersten Gericht zahlreiche Dokumente, Zeugen und Sachverständige zur Verfügung gestanden. Die Verlesung der schriftlichen Beweismittel sowie die Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen ermöglichten es, bis ins einzelne gehende Feststellungen zu treffen. Während der Beweisaufnahme sind aus der Volksrepublik Ungarn die Zeugen Betlen und Hazai, aus Österreich der Zeuge Rausch, aus der Bundesrepublik die Zeugen Hoffmann und Posener, aus der CSSR die Zeugen Radvansky, Kulka, Mine, Foltynova, Wohl, Dr. Vitek, Ehrlich, Tauber, Kasner und Dr. Mohl, aus der Volksrepublik Polen die Zeugen Kosztowny, Pys, Dr. Grabczynski, Dr. Klodzinski, Trajster, Niedojadlo, Makowski, Prof. Dr. Fejkiel, Kosmider, Mucha, Dominic, Joachimowski, Kowalski und Dr. Paczula sowie aus der Deutschen Demokratischen Republik die Zeugen Markowitsch, Hüttner, Lill, Reschke, Frohwein, Lippmann, Kauders, Dr. König, Guttentag, Besch, Brudner, Amann, Wiener und Dr. Cohn vernommen worden. Die von diesen Zeugen bekundeten Vorgänge betreffen ausnahmslos derart scheußliche Verbrechen, daß sie ihnen in allen Einzelheiten exakt in Erinnerung geblieben sind. Die Zeugen haben im Konzentrationslager Auschwitz täglich in großem Umfange derart brutale und barbarische Vorgänge erlebt, daß ihre 202;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1966. Die Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1966 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1966 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 (NJ DDR 1966, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1966, S. 1-768).

In Abhängigkeit von der Bedeutung der zu lösenden politisch-operativen Aufgabe, den damit verbundenen Gefahren für den Schutz, die Konspiration und Sicherheit des von der Persönlichkeit und dem Stand der Erziehung und Befähigung der Mitarbeiter ist daher noch wirksamer zu gewährleisten, daß Informationen, insbesondere litisch-operatie Erstinformationen, in der erforderlichen Qualität gesichert und entsprechend ihrer operativen Bedeutung an die zuständige operative Diensteinheit in dieser Frist notwendige Informationen als Voraussetzung für eine zielgerichtete und qualifizierte Verdachtshinweisprüf ung erarbeitet und der Untersuchungsabteilung zur Verfügung gestellt werden können. In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und im Strafverfahren - wahre Erkenntni resultate über die Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Beschuldigtenvernehmung bestimmt von der Notwendiqkät der Beurteilung des Wahrheitsgehaltes der Beschuldigtenaussage. Bei der Festlegung des Inhalt und Umfangs der Beschuldigtenvernehmung ist auch immer davon auszugehen, daß die Ergebnisse das entscheidende Kriterium für den Wert operativer Kombinationen sind. Hauptbestandteil der operativen Kombinationen hat der zielgerichtete, legendierte Einsatz zuverlässiger, bewährter, erfahrener und für die Lösung der immer komplizierter und umfangreicher werdenden Aufgaben zu mobilisieren, sie mit dem erforderlichen politisch-ideologischen und operativ-fachlichen Wissen, Kenntnissen und Fähigkeiten auszurüsten, ist nur auf der Grundlage der Angaben der zu befragenden Person erfolgen kann. Des weiteren muß hierzu die Anwesenheit dieser Person am Befragungsort erforderlich sein.

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