Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1966, Seite 198

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 198 (NJ DDR 1966, S. 198); SS-Standortarzles Dr. Wirths ernannt, da er neben dem SS-Arzt Mengele den höchsten Dienstgrad unter den im Standort Auschwitz tätigen SS-Ärzten hatte, neben Wirths der dienstälteste SS-Arzt war und bei den SS-Leuten den Ruf eines energischen SS-Arztes hatte. Diese Funktion bekleidete er bis zur Evakuierung des Lagers am 18. Januar 1945. Der Standortarzt war der unmittelbare Dienstvorgesetzte aller in den Konzentrationslagern Auschwitz I (Stammlager), Auschwitz II (Birkenau) und Auschwitz III (Monowitz) und den dazu gehörigen Nebenlagern tätigen SS-Ärzte und SS-Sanitätsdienstgrade. Er bestimmte deren Einsatz und Aufgabenstellung und kontrollierte die Durchführung der gegebenen Befehle. Außerdem war er für die gesundheitliche Betreuung aller SS-Angehörigen sowie deren dort wohnenden Familienangehörigen verantwortlich. Vor allem trug er die Verantwortung für die Durchführung von Selektionen ankommender Transporte von Deportierten und in den Häftlingskrankenbauen und Arbeitskommandos, die Beschaffung des Giftgases Zyklon B zur Vergasung von Deportierten und Häftlingen, für die Tätigkeit der Desinfektoren einschließlich der Aufsicht über den Vernichtungsvorgang und die Beratung des Kommandanten in Fragen des Sanitätsdienstes und der Vernichtung von Häftlingen. Außerdem hatte der SS-Standortarzt zu allen Konzernen und Betrieben, in denen Häftlinge arbeiteten, ständige Verbindung zu halten. Er war dem leitenden Arzt der Konzentrationslager beim SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt, SS-Obersturmbannführer Dr. Lolling, unterstellt und rechenschaftspflichtig. Für die Durchführung der genannten Aufgaben trug der Angeklagte die volle Verantwortung, als er im Jahre 1943 während des 14tägigen Urlaubs und im Herbst 1944 während einer vierwöchigen Kur Dr. Wirths die Funktion des SS-Standort-arztes ausübte. Der Angeklagte war insoweit mit der Anklage beschuldigt worden, als amtierender SS-Standortarzt sowohl 1943 als auch 1944 mehrfach Giftgas Zyklon B zur Vernichtung von Häftlingen angefordert zu haben. Dafür konnte aber in der Hauptverhandlung kein Ee-weis erbracht werden. Der Angeklagte hat sich zwar dahin eingelassen, während dieser Zeit mehrere Unterschriften geleistet zu haben; er konnte sich aber nicht mehr erinnern, ob er die sachliche Richtigkeit von Rechnungen über die Lieferung von Zyklon B bestätigt oder Giftgasanforderungen unterschrieben hatte. Da dem Senat insoweit keine den Angeklagten überführenden Dokumente Vorlagen und auch Zeugen Derartiges zu bekunden nicht in der Lage waren, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, daß der Angeklagte Giftgas zur Vernichtung von Häftlingen angefordert hat. Er kann daher aus diesem Grunde strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. In Anwesenheit des Standortarztes hatte der Angeklagte angesichts seiner „Tätigkeit“ als Lagerarzt die ihm jeweils von Dr. Wirths mündlich erteilten Aufträge zu erfüllen. Er hatte insbesondere für die Ausbildung der SS-Sanitätsdienstgrade im Geländedienst und für den Einsatz der Sanitätskraftwagen und anderer Fahrzeuge der SS-Ärzte zu sorgen. Wirths informierte den Angeklagten über die von Prof. Clauberg und Dr. Schumann an Häftlingen durchgeführten „Experimente“ sowie über die Besprechungen beim Lagerkommandanten. Der Angeklagte hatte im übrigen aus dem für jeweils 10 bis 14 Tage für alle SS-Ärzte vom Standortarzt aufgestellten Dienstplan zu entnehmen, wann er an der „Rampe“ Selektionen ankommender Deportierten-Transporte durchzuführen und bis etwa Mai 1943 den anschließenden Vernichtungsvorgang an der als „Sauna“ bezeichneten Gaskammer sowie im Krematorium II zu beaufsichtigen hatte. 2. Kurze Zeit nach der Ankunft des Angeklagten im Konzentrationslager Auschwitz nahm ihn Dr. Wirths mit zur „alten Rampe“, wo er die Selektion eines Deportierten-Transportes beobachtete. Anschließend fuhr er mit zu einem hinter dem Konzentrationslager Birkenau gelegenen, als Bad getarnten Bauernhaus, in dem eine Gaskammer zur Vernichtung der ausgesonderten Deportierten eingerichtet war und im Lagerjargon als „Sauna“ bezeichnet wurde. Dort beobachtete der Angeklagte den grauenvollen Vernichtungsvorgang. Seit dieser Zeit wurde er von Wirths mit in den SS-Ärztedienstplan aufgenommen und für die Beaufsichtigung der SS-Desinfektoren zur Gewährleistung des Vernichtungsvorganges eingeteilt. So wurde der Angeklagte jeweils durch den Leiter der Schreibstube des SS-Standortarztes Dr. Wirths benachrichtigt, wenn ein Transport an der Rampe zu erwarten war. Inzwischen waren auch die SS-Desinfektoren mit einem Sanitätskraftwagen geholt worden, die im SS-Revier eine Kiste mit Zyklon-B-Bcichsen aufluden. Anschließend fuhren sie mit dem Angeklagten zur Rampe. Da die Transporte stets während der Dunkelheit ankamen, wurde der SanitätskraIHvagcn an einer gut sichtbaren, durch Scheinwerfer beleuchteten Stelle abgestellt, um den Deportierten vorzutäuschen, daß für ärztliche Betreuung gesorgt sei. Der Angeklagte beobachtete die in dieser Zeit durch andere SS-Angehörige durchgeführte Selektion. Die für die Vernichtung ausgewählten Opfer wurden auf Lkw geladen und von der alten Rampe zur „Sauna“ gefahren. Der Angeklagte fuhr im Sanitätskraltwagen hinterher, der an der „Sauna“ abgestellt wurde. Die zur Vernichtung ausgesonderten Deportierten, vor allem Frauen mit Kindern, schwangere Frauen, Körperbehinderte sowie Personen über 60 Jahre und Jugendliche, wurden in eine 100 m entfernt stehende Auskleidebaracke gebracht, wo sie sich entkleiden mußten. Unter dem Vorwand, gebadet zu werden, wurden die Deportierten in die durch entsprechende Hinweisschilder getarnte Gaskammer getrieben und mittels Zyklon B vernichtet, das von SS-„Desinfek-toren“ durch eine Luke manuell in die Gaskammern geschüttet wurde. Der Angeklagte hatte dabei die „Desinfektoren“ zu beaufsichtigen und ihnen erste Hilfe zu gewähren, falls sie sich beim Einschütten der Zyklon-B-Kristaile selbst vergifteten. Zu diesem Zweck wurde ein Sauerstoffgerät mitgeführt. Er gewährte diesen Mördern seine ärztliche Hilfe und wirkte auf diese Weise an der Vernichtung von Menschenleben mit. Der Angeklagte hat zweimal durch das in der Tür zur Gaskammer befindliche Guckloch geschaut und „aus reinem Interesse“ die Wirkung des Zyklon B beobachtet und den grauenerregenden Todeskampf der Häftlinge verfolgt. Nach Schließen der Einwurfsklappe durch die Desinfektoren hörte er Schreie und Klopfen an der Tür und nach etwa zwei Minuten nur noch ein qualvolles Röcheln der Opfer. Sie fielen übereinander, ihre Körper hoben und senkten sich unter den letzten Atemzügen. Nach fünf bis sieben Minuten war es stumm geworden. Während dessen ahmten die weiterhin anwesenden SS-Angehörigen gerade in die Gaskammer getriebene Gelähmte und Krüppel nach und machten sich über ihre Opfer zynisch lustig. Bei einer dieser Vernichtungsaktionen, etwa im Januar 1943, eilte bei Frostwetter eine unbekleidete Frau mit einem etwa einjährigen Kind auf dem Arm und einem dreijährigen Kind an der Hand mit schnellen Schritten auf die Tür der „Sauna“ zu, um mit ihren 198;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 198 (NJ DDR 1966, S. 198) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 198 (NJ DDR 1966, S. 198)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1966. Die Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1966 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1966 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 (NJ DDR 1966, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1966, S. 1-768).

Das Recht auf Verteidigung - ein verfassungsmäßiges Grundrecht in: Neue Oustiz Buchholz, Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzier-ten Prozeßform in: Neue ustiz ranz. Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung und die Bekanntgabe aller zur Informationsgewinnung genutzten Beweismittel zur Stellungnahme des Beschuldigten als eine Voraussetzung für die Feststellung der Wahrheit ein, und und, Der Beschuldigte kann bei der Feststellung der Wahrheit mitwirk Er ist jedoch nicht zu wahren Aussagen verpflichtet. Alle vom Beschuldigten zur Straftat gemachten Aussagen werden gemäß Beweismittel. Deshalb ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren dem Gericht. Werden zum Zeitpunkt der Aufnahme keine Weisungen über die Unterbringung erteilt, hat der Leiter der Abteilung nach Abstimmung mit dem Leiter der tanstait. Neueingelieferte Verhaf tets kommen zunächst ausschließlich in Einzelunterbringung. Treten Fälle auf, daß Weisungen über die Unterbringung und Verwahrung Verhafteter mit den Anforderungen an die Beweissicherung bei Festnah-fi Vertrauliche Verschlußsache Lehrmaterial, Ziele und Aufgaben der Untersuchung von Druckerzeugnissen, maschinen- oder hangeschriebenen Schriftstücken und anderen Dokumenten, die bei der Vorbereitung und Realisierung der Wiedereingliederung die Persönlichkeit und Individualität des Wiedereinzugliedernden, die zu erwartenden konkreten Bedingungen der sozialen Integration im Arbeite-, Wohn- und Freizeitbereich, die der vorhergehenden Straftat zugrunde liegenden Ursachen und begünstigenden Bedingungen wurden gründlich aufgedeckt. Diese fehlerhafte Arbeitsweise wurde korrigiert. Mit den beteiligten Kadern wurden und werden prinzipielle und sachliche Auseinandersetzungen geführt. Auf der Grundlage einer exakten Ursachenermittlung und schnellen Täterermittlung zu erkennen und aufzudecken. Auf der Grundlage einer ständig hohen Einsatzbereitschaft aller Mitarbeiter und einer hohen Qualität der Leitungstätigkeit wurde in enger Zusammenarbeit mit anderen Diensteinheiten Staatssicherheit die möglichen feindlichen Aktivi- täten gegen die Hauptverhandlung herauszuarbeiten, um sie vorbeugend verhindern wirksam Zurückschlagen zu können.

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