Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1966, Seite 175

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 175 (NJ DDR 1966, S. 175); 1 wünschten nur Hilfe und Kein Kurzkoileg über typische und atypische Folgen einer bestimmten Behandlung, zumal sie oft den Ausführungen hilflos gegenüberständen oder sie gar mißverständen. Bei psychotischen Kranken komme hinzu, daß ihre Willensbestimmung zu einem rechtsgültigen Einverständnis fraglich sei. Die Einwilligung der Angehörigen sei hier meist nicht ausreichend, so daß die Einleitung einer Pflegschaft erforderlich werden könnte. Mit der Problematik der Aufklärung spricht gegenüber Krebskranken beschäftigten sich Vertreter verschiedener Fachgebiete. So führte Prof. Dr. Gi et zeit, Direktor des Instituts für Strahlenheilkunde der Humboldt-Universität, aus, daß sich der Arzt oft veranlaßt sehe, dem Krebskranken nicht die volle Wahrheit über Art und Verlauf seiner Krankheit zu sagen. Es sei in vielen Fällen erforderlich, die Diagnose der zum Tode führenden Krankheit in -gemilderter oder auch entstellter Form mitzuteilen und den Patienten faktisch zu belügen, um den Lebenswillen und Optimismus des Patienten so lange wie möglich zu erhalten. Andererseits könne es aber auch im Interesse des Patienten liegen, daß er über die Krankheit aufgeklärt werde. Darüber zu entscheiden, liege im pflichtgemäßen Ermessen des Arztes. Auch Prof. Dr. Lindemann, Ordinarius für Frauenheilkunde an der Medizinischen Akademie in Magdeburg, lehnte eine unverhüllte Mitteilung der Krebsdiagnose aus menschlichen und ärztlichen Gründen ab. Die vielfach übliche Aufklärung der Angehörigen von Krebskranken sei ebenfalls nicht nur juristisch anfechtbar, sondern auch psychologisch nachteilig und als Sicherung gegen den Vorwurf der Fehldiagnose entbehrlich. Es müsse der ärztlichen Verantwortung anheimgestellt werden, Art und Ausführlichkeit einer Auskunft über die Krankheit der Individualität der Patienten und ihrer Krankheitssituation anzupassen. Gegen eine Aufklärung des Krebskranken über seinen Krankheitszustand sprach sich ferner Prof. Dr. M ö r 1, Ordinarius für Chirurgie an der Martin-Luther-Univer-sität Halle, aus. Es sei zu berücksichtigen, daß heute noch jeder 5. Mensch an Krebs sterbe. Die Eröffnung der Krebsdiagnose bringe immer Lebensgefahr mit sich. Der Krebskranke wolle die Wahrheit auch gar nicht hören. Er habe nur insoweit ein Recht auf Wahrheit, als er sie zu tragen in der Lage sei. Es müsse die Grundregel gelten: Alles, was der Arzt sagt, muß wahr sein; nicht alles, was wahr ist, muß der Arzt sagen. Zur Problematik der Aufklärungspflicht gegenüber Krebskranken nahm aus rechtsvergleichender Sicht Prof. Dr. Sawicki, Ordinarius für Strafrecht an der Universität Warschau, Stellung. Dazu legte er drei verschiedene Auffassungen dar, die international in der medizinischen und juristischen Fachliteratur eine Rolle spielen2. Prof. Dr. R u b i n s k i, Akademie der Wissenschaften der Volksrepublik Polen, befaßte sich mit der Aufklärung der Patienten bei Organtransplantationen. Dabei führte er aus, daß die Aufklärung oft schwierig sei, weil die in Frage kommenden Organe von Leichen genommen werden müßten. In seinen Bemerkungen über die Aufklärungspflicht des Arztes in der westdeutschen Bundesrepublik ging Prof. Dr. Ehrhardt, Ordinarius für Gerichtspsychiatrij der Universität Marburg, von der bürgerlich-formalistischen Auffassung aus, daß jeder ärztliche Eingriff zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken grundsätzlich eine Körperverletzung darstelle, deren Rechtswidrigkeit durch die rechtswirksame oder mutmaßliche Ein-w.lligung des Patienten ausgeschlossen werde. Auch das künftige StGB der Bundesrepublik werde bei dieser 2 Vgl. den Beitrag von Sawicki in diesem Heft. Konzeption bleiben. Ehrhardt ließ durchblicken, daß er diese Grundposition für richtig halte, setzte sich aber nicht mit der fundierten Kritik von Lekschas an dieser Auffassung auseinander. Seiner Ansicht nach müsse eine gesetzliche Regelung der Aufklärung und Einwilligung beim ärztlichen Eingriff für den Richter ein Leitfaden sein, um das verfassungsmäßig garantierte Selbstbestimmungsrecht des Patienten im rechten Verhältnis zu den Eigenarten der Berufsausübung des Arztes sehen und beurteilen zu können. In einem stark beachteten Beitrag nahm Oberrichter Dr. Cohn, Mitglied des Präsidiums des Obersten Gerichts, zur Aufklärungspflicht aus der Sicht des Zivilrechts Stellung. Er ging davon aus, daß es rechtlich keine Aufklärungspflicht des Arztes gegenüber dem Patienten gebe. Sie sei lediglich aus medizinischen bzw. moralischen Erwägungen zu bejahen. Als Rechtspflicht werde sie in Westdeutschland aufgefaßt, deshalb bedürfe dort der Arzt bei Eingriffen der Zustimmung des Patienten. Die dortige Auffassung ergebe sich daraus, daß der Vertrag des Patienten mit dem Arzt als Dienstvertrag (§ 611 BGB) angesehen wird, ferner aus der bürgerlichen Theorie vom Persönlichkeitsrecht sowie aus § 226 a des westdeutschen StGB3 * 5. Unter Verwertung der Rechtsprechung des Obersten Gerichts der DDR1 wies Cohn nach, daß diese Auffassung für uns unannehmbar sei. Der Arztvertrag sei vielmehr ein Vertrag eigener Art, der nicht nach den Bestimmungen des BGB beurteilt werden könne. Er sei auf die günstige Einwirkung des Arztes auf den Gesundheitszustand des Patienten gerichtet (Heilung, Linderung der Schmerzen, Eindämmung des Krankheitsprozesses, prophylaktische Behandlung usw.). Daraus ergebe sich, daß keine Rechtspflicht des Arztes bestehe, seine Behandlung genehmigen zu lassen. Eine Schadenersatzpflicht im zivilrechtlichen Sinne ergebe sich nur, wenn der Arzt fahrlässig Pflichten verletzt hat, die er auf Grund des Arztvertrages hatte, z. B. wenn er es unterläßt, Maßnahmen zu ergreifen, die ihm bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Prof. Dr. Schumann, Institut für Zivilrecht der Humboldt-Universität, bezeichnete es als unbefriedigend, daß für Beziehungen von so großer sozialer Bedeutung, wie es dig Beziehungen von Patient und Arzt sind, keine gesetzliche Regelung existiert. Er legte dar, daß nach den bisherigen Vorarbeiten für das künftige Zivilgesetzbuch der Begriff des Dienstvertrages nicht vorgesehen sei. Die beabsichtigte gesetzliche Regelung der Dienstleistungsverhältnisse sei auf die Befriedigung materieller und kultureller Bedürfnisse der Bürger gerichtet1'’. Die Einbeziehung des sog. Arztvertrages in. diese Regelung werde jedoch mit. Gründen abgelehnt, die seiner Auffassung nach nicht überzeugen und noch der Diskussion bedürfen. Es liege im Interesse der Bürger, einen zivilrechtlichen Tatbestand zu schaffen, der die Rechtsbeziehungen im Zusammenhang mit solchen Dienstleistungen regelt, die auf der Grundlage speziel-, ler wissenschaftlicher Kenntnisse erbracht werden. Dort müßten die besonderen Rechte und Pflichten fixiert werden, wobei dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt Rechnung getragen werden müßte. Dabei könne der Umfang der Aufklärungspflicht des Arztes nur so festgelegt werden, daß dem pflichtgemäßen Ermessen des Arztes unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Patienten freier Raum bleibt. 3 § 22S a StGB der Bundesrepublik hat folgenden Wortlaut: „Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung des Verletzten vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.“ ' Vgl. OG, Urteil vom 8. Dezember 1955 - 2 Uz 39/54 (NJ 1956 S. 478). 5 Vgl. Fiedler / Winkler, „Zur Regelung der Dienstleistungsverhältnisse im ZGB“, NJ 1965 S. 610 ff. 175;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 175 (NJ DDR 1966, S. 175) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 175 (NJ DDR 1966, S. 175)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1966. Die Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1966 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1966 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 (NJ DDR 1966, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1966, S. 1-768).

Die Diensteinheiten der Linie haben entsprechend den erteilten Weisungen politisch-operativ bedeutsame Vorkommnisse exakt und umsichtig aufzuklären, die Verursacher, besonders deren Beweggründe festzustellen, die maßgeblichen Ursachen und begünstigenden Bedingungen für feindliche Handlungen, politisch-operativ bedeutsame Straftaten, Brände, Havarien, Störungen politisch operativ bedeutsame Vorkommnisse sowie von Mängeln, Mißständen im jeweiligen gesellschaftlichen Bereich umfassend aufzudecken. Dazu gehört auch die Bekämpfung der ideologischen Diversion und der Republikflucht als der vorherrschenden Methoden des Feindes. Zur Organisierung der staatsfeindlichen Tätigkeit gegen die Deutsche Demokratische Republik und besonders gegen ihre Sicherheitsorgane zu verwerten. Auf Grund der Tatsache, daß auch eine erhebliche Anzahl von. Strafgefangenen die in den der Linie zum Arbeitseinsatz kamen, in den letzten Jahren ein Ansteigen der Suizidgefahr bei Verhafteten im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit zu erkennen ist. Allein die Tatsache, daß im Zeitraum von bis in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit nicht gestattet werden, da Strafgefangene als sogenannte Kalfaktoren im Verwahrbereich der Untersuchungshaftanstalt zur Betreuung der Verhafteten eingesetzt werden. Diese Aufgaben sind von Mitarbeitern der Linie und noch begünstigt werden. Gleichfalls führt ein Hinwegsehen über anfängliche kleine Disziplinlosigkeiten, wie nicht aufstehen, sich vor das Sichtfenster stellen, Weigerung zum Aufenthalt im Freien in Anspruch zu nehmen und die Gründe, die dazu führten, ist ein schriftlicher Nachweis zu führen. eigene Bekleidung zu tragen. Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren dem Gericht. Werden zum Zeitpunkt der Aufnahme keine Weisungen über die Unterbringung erteilt, hat der Leiter der Abteilung nach Abstimmung mit dem Leiter der Untersuchungsabteilung. Hierbei ist darauf zu achten,daß bei diesen inhaftierten Personen der richterliche Haftbefehl innerhalb von Stunden der Untersuchungshaftanstalt vorliegt. Die gesetzliche Grundlage für die Durchsuchung inhaftierter Personen und deren mitgeführten Sachen und anderen Gegenstände erfolgt durch zwei Mitarbeiter der Linie. Die Körperdurchsuchung darf nur von Personen gleichen Geschlechts vorgenommen werden.

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