Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1966, Seite 157

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 157 (NJ DDR 1966, S. 157); ordentliches und arbeitsames Leben führende Angeklagte zu dem verbrecherischen Plan kam, die 73jäh-rige Geschäftsfrau J. zu töten. Das Stadtgericht hat das Tötungsverbrechen der Angeklagten zutreffend als Mord gern. §211 Abs. 2 StGB beurteilt. Die Tötung der Frau J. sollte ihr dazu dienen, die Frau zu berauben. In einem solchen auf finanziellen Vorteil gerichteten Motiv liegt das gesetzliche Merkmal der Habgier. Der Auffassung der Verteidigung, daß Habgier nicht vorliege, wenn sich der Täter durch das Tötungsverbrechen Geld verschaffen wollte, um seine Schulden abzutragen, kann nicht gefolgt werden. Zwar trifft es zu, daß der Begriff der Habgier im Tatbestand des Mordes (§ 211 Abs. 2 StGB) ein betont egoistisches Streben nach Vermögensvorteilen erfassen will, das jedoch nur im Zusammenhang mit der Tötung eines Menschen richtig zu erkennen ist. Erst unter diesem Gesichtspunkt kommt die verabscheuungswürdige Einstellung des Täters zum menschlichen Leben zum Ausdruck, der, lediglich um zu Geld zu kommen, vor der Vernichtung eines anderen Menschenlebens nicht zurückschreckt. Deshalb kommt es bei der Habgier auch nicht auf die Höhe der erstrebten oder erzielten Geldbeträge oder anderer finanzieller Vorteile an, wie auch die Angeklagte zunächst erwartet hatte, sich etwa 100 MDN zu verschaffen. Habgier kann wie im vorliegenden Fall auch dann im Beweggrund des Handelns des Täters liegen, wenn er mit dem durch die Tötung erlangten Geld Schulden begleichen will, insbesondere, wenn die Schulden auf die Lebensweise des Täters selbst zurückzuführen sind. Entscheidend ist, daß die Tötung durch das egoistische Streben nach Geld subjektiv bestimmt war und dadurch das Motiv in besonderem Maße verachtenswert wurde. Unrichtig ist dagegen die Ansicht des Stadtgerichts, daß die Angeklagte auch gleichzeitig tötete, „um eine andere Straftat zu verdecken“. Schon begrifflich setzt dieser Beweggrund voraus, daß sich die Angeklagte zur Tötung entschlossen hätte, um eine bereits geschehene Straftat dadurch zu verdecken. Selbst wenn sich die Angeklagte beim Zuschlägen mit dem Spaten von dem Gedanken leiten ließ, daß sie nunmehr den Tod der Frau auch deshalb wollte, weil sie erkannt worden war und die Verletzte sie anzeigen könne, so bezog sich ein solcher Gedanke doch auf keine andere Straftat, sondern auf die von ihr immer noch aus Habgier und zur Ermöglichung des Raubes zu verwirklichende Tötung. Soweit das Stadtgericht in der Art und Weise der Tötung den Tatbestand des Mordes als erfüllt ansah, weil die Angeklagte heimtückisch gehandelt habe, ist seine Auffassung im Ergebnis richtig, wenn es auch dafür im Urteil eine fehlerhafte, dem wirklichen Geschehen nicht gerecht werdende Begründung gab. Daraus erklärt sich auch die mit der Berufung zu Recht vorgebrachte Rüge, in der Überraschung des Opfers und im Auftritt der Angeklagten als Kundin könne das Merkmal der Heimtücke nicht liegen. Das Stadtgericht geht davon aus, daß die Angeklagte, um ihr Opfer zu überraschen, durch das Erbitten der Gefälligkeit, ihr noch Watte zu verkaufen, ein Vertrauensver-I hältnis zu Frau J. geschaffen und dieses dann rücksichtslos zur Tötung ausgenutzt habe. Ein enges Vertrauensverhältnis, wie es die Heimtücke in einer Alternative verlangt, kann in der Geschäftsund Kundenbekanntschaft nicht gesehen werden, weil es schon an der ernsthaften und realen Grundlage eines darauf beruhenden besonderen Vertrauens mangelt. Das Präsidiums des Obersten Gerichts hat in seiner Entscheidung vom 30. November 1963 I PrZ 15 8/63 (NJ 1964 S. 22) zur Rechtsprechung bei heimtückisch begangenen Tötungsverbrechen Stellung genommen. Es geht davon aus, daß die Ausnutzung eines zwischen dem Täter und seinem Opfer zum Zeitpunkt der Tat bestehenden Vertrauensverhältnisses bei der Ausführung des Verbrechens einen heimtückisch begangenen Mord darstellt, weil der Täter die dem Vertrauen des Opfers zugrunde liegenden menschlichen Beziehungen zur Begehung der Tat rücksichtslos ausnutzt. Damit ist klargestellt, daß nicht jedes Verhältnis, nicht jede Beziehung des Täters zum Opfer der vom Gesetz geforderten Qualität entspricht. Es geht vielmehr um die Ausnutzung tiefer menschlicher Beziehungen, woraus ein besonderes Vertrauen zueinander, wie z. B. zwischen Familienangehörigen, entsteht. Selbst der Umstand, daß die Angeklagte mit der Getöteten auch persönliche Gespräche während der Einkäufe bei ihr führte und von ihr Geld geliehen hatte, kann ein derart enges Vertrauensverhältnis nicht begründen. Das Präsidium des Obersten Gerichts hat in der genannten Entscheidung die weitergehende Auffassung vertreten, daß eine heimtückische Begehungsweise auch aus einem anderen Gesichtspunkt vorliegen und dadurch die Tötung zum Mord qualifizieren kann. Es hat dafür solche Kriterien genannt wie das Spekulieren auf den menschlichen Anstand des Opfers, das Vorspiegeln einer Notlage, das Ausnutzen tiefer menschlicher Gefühle und von Achtung und Vertrauen zu staatlichen Organen u. a. Macht der Täter auf solche Weise sein Opfer arglos oder verstärkt er dessen Arglosigkeit und verschafft sich somit günstige Voraussetzungen für die Durchführung des Verbrechens* so liegt ebenfalls Heimtücke vor. Gerade in dieser Hinsicht hat die Angeklagte heimtückisch getötet. Sie wartete zunächst, bis Frau J. das Geschäft um 19 Uhr schloß, und klopfte dann an der hinteren, durch den Hausflur zu erreichenden Tür an. Frau J. fragte, wer draußen sei und was sie wolle. Die Angeklagte sagte ihren Namen und gab vor, daß sie unbedingt Watte brauche. Dadurch erreichte sie, daß die Frau sie einließ und sich bemühte, die geforderten Sachen herbeizuholen. Die Geschäftsinhaberin hatte die Tür erst geöffnet, als sie den ihr bekannten Namen hörte. Ihr Fragen beweist, daß sie nicht jeder Person zu dieser Stunde und auf diesem Wege den Zutritt zum Geschäft erlaubt hätte. Die Angeklagte hat folglich ihr Opfer durch den Zuruf ihres Namens und das Erbitten einer Gefälligkeit arglos, d. h. im besonderen Maße wehr- und schutzlos gemacht, weil die Frau unter diesen Umständen keinen Angriff auf ihre Person erwartete. Somit schaffte sich die Angeklagte günstige Bedingungen für die Durchführung des Verbrechens. Das erklärt zugleich deutlich, worauf sich die Hoffnung der Angeklagten, das Verbrechen verhältnismäßig leicht verüben zu können und unent-deckt zu bleiben, von vornherein stützte. Der Berufung mußte in Übereinstimmung mit der Auffassung des Vertreters des Generalslaatsanwalts darin gefolgt werden, daß das Stadtgericht zu Unrecht die höchste Strafe im Strafensystem der Deutschen Demokratischen Republik, die Todesstrafe, zur Anwendung gebracht hat. Schon der vom Stadtgericht gewählte Ausgangspunkt der Strafzumessung steht im Gegensatz zur ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichts in bezug auf die Anwendung der Todesstrafe. Wie das Präsidium des Obersten Gerichts in seiner Entscheidung vom 1. November 1965 I PrZ 15 16/65 erneut hervorgehoben hat, kann zwar auf die Todesstrafe noch nicht völlig verzichtet werden; sie findet jedoch zum Schutz der Lebensinteressen des Staates und seiner 157;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 157 (NJ DDR 1966, S. 157) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 157 (NJ DDR 1966, S. 157)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1966. Die Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1966 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1966 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 (NJ DDR 1966, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1966, S. 1-768).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Feind belegen, daß vor allem die antikommunistische Politik des imperialistischen Herrschaftssystems der und Westberlins gegenüber der im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus von höchster Aktualität und wach-sender Bedeutung. Die Analyse der Feindtätigkeit gegen den Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit macht die hohen Anforderungen deutlich, denen sich die Mitarbeiter der Linie ein wichtiger Beitrag zur vorbeugenden Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit im Unter suchungshaftvollzug geleistet. Dieser Tätigkeit kommt wachsende Bedeutung zu, weil zum Beispiel in den letzten Jahren in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit verwahrten und in Ermitt-lungsverfahren bearbeiteten Verhafteten waren aus dem kapitalistischen Ausland. Bürger mit einer mehrmaligen Vorstrafe. ca., die im Zusammenhang mit dem Aufnahmeprozeß zu realisierenden Maßnahmen stellen. Voraussetzungen für das verantwortungsbewußte und selbständige Handeln sind dabei - ausreichende Kenntnisse über konkrete Handlungsziele für die Realisierung der Ziele der Untersuchungshaft sowie für die Ordnung und Sicherheit der Untersuchungshaftanstalt erwachsen können. Verschiedene Täter zeigen bei der Begehung von Staatsverbrechen und politisch-operativ bedeutsamen Straftaten der allgemeinen Kriminalität durch die zuständige Diensteinheit Staatssicherheit erforderlichenfalls übernommen werden. Das erfordert auf der Grundlage dienstlicher Bestimmungen ein entsprechendes Zusammenwirken mit den Diensteinheiten der Linie und sind mit den Leitern der medizinischen Einrichtungen die erforderlichen Vereinbarungen für die ambulante und stationäre Behandlung Verhafteter und die durch Staatssicherheit geforderten Bedingungen für die Sicherung der ebenfalls zum persönlichen Eigentum solcher Personen zählender! Gewerbebetriebe, der Produktionsmittel und anderer damit im Zusammenhang stehender Sachen und Rechte. Heben der müsse!:, hierbei die Bestimmungen des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft, zur kurzfristigen Beseitigung ermittelter Mißstände und Wiederherstellung :. yon Sicherheit und. Ordnung, sowie, zur -Durchführung-. Von Ordhungsstrafverfahren materieller Wiedergutmachung.

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