Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1966, Seite 142

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 142 (NJ DDR 1966, S. 142); Zwar sind nun die Mikroobjekte schon sehr kompliziert, aber die in der Rechtsprechung zu beurteilenden Sachverhalte sind noch komplizierter und fordern deshalb auch eine noch tiefer gehende Analyse des Verhältnisses von Notwendigkeit und Zufall als die bisher betrachteten Beziehungen, die alle auf das Verhältnis von Zufall und Gesetz zurückführbar sind, wobei der Zufall als Erscheinungsform der Notwendigkeit verstanden wird. Das gilt in zweifacher Hinsicht. Einmal ist der Zufall das Schwanken um die in einem dynamischen Gesetz zum Ausdruck gebrachte Beziehung, zum anderen ist er das Verwirklichen einer bestimmten Möglichkeit aus der im statistischen Gesetz enthaltenen Skala von Möglichkeiten. Diese Auffassung des Zufalls hilft uns noch nicht viel weiter. Sie würde in ihrer zweiten Art etwa im zufälligen Verhalten der Menschen in bezug auf allgemeine gesellschaftliche Gesetze vorhanden sein. Es kommt nunmehr darauf an, zu untersuchen, welche Rolle der Zufall in einem konkreten Rechtsfall spielt. Am Ende des vorhergehenden Abschnitts hatten wir auf den Erbauer des Hauses als zufällige Ursache einer Bedingung für den tödlichen Unfall hingewiesen. Der Zusammenhang zwischen beiden ist so entfernt, daß man ihn vernachlässigen kann. In diesem Sinne spricht auch Engels von Zufälligkeiten, als „von Dingen und Ereignissen, deren innerer Zusammenhang untereinander so entfernt oder so unnachweisbar ist, daß wir ihn als nicht vorhanden betrachten, vernachlässigen können“8. Diese Bestimmung des Zufalls muß konkretisiert werden, weil sich darunter verschiedene Beziehungen verbergen können. Betrachten wir als erste Form des Zufalls die einfache Koexistenz von Ereignissen, ohne daß zwischen ihnen ein Zusammenhang besteht. Zweifellos kann die Anwesenheit einer Person am Tatort des Verbrechens in Beziehung zum Verbrechen selbst stehen. Sie kann aber auch zufällig in dem Sinne sein, daß hier zwei Ereignisse nebeneinander bestehen, ohne Verbindung zueinander zu haben. Das ist ein Zufall, der schon bei der Untersuchung eines Falles ausgesondert werden muß. Diese Art von Zufällen hat auf die Rechtsprechung keinen Einfluß und spielt auch im folgenden keine Rolle. Zweitens haben wir den Zufall als ein Zusammentreffen von Ereignissen, die sich nicht gegenseitig begründen. In diesem Sinne ist das Wirken der Bedingungen, die die Durchsetzung eines Kausalverhältnisses in seiner Form beeinflussen, ebenfalls als zufällig zu betrachten. Das Zusammentreffen von Bedingungen und Kausalverhältnis begründet sich nicht gegenseitig. So wurde im obigen Beispiel zwar der Schädelbruch des Motorradfahrers durch den Torpfeiler hervorgerufen. Aber es besteht keine Notwendigkeit, kein innerer Zusammenhang zwischen der Existenz des Torpfeilers und dem Schädelbruch. Durch die Gesamtheit der vorher betrachteten Umstände kam es zu diesem zufälligen Zusammentreffen beider Ereignisse. Drittens kann die Beziehung zwischen einer Wirkung und den vorhergehenden Prozessen, seien sie Bedingungen oder Ursachen von Bedingungen, zufällig sein. Hier ist die erwähnte exakte Analyse von Ursachen und Bedingungen unbedingt erforderlich. In diesem Zusammenhang muß auch die Frage diskutiert werden: Kann es ein unglückliches, d. h. zufälliges Zusammentreffen von Umständen geben, so daß keine Schuld feststellbar ist? Wir wollen diese Frage hier nur erwähnen, weil sie einer besonderen Behandlung bedürfte und die Berücksichtigung von praktischen Fällen erforderte. Die Betrachtung verschiedener Seiten des Zufalls er-8 Marx / Engels, Ausgewählte Briefe, Berlin 1953, S. 502 f. 142 fordert besonders im letzten Fall die Berücksichtigung der verschiedenen Umstände, die zur Wirkung führten. Versuchen wir auch hier, an einem Beispiel deutlich zu machen, worum es geht: In einem Betrieb befindet sich eine Verladebrücke, mit deren Hilfe Koks, der darunter lagert, in einen Bunker gebracht wird. Die fest mit der Fahrerkabine verbundene Laufkatze und der Greifer werden durch Elektromotor angetrieben. Die Stromzufuhr erfolgt über ein Gummikabel, das ursprünglich über eine Kabeltrommel lief, wodurch ein Durchhängen verhindert wurde. Die Trommel war nun schon lange defekt, das Kabel hing durch und mußte oft aus den vom Greifer ausgehobenen Mulden herausgeholt werden, damit es nicht riß. Eines Tages griff der Kranführer M. aus dem nicht verglasten Fenster und warf das Kabel aus der Mulde. Später wurde er tot gefunden. Höchstwahrscheinlich hat er sich bei fahrender Laufkatze aus dem Fenster gebeugt, wobei er zwischen Kabinenwand und Wartebrücke totgequetscht wurde. Das Kreisgericht hatte die Angeklagten den technischen Leiter des Betriebes, den Inspektor der damaligen Technischen Überwachung und einen Betriebsingenieur freigesprochen. Das Oberste Gericht hob dieses Urteil auf. In seiner Begründung führte es u. a. aus: „Die Pflichtverletzung der Angeklagten war aber auch ursächlich für den Tod des Kranführers M. Die Feststellung des Kreisgerichts, der Verunglückte habe durch sein leichtfertiges Verhalten selbst die Ursache für den Unfall gesetzt, die in der Konsequenz objektiv auf die im kapitalistischen Wirtschaftssystem vertretene arbeiterfeindliche .Theorie' des Selbstverschuldens hinausläuft, ist politisch-ideologisch und rechtlich abwegig. Das Kreisgericht hat dabei Ursache und Wirkung verkannt, nämlich daß M. sich nur aus dem Fenster beugen konnte, weil die Angeklagten entgegen den konkreten Arbeitsschutzbestimmungen die an der gefahrdrohenden Seite der Kabine befindliche Fensteröffnung nicht so verkleiden ließen, daß ein Hinausbeugen schlechthin unmöglich war.“9 Untersuchen wir hier kurz das Verhältnis von Ursache und Bedingung: Ursache des Unfalls mit tödlichem Ausgang war das Verhalten von M., der sich bei fahrender Laufkatze hinausbeugte. Dabei hatte er die Arbeitsschutzvorschriften nicht eingehalten. Er mußte die Schaltvorrichtung außer Betrieb setzen und durfte sich nicht aus dem Fenster beugen. Die Bedingung, die das Wirken der Ursache erst ermöglichte, war das nicht verkleidete Fenster. Die Ursache für die Existenz dieser Bedingung stellte das falsche Verhalten der Angeklagten dar, die die Fensteröffnung nicht verkleiden ließen. Im Urteil des Obersten Gerichts aber wird die Ursache der Bedingung fälschlich als die Ursache der Wirkung angesehen. Es muß nun untersucht werden, welche Beziehung zwischen der Ursache einer Bedingung und der Wirkung existiert. Offensichtlich führte das nicht verkleidete Fenster nicht notwendig zum Tod von M. Die Schuld der Angeklagten bestand darin, daß sie durch ihre Pflichtverletzung eine Möglichkeit zum Unfall mit tödlichem Ausgang schufen. Diese Möglichkeit wurde zufällig Wirklichkeit, indem durch das leichtsinnige Verhalten von M. die Ursache (das Hinausbeugen) zur Wirkung (Tod von M.) führte. Es existiert also zwischen Bedingung und Wirkung kein unmittelbarer, direkter und damit kein Kausalzusammenhang. Hier zeigt sich auch ganz deutlich, daß die Rechtsprechung kein Schema duldet, weil Zufälle in jedem Ereignis, das betrachtet wird, eine Rolle spielen. Der Versuch, alle Komponenten zu finden, die zufälliges Ver- 9 OG, Urteil vom 17. August 1962 - 3 Zst III 25/62 - (unver-öilentlicht).;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 142 (NJ DDR 1966, S. 142) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Seite 142 (NJ DDR 1966, S. 142)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 20. Jahrgang 1966, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1966. Die Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1966 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1966 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 20. Jahrgang 1966 (NJ DDR 1966, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1966, S. 1-768).

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