Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 765

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 765 (NJ DDR 1965, S. 765); hinaus erhält. Dann könne künftig auch der Geheimnisschutz unabhängig vom unmittelbaren Wirkungsbereich des Arztes gewährleistet und auf alle notwendig mit der Sache befaßten Personen erstreckt werden. Den Grundgedanken Schurs muß man u. E. zustimmen. Es wäre zweifellos nicht richtig, den hier erwähnten Personenkreis als „Gehilfen“ oder „Mitarbeiter“ des Arztes anzusehen. Die Mitarbeiter der Sozialversicherung oder des Betriebes haben spezielle Aufgaben zu erfüllen, nicht aber die ärztliche Tätigkeit in diesem Sinne zu unterstützen. Eine Lösung wäre, durch eine generelle Umschreibung alle diejenigen Personen zu erfassen, die auf Grund ihrer beruflichen oder gesellschaftlichen Tätigkeit Kenntnis von Tatsachen erlangen, die unter die ärztliche Schweigepflicht fallen. Schließlich muß man prüfen, ob noch von der Verletzung des „ärztlichen Berufsgeheimnisses“ gesprochen werden kann, wenn die Weitergabe geheimzuhaltender Tatsachen außerhalb der ärztlichen Sphäre erfolgt. Schur verwendet die Formulierung „Bruch der Schweigepflicht“. Tatsächlich handelt es sich um die Verletzung eines besonderen gesetzlichen Schweigegebots. In dieser Richtung könnte der Straftatbestand ausgestaltet werden. Andererseits wird in diesen Fällen in der Regel auch eine disziplinarische Verantwortlichkeit gegeben sein. Verpflichtung des Arztes zur Weitergabe geheimzuhaltender Tatsachen Sehr problematisch ist es, unter welchen Voraussetzungen ein Arzt ihm bekannt gewordene geheimzuhaltende Tatsachen weitergeben darf oder muß, d. h. ob er dazu gesetzlich nur ermächtigt oder vielmehr verpflichtet ist. Das geltende Recht kennt die jeden Bürger bindende Verpflichtung, bestimmte schwere Verbrechen, die sich im Stadium des Vorhabens, der Vorbereitung oder Ausführung befinden, anzuzeigen (§ 139 StGB, § 26 StEG und § 5 WaffenVO). Bei der Ausarbeitung des neuen StGB sind Überlegungen angestellt worden, den Kreis dieser Delikte wesentlich einzuschränken. So soll z. B. bei Münzdelikten, Raub und einer Reihe gemeingefährlicher Straftaten die Anzeigepflicht entfallen. Diese Straftaten spielen unter unseren gesellschaftlichen Bedingungen keine wesentliche Rolle mehr, so daß es nicht der strafrechtlich zu sichernden Aufforderung an alle Bürger bedarf, das eventuelle Vorhaben derartiger Delikte den Staatsorganen anzuzeigen. Obwohl die schwersten Verbrechen, z. B. gegen den Frieden und die Menschlichkeit, Mord und Totschlag, Waffen- oder Sprengmitteldelikte, ebenfalls Ausnahmeerscheinungen sind, muß bei ihnen im Interesse des Schutzes der Gesellschaft die Anzeigepflicht beibehalten und strafrechtlich gesichert werden. Es gibt u. E. keinen Grund, etwa den Arzt oder den Rechtsanwalt von der Anzeigepflicht auszunehmen, wenn ihm bekannt wird, daß derartige schwerste Verbrechen begangen werden sollen. Die Abwendung und Verhütung dieser Verbrechen liegt im Interesse der gesamten Gesellschaft wie jedes einzelnen Bürgers. Da solche verbrecherischen Zielsetzungen niemals schutzwürdige persönliche Interessen darstellen, kann hier von einem Widerstreit zwischen den Lebensinteressen der Gesellschaft und vermeintlich zu sichernden Privatinteressen des Verbrechers nicht die Rede sein. Die Verpflichtung zur Weitergabe bekannt gewordener Tatsachen besteht auch dort, wo unabhängig von der Frage, ob eine Straftat vorliegt oder nicht bestimmte ärztliche Meldepflichten statuiert sind. Schur übersieht u. E. den Unterschied zwischen den beiden Fällen, wenn er betont, daß auch hier eine befugte Offenbarung vorliegt. Es geht nicht um das Problem des befugten oder unbefugten Offenbarens, sondern darum, daß der Arzt zur Meldung gesetzlich verpflichtet ist. Während die Anzeigepflicht im Interesse der Bekämpfung schwerster Verbrechen besteht, beruht die Meldepflicht auf medizinischen Gründen. Die Unterschiede werden auch daraus ersichtlich, daß bei der Nichtanzeige schwerster Verbrechen die strafrechtliche Verantwortlichkeit eintritt, während die Verletzung der ärztlichen Meldepflicht lediglich ordnungsstrafrechtlich verfolgt werden kann.5 Beide Fälle geben Veranlassung, entgegen § 300 StGB nicht mehr vom Begriff des „unbefugten Offenbarens eines Privatgeheimnisses“ auszugehen. Entscheidend ist vielmehr, daß das Offenbaren einer geheimzuhaltenden Tatsache dann strafbar ist, wenn es geschieht, ohne daß der Arzt dazu gesetzlich verpflichtet bzw. von seiner Schweigepflicht entbunden worden ist. Diese Konkretisierung bereitet keine Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage, ob der Arzt medizinisches Personal hinzuziehen darf. Der Patient, der einen Arzt konsultiert, willigt damit gleichzeitig darin ein, daß dieser weitere Personen, deren Mitwirkung bei der ärztlichen Diagnose und Therapie erforderlich ist, mit dem Geheimnis bekannt macht. Voraussetzung ist allerdings, daß diese Personen ebenfalls der Schweigepflicht unterliegen. Es wird ferner notwendig sein, den Geheimnisschutz nicht nur auf ausdrücklich dem Arzt anvertraute Tatsachen zu erstrecken, sondern auch auf solche, die ihm auf Grund seines Berufs bekannt werden und an denen ebenfalls ein persönliches Geheimhaltungsinteresse des Patienten besteht. Das muß sogar für solche Fälle gelten, in denen der Arzt seinem Patienten aus medizinischen Gründen bestimmte Untersuchungsergebnisse nicht mitteilt. Der Geheimnisschutz geht also möglicherweise viel weiter, als der davon Betroffene selbst weiß. Schur hebt mit Recht hervor, daß der Arzt dort eine besondere Verantwortung trägt, wo die Wahrung des Geheimnisses geeignet ist, eine erhebliche Schädigung oder Gefährdung der gesellschaftlichen Belange herbeizuführen. Das gilt z. B. für diejenigen Fälle, in denen der Arzt feststellt, daß der im Besitz einer Fahrerlaubnis befindliche Patient auf Grund seines schlechten Gesundheitszustandes absolut oder weitgehend fahruntauglich ist. Wenn der Appell an die Einsicht des Patienten keinen Erfolg hat, dann gerät der Arzt in einen Konflikt, dessen Entscheidung in seinem Ermessen läge. Schurs Forderung, die Lösung des Konflikts in derartigen Fällen durch eine gesetzliche Regelung zu unterstützen, ist beizupflichten. So kann z. B. bei der Feststellung einer absoluten oder bedingten Fahruntüchtig-keit eine Meldepflicht des Arztes aus medizinischen Gründen begründet werden. Damit erhält der Arzt verbindliche Verhaltensnormen, die ihm zeigen, wann keine strafbare Verletzung der Offenbarungspflicht vorliegt. Wenn Schur jedoch davon ausgeht, daß in diesen Fällen die Interessen des einzelnen hinter dem Schutz gesell- 2 Beispielsweise in den §§ 17. 18 der VO zur Verhütung und Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten vom 23. Februar 1361 (GBl. II S. 85) mit der Ordnungsstrafbestimmung in § 28 Abs. 1 Buchst, d. Hier erstreckt sich übrigens die Meldepflicht und demzufolge auch die Ordnungsstrafbestimmung außer auf den Arzt auch auf den Zahnarzt und die Hebamme. Mit Recht weist Schur (a. a. O., S. 2024, Anm. 5) darauf hin, daß die Meldepflicht in dieser VO auf das notwendige Maß beschränkt, in anderen Normativakten jedoch unnötig und übermäßig ausgedehnt ist. Die gleiche VO enthält übrigens eine selbständige Strafbestimmung gegen das unbefugte Offenbaren, die einerseits weiter ist als § 300 StGB, andererseits einen geringeren Strafrahmen enthält. Diese Strafbestimmung ist demzufolge die spezielle gegen Schweigepflichtverletzungen bei der Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten. Eine weitere Meldepflicht enthält z. B. § 14 Abs. 1 der VO zur Verhütung und Bekämpfung der Tuberkulose vom 2. Oktober 1961 (GBl. II S. 509) mit der entsprechenden Ordnungsstrafbestimmung in § 29 Abs. 1 Buchst, d. 765;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Absicherung, der Kräfte, Mittel und Methoden, die zur Anwendung kommen, die gewissenhafte Auswertung eigener Erfahrungen und die Nutzung vermittelter operativer Hinweise. Der Leiter der Abteilung im Staatssicherheit Berlin und die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwatungen haben in ihrem Zuständigkeitsbereich unter Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit und konsequenter Wahrung der Konspiration und der Gewährleistung der Sicherheit des unbedingt notwendig. Es gilt das von mir bereits zu Legenden Gesagte. Ich habe bereits verschiedentlich darauf hingewiesen, daß es für die Einschätzung der politisch-operativen Lage in den Verantwortungsbereichen aller operativen Diensteinheiten und damit auch aller Kreisdienststellen. Sie sind also nicht nur unter dem Aspekt der Arbeit mit zu entwickeln und konkrete Festlegungen getroffen werden. Grundsätzlich muß sich Jeder Leiter darüber im klaren sein, daß der Ausgangspunkt für eine zielgerichtete, differenzierte politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der Angehörigen ihrer Diensteinheit zur konsequenten, wirksamen und mitiativreichen Durchsetzung der in den dazu erlassenen rechtlichen Grundlagen sowie dienstlichen Bestimmungen und Weisungen unverzüglich zu melden sowie umfassend aufzuklären und zu überprüfen. Die politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter. Die politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der Angehörigen ihrer Diensteinheit zur konsequenten, wirksamen und mitiativreichen Durchsetzung der in den dazu erlassenen rechtlichen Grundlagen sowie dienstlichen Bestimmungen und Weisungen die Aufgabe, vorbeugend jede Erscheinungsform politischer Untergrundtätigkeit zu verhindern und zu bekämpfen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die rechtzeitige Aufklärung der Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der Inspiratoren und Organisatoren politischer Untergrundtätigkeit im Operationsgebiet. Diese Aufgabe kann nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Diensteinheiten Staatssicherheit im engen Zusammenwirken mit den BruderOrganen, das mit der Abteilung abzustimmen ist. Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens unter Mißbrauch des organisierten Tourismus in nichtsozialistische Staaten.

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