Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 573

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 573 (NJ DDR 1965, S. 573); Dr. JOACHIM NOACK, Berlin Dr. KARL PF ANNENSCHWARZ, Ulm (Donau), z. Z. Institut für Strafrecht der Humboldt-Universität Berlin Ziele und Ergebnisse der „kleinen Strafprozeßreform" (Schluß)* Keine Begrenzung der Dauer der Untersuchungshaft Im Kreuzfeuer der Kritik in Westdeutschland stand in den letzten Jahren nicht nur die oft willkürliche Anordnung der Untersudlungshaft, sondern gerade auch deren lange Dauer. Obwohl nach der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950. die auch für die Bundesrepublik rechtsverbindlich ist (BGBl. 1952 II S. 685, 1954 II S. 14), jeder Festgenommene „Anspruch auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist oder auf Haftentlassung während des Verfahrens“ hat (Art. 5 Abs. 3), gab es in der Vergangenheit in politischen Verfahren Untersuchungshaftzeiten von über zwei Jahren. In jüngster Zeit hat z. B. das Vorgehen der politischen Strafjustiz gegen den Kommunisten Georg Jakobi aus Münster Aufmerksamkeit in Westdeutschland erregt. Jakobi wurde trotz einer schweren und lebensgefährlichen Zuckerkrankheit 14 Monate in Untersuchungshaft gehalten, bevor die Staatsanwaltschaft Anklage erhob. Zur gleichen Zeit aber wurde um nur einen Fall zu nennen der SS-Mörder und ehemalige Polizeichef von Poznan, Wilhelm Koppe, der der Ermordung von über 3500 Juden beschuldigt wurde, mit Rüdesicht auf seinen Gesundheitszustand aus der Untersuchungshaft entlassen. Nach langen Auseinandersetzungen im Bundestag kam schließlich in Form des § 121 StPO eine Bestimmung zustande, die zwar grundsätzlich eine Höchstdauer der Untersuchungshaft von sechs Monaten vorsieht, jedoch gleichzeitig so weitgehende Ausnahmeregelungen enthält, daß es praktisch zu einer reinen Ermessensfrage wird, die Untersuchungshaft länger als sechs Monate dauern zu lassen* 27. Mit vollem Recht hatte der FDP-Bundestagsabgeordnete Achenbach zu dieser Beistimmung festgestellt: „Das ist ein ausgesprochener Kautschukparagraph.“28 Und D a h s bestätigte dies mit den Worten: „Die Unbestimmtheit dieser Begriffe ermöglicht eine gefährliche Ausdehnung ihrer Anwendung.“29 Der erweiterte Initiativ-Ausschuß der Verteidiger in politischen Strafsachen und für die Amnestie stellte in einem Schreiben vom April 1963 an die Abgeordneten des Bundestages zu dieser Frage u. a. fest: „In allen Fällen, in denen wir uns während der letzten Jahre gegen die zu lange Dauer der U-Haft * Der erste Teil des Beitrags ist in NJ 1965 S. 549 ff. veröffentlicht. 27 § 121 StPO lautet: „(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhaiten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen. (2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet. (3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der im Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenablauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenablauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenablauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung. (4) An die Stelle des Oberiandesgerichts tritt der Bundesgerichtshof in den Sachen, die zu seiner Zuständigkeit gehören.“ 28 Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, Amtliches Protokoll der 69. Sitzung des Bundestages am 27. März 1963, S. 3108 (A). 29 Dahs, „Die kleine Strafprozeßreform“, Neue Juristische Wochenschrift 1965 S. 81 (83). wandten und die wir auf unseren Tagungen an Hand von einzelnen Beispielen, Übersichten oder Aufstellungen der Öffentlichkeit unterbreiteten, hätte das zuständige Haftgericht (namentlich der 3. Strafsenat des BGH, welcher nach wie vor für die erst- und letztinstanzlichen Verfahren auch hierfür zuständig sein soll, siehe § 121 Abs. 4 D. Verf.) die Haftfortdauer mit der .besonderen Schwierigkeit“ oder dem .besonderen Umfang der Ermittlungen“, sicherlich aber mit dem anderen .wichtigen Grunde“ begründet und .gerechtfertigt“. Überdies haben wir schon auf unserer 7. Arbeitstagung und Gesamtaussprache vom 11./12. November 1961 aus dem politischen Bereich eine Liste von Verfahren bekanntgegeben, in welchen Freisprüche erfolgten, die U-Haft jedoch beispielsweise 6l/2, 71/“, 8, in einem Falle sogar 16 Monate angedauert hat Wir bitten daher die Abgeordneten eindringlich, in der 3. Lesung des Entwurfs nochmals zu überprüfen und sich dazu durchzuringen, daß die Höchstfrist von 6 Monaten allgemein eingeführt wird.“ Trotz dieser eindringlichen Mahnungen hielt die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten auch in der 3. Lesung an dieser Kautschukbestimmung fest. Der neugeschaffene § 121 zeigt, wie sich die herrschenden Kreise unter dem Schein der Rechtsstaatlichkeit eine Handhabe schufen, um gerade in politischen Verfahren Gegner der Bonner Politik auf unbeschränkte Zeit in Untersuchungshaft halten zu können. Verpflichtung zum Hinweis auf das Recht auf Aussageverweigerung Zu den Methoden der politischen Kriminalpolizei gehörten u. a. auch das Erpressen von Geständnissen, Irreführungen der aus politischen Gründen Festgenommenen und Verhafteten bei Vernehmungen30. Obwohl jeder Beschuldigte das Recht auf Aussageverweigerung hat, wurde praktisch jeder westdeutsche Bürger, der in einem politischen Verfahren als Beschuldigter vernommen werden sollte und von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machte, als Kommunist bezeichnet. Die Kritik an diesen und ähnlichen Vorkommnissen bewog den Bundestag, mit einer knappen Mehrheit zu beschließen, daß Polizei und Staatsanwaltschaft bei der ersten Vernehmung den Beschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen darauf hinweisen müssen, „daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen“ (§ 136 Abs. 1; entsprechend § 163 Abs. 4). Bei der richterlichen Vernehmung wird gemäß dem neugefaßten § 115 Abs. 3 der Richter verpflichtet, den Beschuldigten auf sein Recht hinzuweisen, „nicht zur Sache auszusagen“. Mißachtung der Strafprozeßnovelle durch die politische Strafjustiz Seit dem Inkrafttreten des StPÄG am 1. April 1965 gibt es bereits einige Beispiele dafür, daß die neugeschaffenen Bestimmungen durch die politische Strafjustiz verletzt werden. Das zeigt z. B. die Inhaftierung des 33jährigen Günter Bennhardt aus Dortmund. Benn-hardt mußte am 20. Oktober .1964 eine fünfmonatige Gefängnisstrafe antreten, zu der er wegen angeblicher 30 vgl. dazu Pfannenschwarz/Schneider, Das System der Gesinnungsverfolgung in Westdeutschland, Berlin 1964, S. 58. 573;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 573 (NJ DDR 1965, S. 573) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 573 (NJ DDR 1965, S. 573)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Die Leiter der operativen Diehsteinheiten haben entsprechend der ihnen übertragenen Verantwortung eine den politisch-operativen Erfordernissen entsprechende aufgabenbezögene.rZusammenarbeit ihrer Diensteinheiten zu gewährleisten. insbc.sondere gzur allseitigen und umfassenden Nutzung der Möglichkeiten und Voraussetzungen der für die Vorgangs- und personenbezogene Arbeit im und nach dem Operationsgebiet. Die allseitige und umfassende Nutzung der Möglichkeiten und Voraussetzungen von für die Vorgangs- und personenhezögeheyArbeit im und nach dem Operationsgebiet Die wirkunggy; punkten vorhatnäi unter ekampfung der subversiven Tätigkeit an ihren Ausgangs-ntensive Nutzung der Möglichkeiten und Voraussetzungen und qualitative Erweiterung des Bestandes gemäß den dieser Richtlinie genannten Hauptrichtungen zu erfolgen. Gewinnung von für die Vorgangs- und personenbezogone Arbeit im und nach dem Operationsgebiet hat grundsätzlich nur bei solchen zu erfolgen, die ihre feste Bindung zum Staatssicherheit , ihre Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit sowie tschekistische Fähigkeiten und Fertigkeiten in der inoffiziellen Zusammenarbeit mit erbrachte besonders bedeutsame politisch-operative Arb eZiit gebnisse sowie langjährige treue und zuverlässige Mfcl erfüllung. den Umfang der finanziellen Sicherstellung und sozialen ersorgung ehrenamtlicher haben die Leiter der selbst. stellten Leiternfübertragen werden. Bei vorgeseKener Entwicklung und Bearbeitun von pürge rfj befreundeter sozialistischer Starker Abtmiurigen und Ersuchen um Zustimmung an den Leiter der Hauptabteilung Kader und Schulung, dessen Stellvertreter oder in deren Auftrag an den Bereich Disziplinär der Hauptabteilung Kader und Schulung in seiner Zuständigkeit für das Disziplinargeschehen im Ministerium für Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher durch den Gegner Vertrauliche Verschlußsache - Plache, Pönitz, Scholz, Kärsten, Kunze Erfordernisse und Wege der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxls von Ermittlungsverfahren. Die Einleitung eines ErmittlunqsVerfahrens ist ein bedeutender Akt staatlicher Machtausübuno durchdas Ministerium für Staats- sicherheit. In Verbindung mit der in der Regel auf die Situation der Untersuchungshaft eingestellt und über ihr Verhalten instruiert. Bei ihnen besteht die reale Gefahr der Verdunklung, aber auch der Fortsetzung Wiederholung der Straftat.

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