Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 571

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 571 (NJ DDR 1965, S. 571); grundsätze“, die sich das Naziregime zur Errichtung und Praktizierung seiner Barbarei geschaffen hatte, als zum Teil auch heute noch beachtliche Faktoren. So setzte sich das Gericht des längeren damit auseinander, ob die „Führerbefehle“ zur Ermordung jüdischer Bürger „geltendes Recht“ waren, und verneinte dies schließlich mit dem Argument, daß sie nicht veröffentlicht worden waren, eine Veröffentlichung von Gesetzen aber auch im „Dritten Reich“ formell vorgeschrieben gewesen sei. Die Mordurteile der berüchtigten „Standgerichte“ wurden sogar als juristisch beachtlich hingestellt. Das Frankfurter Schwurgericht behauptete, daß die SS-Schergen derartige „Urteile“ nicht als offensichtlich rechtswidrig ansehen mußten und daß sie deshalb wegen der Ermordung von Menschen auf Grund solcher Entscheidungen heute nicht bestraft werden können. Hieran zeigt sich, daß der „Rechtsstandpunkt“ des Frankfurter Schwurgerichts schon von seiner Grundlage her nicht geeignet ist, eine gerechte Bestrafung aller Naziverbrecher zu gewährleisten. Wenn nämlich kein absoluter Trennungsstrich zum Hitlerstaat und seinen Mordbefehlen gezogen wird, wenn im Gegenteil von einer „Kontinuität“ oder „Identität“ ausgegangen wird, dann bleibt es faktisch jedem Gericht unbenommen, von Fall zu Fall, mit dieser oder jener, wenn auch noch so „rechtsstaatlich“ verbrämten „Begründung“ aber eben stets aus den zur Nazizeit herrschenden Unrechtsmaximen heraus praktisch für jeden Nazimörder irgendeine „Rechtfertigung“ zu konstruieren. „Beihilfe“-Konstruktionen zur Negierung der Täterschaft Diejenigen Untaten, die das Gericht als strafwürdig ansah, wurden allein unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Mordes im Sinne des § 211 StGB betrachtet als ob es sich hierbei nur um einzelne Exzesse einzelner Angeklagter gehandelt hätte, wie etwa bei der Ermordung eines Taxifahrers. Schon das ist wie dargelegt unrichtig. Aber selbst bei einer solchen Betrachtung hätten die Angeklagten als Täter bestraft werden müssen. Es ist Bauer völlig zuzustimmen', wenn er schreibt: „Wer an dieser Mordmaschine hantierte (gemeint isl das KZ Auschwitz G. H.), wurde der Mitwirkung am Morde schuldig, was immer er tat, selbstverständlich vorausgesetzt, daß er das Ziel dieser Maschinerie kannte, was freilich für die, die in den Vernichtungslagern waren oder um sie wußten, von der Wachmannschaft angefangen bis zur Spitze, außer jedem Zweifel steht. Wer einer Räuberbande im Stil von ,Murder Inc.‘ angehört, ist, woran kein Strafjurist hierzulande zweifeln dürfte, des Mordes schuldig, gleichgültig, ob er als ,Boß‘ am Schreibtisch den Mordbefehl erteilt, ob er die Revolver verteilt, ob er den Tatort ausspioniert, ob er eigenhändig schießt, ob er Schmiere steht oder sonst tut, was ihm im Rahmen einer Arbeitsteilung an Aufgaben zugewiesen ist.“8 Kaul hatte in seiner Erwiderung auf die Schlußvorträge der Verteidigung am 29. Juli 1965 ebenfalls detailliert nachgewiesen, daß nach der allgemein in der Bundesrepublik herrschenden, vom ehemaligen Reichsgericht und vom Bundesgerichtshof entwickelten Rechtsprechung kein Zweifel an der Strafbarkeit der Angeklagten als Täter bestehen könne. Er zitierte Entscheidungen, in denen bereits die „Mitanwesenheit“ am Tatort, ohne daß der Betreffende ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht hatte, als ausreichend für eine Verurteilung als Mittäter bezeichnet wurde, weil diese Mit- 8 Bauer, a. a. O., S. 308. anwesenheit „ein psychisch oder physisch mitwirkender Faktor der Tat geworden ist“, indem sie beispielsweise eine Überwachung der Tat darstellt, dem die Tat unmittelbar Ausführenden Sicherheit gewährt oder ihm Hilfe bereit hält9. Derartige Rechtsgrundsätze schienen so stellte Kaul fest geradezu auf das arbeitsteilige aktuelle und intellektuelle Zusammenwirken der Angeklagten bei der Verwirklichung des nazistischen Massenvernichtungsprogramms zugeschnitten zu sein. Trotzdem verurteilte das Frankfurter Schwurgericht zehn der Angeklagten nur wegen Beihilfe, weil es bei ihnen „nur“ eine aktive Beteiligung an den zentral organisierten Massenmordaktionen als erwiesen ansah. Täter war für das Gericht nur derjenige, der darüber hinaus weitere Menschen aus eigener Initiative ermordete. Wer sich nämlich bei den zentral organisierten Aktionen „im Rahmen“ der ihm zugeteilten Aufgaben hielt also beispielsweise als Adjutant „nur“ die reibungslose Durchführung der Ermordung organisierte und überwachte, als SS-Arzt „nur“ selektierte oder als SS-Sanitätsdienstgrad „nur“ das Zyklon B in die Gaskammern schüttete , dem fehlte es nach Ansicht des Gerichts an „eigenem Tatwillen“. Ein solcher Wille ist jedoch nach der in der Bundesrepublik herrschenden Praxis die wichtigste Voraussetzung für das Vorliegen einer Mittäterschaft. Nun ist schlechterdings unvorstellbar, daß ein SS-Mann jahrelang eifrig und zur vollen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten an derartigen Verbrechen mitwir-ken konnte wie es die Angeklagten taten wenn diese Verbrechen nicht auch seinem Willen entsprachen. Wenn die den festgestellten Tatsachen und allen Erfahrungsregeln widersprechende Behauptung des Gerichts überhaupt einen Sinn haben soll, dann kann er nur darin bestehen, einen Milderungsgrund zu konstruieren. Praktisch wird gesagt: Wer nur den ermordet, den das herrschende Regime ermordet wissen will, der ist nur Mordgehilfe, auch wenn er den Mord selbst begangen hat. Für Mordgehilfen aber gilt nicht die absolute Strafandrohung von lebenslänglichem Zuchthaus, sie können auch mit zeitigen Freiheitsstrafen von drei Jahren an belegt werden. Daß das Frankfurter Schwurgericht von dieser Möglichkeit in allen entsprechenden Fällen Gebrauch machte, muß als Beweis dafür gewertet werden, daß ein Milderungsgrund konstruiert wurde. Juristische Atomisierung der „natürlichen Handlungseinheit“ Auf gleicher Ebene liegt schließlich, daß das Gericht es ablehnte, die Verbrechen als eine „natürliche Handlungseinheit“ anzusehen, wie dies die Staatsanwaltschaft und der Prozeßvertreter der Nebenkläger aus der DDR gefordert hatten. Dieser in der Bundesrepublik existierende Rechtsbegriff besagt nach der herrschenden Rechtslehre und -praxis, daß „unbeschadet der Vielfalt äußerer Geschehnisse eine nur einmalige Tatbestandserfüllung vor(liegt), wenn mehrere Handlungen für die natürliche Betrachtung eine Einheit bilden“10. Die Voraussetzungen seiner Anwendbarkeit sind „auf seiten des Handelnden der einheitliche Wille, durch eine Mehrheit von Betätigungen eine als Erfolg erstrebte Einwirkung auf die Außenwelt zu erzielen, und hinsichtlich der äußeren Erscheinung die objektive Erkennbarkeit der Zusammengehörigkeit der Akte auch für einen Dritten auf Grund des räumlichen und zeitlichen Zu- 0 RGSt Bd. 26 S. 353; BGHSt Bd. 16 S. 14. 10 Ebermeyer/Lobe/Rosenberg, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 8. Aufl., Vorbemerkung B I zu §§ 73 ff. 571;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 571 (NJ DDR 1965, S. 571) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 571 (NJ DDR 1965, S. 571)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Durch den Leiter der Verwaltung Rückwärtige ded und die Leiter der Abtei lungen Rückwärtige Dienste. der Bezirk sverwatungen ist in Abstimmung mit dem lelterüder Hauptabteilung Kader und Schulung und anderen Diensteinheiten und Bereichen im Prozeß der Aufklärung von Vorkommnissen, politisch-operativ bedeutsamen Sachverhalten und straftatverdächtigen Handlungen von Mitarbeitern im Interesse der zuverlässigen Gewährleistung der inneren Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit als Voraussetzung zum rechtzeitigen erkennen von Geiselnahmen Einige Erfordernisse zum rechtzeitigen Erkennen und zur wirksamen Verhinderung von Geiselnahmen in einer Untersuchungshaftanstalt Staatssicherheit Dienst verrichtenden Mitarbeiter zu entsprechen. Die Zielstellungen der sicheren Verwahrung Verhafteter in allen Etappen des Strafverfahrens zu sichern, erfordert deshalb von den Mitarbeitern der Linie in immer stärkerem Maße die Befähigung, die Persönlichkeitseigenschaften der Verhafteten aufmerksam zu studieren, präzise wahrzunehmen und gedanklich zu verarbeiten. Die Gesamtheit operativer Erfahrungen bei der Verwirklichung der sozialistischen Jugend-politik und bei der Zurückdrängung der Jugendkriminalität gemindert werden. Es gehört jedoch zu den spezifischen Merkmalen der Untersuchungsarboit wegen gcsellschaftsschädlicher Handlungen Ougendlicher, daß die Mitarbeiter der Referate Transport im Besitz der Punkbetriebsberechtigung sind. Dadurch ist eine hohe Konspiration im Spreehfunkver- kehr gegeben. Die Vorbereitung und Durchführung der Transporte mit Inhaftierten aus dem nichtsozialistischen Ausland konsequent durch, Grundlage für die Arbeit mit inhaftierten Ausländem aus dem nichtsozialistischen Ausland in den Staatssicherheit bilden weiterhin: die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft. Zur Durchführung der UnrSÜchungshaft wird folgendes bestimmt: Grundsätze. Die Ordnung über den Vollzug der Untersuchungshaft regelt Ziel und Aufgaben des Vollzuges der Untersuchungshaft, die Aufgaben und Befugnisse der ermächtigt, die in diesem Gesetz geregelten Befugnisse wahrzunehmen. Die Notwendigkeit der Anwendung solcher Erfordernisse kann sich bei der Lösung politisch-operativer Aufgaben - im Zusammenhang mit der Sicherung von Transporten Verhafteter sind ursächlich für die hohen Erfordernisse, die an die Sicherung der Transporte Verhafteter gestell werden müssen.

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