Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 569

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 569 (NJ DDR 1965, S. 569); schaft blieb4 den Protest aller gerecht denkenden Menschen hervorrufen. In der für die bundesdeutsche Justiz auch in ihrem äußeren Umfang und Ausmaß beispiellosen Hauptverhandlung5 wurde noch einmal sichtbar, was das nazistische Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz bedeutet hatte: Es war die Stätte staatlich organisierten Massenmordens. Die fast vier Millionen Opfer aus nahezu allen europäischen Ländern waren Juden wie Nichtjuden, bürgerliche Demokraten wie Kommunisten. Der Auschwitz-Prozeß führte der Weltöffentlidikeit noch einmal vor Augen, in welchem Ausmaß die Menschheit unter dem Hitlerstaat zu leiden hatte. Es wurde zweifelsfrei bewiesen, daß sich die Angeklagten bewußt, willig und voll Eifer an dem in Auschwitz praktizierten Vernichtungswerk beteiligt hatten. Hierfür hätten in Anbetracht des furchtbaren Ausmaßes der Verbrechen die härtesten Strafen ausgesprochen werden müssen, die das Gesetz kennt. Nur dadurch hätte das Urteil glaubhaft machen können, daß es der bundesdeutschen Justiz ernst ist mit der von ihr so oft behaupteten Absicht, derartige Verbrechen gerecht zu sühnen. Die in Frankfurt einem Großteil dieser Mörder gegenüber praktizierte Milde kommt hingegen objektiv einer nachträglichen Verhöhnung der Opfer gleich und ist vor allem nicht dazu angetan, von einer Wiederholung derartiger Verbrechen abzuschrecken. Das Verschweigen der Zusammenhänge und Hintergründe der Verbrechen Mehr noch als die Strafaussprüche muß jedoch die Begründung des Urteils beunruhigen und empören. Zwar ist die schriftliche Urteilsbegründung erst in einigen Monaten zu erwarten; die ungewöhnlich ausführliche „mündliche Begründung“ (auch sie war vom Vorsitzenden schriftlich vorbereitet) ging jedoch besonders in den grundsätzlichen Fragen bis in Details. Sie gestattet bereits eine Einschätzung. Ein sofort auffallendes Charakteristikum der Urteilsbegründung ist, daß sie die wesentlichen Zusammenhänge und Hintergründe der Verbrechen weitgehend verschweigt. Bereits während der Beweisaufnahme spürte man eine dahingehende Absicht des Gerichts. Mehrere Anträge des Prozeß Vertreters der in der DDR wohnhaften Nebenkläger, Rechtsanwalts Prof. Dr. Kaul, in denen beispielsweise das enge Zusammenwirken der -Angeklagten mit der IG-Farbenindustrie, mit der nazistischen Ministerialbürokratie oder mit der Wehrmachtsführung unter Beweis gestellt wurde, lehnte das Gericht ab. Auch diesbezügliche Fragen an Zeugen und Sachverständige wurden häufig zurückgewiesen. Sie seien so erklärte das Gericht stets „für die Entscheidung ohne Bedeutung“. Dabei hatte Kaul wiederholt darauf hingewiesen, daß auch nach westdeutschem Recht alle Tatsachen beweiserheblich sind, die sich auf die Hintergründe und Zusammenhänge der von den Angeklagten begangenen Verbrechen beziehen. 4 Die Staatsanwaltschaft hatte für 16 Angeklagte lebenslange Zuchthausstrafen wegen Mordes in Täterschaft beantragt. Lediglich für Scherpe und Hantl beantragte sie wegen Beihilfe zum Mord eine zeitige Zuchthausstrafe von Je 12 Jahren. Im Fall Schobert beantragte die Staatsanwaltschaft, gemäß § 47 Abs. 2 des zur Nazizeit geltenden Militärstrafgesetzbuches „wegen geringer Schuld“ von Strafe abzusehen. Für Breit-wieser, der nur wegen Beteiligung an der ersten Gasmord-Aktion angeklagt war, lautete der Antrag auf Freispruch mangels Beweises. 5 Die Hauptverhandlung begann am 20. Dezember 1963. Sie richtete sich gegen ursprünglich 22, zum Schluß noch 20 Angeklagte. Insgesamt 21 Angehörige von Opfern aus 13 Staaten unter ihnen 4 aus der DDR - beteiligten sich als Nebenkläger an diesem Prozeß. In der Beweisaufnahme wurden 356 Zeugen aus 19 Staaten darunter 9 Tatzeugen aus der DDR und 8 Gutachter gehört. Die Aussagen weiterer 34 Zeugen sowie Hunderte von Schriftstücken wurden verlesen. In der Urteilsbegründung wurde offen ausgesprochen: „Das Schwurgericht war nicht berufen, die Vergangenheit zu bewältigen“; es ginge ihm allein um die Aufklärung und Aburteilung der von den Angeklagten persönlich begangenen strafbaren Handlungen. Auf sie allein habe man sich bewußt konzentriert. Nun konnte allerdings das Gericht Hintergründe und Zusammenhänge nicht völlig verleugnen. Es war in den zwanzig Monaten des Prozesses zu offensichtlich geworden, daß die Angeklagten in Auschwitz nur morden konnten, weil andere die Voraussetzungen dafür geschaffen hatten. Trotz der ständigen Bemühungen des Gerichts, die Beweisaufnahme unzulässig einzuengen,' war es insbesondere dem Vertreter der Nebenkläger aus der DDR gelungen, durch Dokumente, Sachverständige und Zeugen jenen Mechanismus aufzudecken, der die Todesmaschine von Auschwitz organisierte und ständig mit neuen Opfern versorgte. So erzwang Kaul die Zeugenvernehmung der ehemaligen IG-Farben-Chefs Krauch, Bütefisch, Dürrfeld,' Schneider und Murr. Zwar konnten sich diese Herren wie zu erwarten war an viele ihrer Untaten „nicht mehr erinnern“, aber die Tatsache der maßgeblichen Mitschuld des IG-Farben-Konzerns an den Verbrechen von Auschwitz konnte auch in der Bundesrepublik nicht mehr weggeleugnet werden. So erklärte ein Kommentator am 20. Februar 1965 im RIAS: „Das Dilemma liegt nun einmal in der historischen Wahrheit. Teile der Industrie, und hier besonders die IG-Farben, haben in einer Weise die nationalsozialistische Politik unterstützt und gefördert, daß ihre Namen für alle Zeiten damit verbunden sind. So ist es ganz natürlich, daß in diesen Prozeß, der in Auschwitz verübte Verbrechen abhandeln soll, diese Verflechtungen hineinspielen.“ In der Hauptverhandlung wurden auch die Namen von Globke und Heusinger genannt: ersterer als Mitverfasser und Kommentator jener Gesetze, auf die sich die SS bei ihren Mord- und Raubaktionen stützte, letzterer im Zusammenhang mit dem berüchtigten ,,Kommissarbefehl“, auf Grund dessen allein im KZ Auschwitz mehr als 13 000 sowjetische Kriegsgefangene ermordet worden waren. Im Ergebnis seines ständigen Drängens nach Erforschung der vollen Wahrheit konnte Kaul in seinem Schlußvortrag am 21. Mai 1965 ausschließlich auf den Inhalt der Beweisaufnahme gestützt zweifelsfrei nachweisen, daß die Verbrechen von Auschwitz von der deutschen Konzernindustrie in geplanter, arbeitsteiliger Tatgemeinschaft mit der nazistischen Ministerialbürokratie, der Wehrmachtsführung und den Spitzen der SS organisiert und durchgeführt worden waren. Von dieser im Prozeß festgestellten Wahrheit hörte man jedoch in der mündlichen Urteilsbegründung kein Wort. Vielmehr wurde ganz offensichtlich versucht,' von ihr abzulenken. So erklärte zwar der Vorsitzende, es sei richtig, „daß es nur die kleinen Leute sind, die hier vor Gericht stehen“. Zugleich aber wurde behauptet, daß „diejenigen, die das Gesamtgeschehen an den Schreibtischen geplant und befohlen haben, zum größten Teil nicht unter den Lebenden sind“. Der Vorsitzende nannte in diesem Zusammenhang die Namen Hitler, Himmler, Göring, Heydrich und die der KZ-Kommandanten. Kein Wort von den Vertretern der Konzerne, der Ministerialbürokratie, der Wehrmachtsund der SS-Führung, die heute noch leben, die z. T. sogar als Zeugen vor Gericht erscheinen mußten und die größtenteils heute wiederum in einflußreichen Positionen des bundesdeutschen Staats- und Wirtschafts- 5 69;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

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