Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 553

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 553 (NJ DDR 1965, S. 553); Auf dem Wege dorthin nahm er einen etwa zwei Fäuste großen Stein, den er seiner geschiedenen Frau an den Kopf werfen wollte, und einen sechs bis acht cm starken, etwa 80 cm langen Kiefernknüppel auf, mit dem er zuschlagen wollte. Er empfand unbändigen Haß gegen seine geschiedene Frau. An der Koppel angekommen, schlug er mit dem Knüppel an das Tor und rief: „Wo ist meine Olsch? Ich hack ihr die Glieder ab.“ Der Zeuge P. lief dem Angeklagten entgegen, um ihm den Zutritt zur Koppel zu verwehren. Er versuchte, den Angeklagten zu beruhigen und von Tätlichkeiten abzuhalten. Inzwischen versteckte sich die Zeugin F. hinter den Kühen. Der Angeklagte warf den Knüppel beiseite, lief am Zaun hin und her und setzte mehrmals zum Werfen mit dem Stein an. Erst als die Zeugin aus dem Melkstand lief, in dem sie sich bisher befand, warf der Angeklagte aus etwa 7 bis 8 Metern Entfernung den Stein nach ihr, traf sie aber nicht. Sie versuchte nun mit dem Fahrrad des Angeklagten wegzufahren. Der Angeklagte nahm den Knüppel wieder auf, holte sie ein und riß sie vom Fahrrad herunter. Dies geschah mit solcher Gewalt, daß ihr Pullover zerriß. Den Zeugen P. und Sch. gelang es zunächst noch, den Angeklagten zurückzudrängen und sich schützend vor die Zeugin F. zu stellen. Nochmals wurde der Angeklagte durch den Zeugen P. eindringlich gewarnt, daß er sich strafbar mache. Hierauf entgegnete der Angeklagte, es sei ihm egal, ob er ins Zuchthaus komme, und wiederholte die Drohungen gegen die Zeugin F. Da sich der Zeuge P. körperlich nicht imstande sah, den Angeklagten von den Tätlichkeiten abzuhalten, erklärte er dem Angeklagten, er werde die Volkspolizei holen, und entfernte sich. Mit voller Kraft schlug nun der Angeklagte mit dem Knüppel auf die Zeugin F. ein. Er traf sie vor allem am Kopf und am Rücken. Sie rief um Hilfe und bat den Angeklagten, mit den Mißhandlungen aufzuhören. Als sich die Zeugin Sch. schützend vor die Geschädigte stellte, wurde sie von einem Schlag mit dem Knüppel am Kopf getroffen und erlitt eine stark blutende, klaffende Wunde. Infolge der brutalen Schläge brach die Zeugin F. zusammen. Der Angeklagte hörte mit Schlagen auf, weil er befürchtete, daß die Volkspolizei eintrefEen könnte. Auf Grund dieses Sachverhalts verurteilte das Bezirksgericht den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung (§§ 212, 43, 51 Abs. 2, 230, 73 StGB) zu sechs Jahren Zuchthaus, ordnete seine Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt an (§ 42 b StGB) und verurteilte ihn zum Schadenersatz. Die dagegen eingelegte Berufung führte zur Aufhebung des Urteils. Aus den Gründen: (Es folgen zunächst Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung der Tat unter der Voraussetzung der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten. Dabei wird das Vor-liegen eines bedingt vorsätzlich begangenen versuchten Tötungsverbrechens und einer vorsätzlich begangenen Körperverletzung bejaht.) In diesem Verfahren ist die Beantwortung der Frage nach den subjektiven Voraussetzungen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten schwierig und deshalb die Auseinandersetzung mit dem psychiatrischen Gutachten in besonderem Maße bedeutsam. Das Bezirksgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß das Gutachten des Sachverständigen ebenso wie jedes andere Beweismittel der kritischen Würdigung unterliegt und das Gericht nicht an das Ergebnis des Gutachtens gebunden ist. Es befindet sich auch darin in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichts, wenn es sich im Urteil überhaupt mit der Auffassung des Gutachtens zum Geisteszustand des Angeklagten auseinandersetzt und seine vom Gutachten abweichende Meinung nicht etwa auf die „Überzeugung des Senats“, auf das Verhalten des Angeklagten vor Gericht oder auf die allgemeine- Lebenserfahrung schlechthin stützt, wie es in der Rechtsprechung der Instanzgerichte mitunter noch geschieht, sondern das gesamte Ergebnis der in der Beweisaufnahme vorgenommenen Sachaufklärung der kritischen Einschätzung des Gutachtens zugrunde legt. So hat es mit Recht darauf hingewiesen, daß bei der Beurteilung durch den Sachverständigen, der Angeklagte habe sich vom Zeitpunkt des Schlagens mit dem Knüppel im Zustand der von § 51 Abs. 1 StGB umfaßten und durch seine pathologische Affektivität bedingten Bewußtseinsstörung befunden, nicht alle Tatsachen genügend verarbeitet wurden. So hat der Angeklagte nicht nur sein Handeln planmäßig und zielgerichtet vorbereitet und durchgeführt, sondern auch die für ihn unerwartet eingetretenen Umstände, wie das Verhalten des Zeugen P., der ihn von der Tat abhalten wollte, in sein Bewußtsein aufgenommen und nach dieser Erkenntnis gehandelt. Trotz seines starken Erregungszustandes war für ihn die Mitteilung des P., er werde die Volkspolizei holen, der Anlaß, mit dem Schlagen aufzuhören, der Geschädigten noch Drohungen zuzurufen und sich zu verstecken. Das Bezirksgericht hat folglich richtig erkannt, daß die Äußerungen des Gutachters zum Teil mißverständlich sind und noch nicht ausreichen, dem Gericht überzeugend die speziellen Kenntnisse zu vermitteln, auf Grund derer ihm eine sichere Urteilsbildung über die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten in bezug auf die Tat möglich ist. Das hätte das Bezirksgericht jedoch zu einer gründlicheren Vorbereitung und Durchführung der Hauptverhandlung veranlassen müssen. Es hätte bereits im Eröffnungsverfahren aus dem schriftlich vorliegenden Gutachten ersehen müssen, daß einige Fragen einer eingehenderen Beantwortung bedurft hätten. Um dem Sachverständigen Gelegenheit zur nochmaligen Überprüfung seiner im Gutachten dargelegten Auffassung zu geben, hätte es ihm konkret die offenen Fragen mit der Aufforderung mitteilen müssen, sie in der Hauptverhandlung zu beantworten. Ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung hat es das Bezirksgericht unterlassen, das schriftliche Gutachten zu verlesen. Aus der protokollierten Stellungnahme des Sachverständigen in der Hauptverhandlung kann eine Beurteilung des geistigen Zustandes des Angeklagten zur Tatzeit nicht erfolgen. Hier zeigt sich, daß das Bezirksgericht die Anwesenheit des Sachverständigen nicht genutzt hat, um sich über die vielfältigen Fragen der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten ausreichende Kenntnisse zu verschaffen und somit die Grundlage für eine Auseinandersetzung mit dem Gutachten im Urteil zu erarbeiten. Es ist unzulässig, im Urteil eine vom Gutachten abweichende Auffassung auf unvollständige oder mißverständliche Äußerungen des Sachverständigen zu stützen, ohne in der Hauptverhandlung alle Möglichkeiten zur Ergänzung und Vervollständigung des Gutachtens und somit zur umfassenden Klärung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten genutzt zu haben. Das wird das Bezirksgericht nachzuholen haben. Es kommt dabei insbesondere auf folgende Komplexe an: Das Gutachten ist insofern mißverständlich, als es zum psychischen Befund aussagt, der Angeklagte sei bei emotionaler Dauerbelastung weder zu rationaler Distanz noch zu einer die Konsequenzen berücksichtigenden Steuerung in der Lage, in der Zusammenfassung auch davon ausgeht, daß die Tat auf einer solchen emotionalen Dauerbelastung beruht, und dennoch abschließend erklärt, daß er nur bedingt in der Lage gewesen wäre, seine Affekte zu beherrschen. Das erstere schließt seine Zurechnungsfähigkeit aus, das letztere läßt sie wenn auch bedingt zu. Daß das Gutachten andererseits die Herabminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten für nicht so erheblich ansieht, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 StGB zu 553;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 553 (NJ DDR 1965, S. 553) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 553 (NJ DDR 1965, S. 553)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Die Anforderungen an die Beweiswürdigung bim Abschluß des Ermittlungsverfahrens Erfordernisse und Möglichkeiten der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und die Beantragung eines Haftbefehls gegeben sind. In diesem Abschnitt sollen deshalb einige grundsätzliche Fragen der eiteren Qualifizierung der Beweisführung in Operativen Vorgängen behandelt werden, die aus der Sicht der Linie Untersuchung für die weitere Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfahren von besonderer Bedeutung sind und die deshalb auch im Mittelpunkt deZusammenarbeit zwischen Diensteinheiten der Linie Untersuchung im Staatssicherheit . Ihre Spezifik wird dadurch bestimmt, daß sie offizielle staatliche Tätigkeit zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten ist. Die Diensteinheiten der Linie sind auf der Grundlage des in Verbindung mit Gesetz ermächtigt, Sachen einzuziehen, die in Bezug auf ihre Beschaffenheit und Zweckbestimmung eine dauernde erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, der auf der Grundlage von begegnet werden kann. Zum gewaltsamen öffnen der Wohnung können die Mittel gemäß Gesetz eingesetzt werden. Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Zielstellung sind solche Fragen zu beantworten wie:. Welches Ziel wird mit der jeweiligen Vernehmung verfolgt?. Wie ordnet sich die Vernehmung in die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Vorgangsführungtedlen: von operativen Mitarbeitern mit geringen Erfahrungen geführt werden: geeignet sind. Methoden der operativen Arbeit zu studieren und neue Erkenntnisse für die generellefQüalifizierung der Arbeit mit zu verzeichnen sind. Sie zeigen sich vor allem darin, daß durch eine qualifizierte Arbeit mit bei der ständigen operativen Durchdringung des Verantwortungsbereiches, insbesondere bei der Sicherung der Transporte Inhaftierter im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit . baut auf den darin vermittelten Kenntnissen auf und führt diese unter speziellem Gesichtspunkt weiter.

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