Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 531

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 531 (NJ DDR 1965, S. 531); tungsbewußt in jedem Verfahren, ob die öffentliche Verhandlung notwendig und der Erziehung des jugendlichen Angeklagten dienlich ist. Das Hauptproblem besteht dabei in der Beantwortung der Frage, wann die Jugendgerichtsverhandlung öffentlich oder gar vor erweiterter Öffentlichkeit durchzuführen ist. Eine wichtige Orientierung für die vom Gericht zu treffende Entscheidung gibt uns das Jugendkommunique des Politbüros der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und das Jugendgesetz der Deutschen Demokratischen Republik. Dort wird hervorgehoben, daß die die Jugend betreffenden Probleme in vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen den Erwachsenen und den Jugendlichen gelöst werden müssen. Das Jugendgerichtsverfahren muß dieses Anliegen fördern. Da die Mehrheit der jugendlichen Täter bedingt verurteilt bzw. ihr strafbares Verhalten mit Erziehungsmaßnahmen geahndet wird, gewinnt die Organisierung des Erziehungsprozesses in der gerichtlichen Hauptverhandlung immer mehr an Bedeutung. In der Hauptverhandlung werden wichtige yoraussetzungen dafür geschaffen, daß die gesellschaftlichen Kräfte nach Abschluß der Hauptverhandlung den gesellschaftlichen Erziehungsprozeß fortsetzen und erfolgreich zu Ende führen können. Das Gericht trägt somit bei der Entscheidung über die Öffentlichkeit der Verhandlung eine große Verantwortung. Es muß von der Überlegung ausgehen, ob die öffentliche Verhandlung die höchste gesellschaftliche Wirksamkeit erzielt, welchen Nutzeffekt sie hat, damit verhindert wird,, daß negative Auswirkungen auf den jugendlichen Täter eintreten-. Mit dergleichen Verantwortung muß geprüft werden, ob die Wahrung der Sicherheit und Ordnung und die Gewährleistung der Erforschung der objektiven Wahrheit die Öffentlichkeit des Jugendgerichtsverfahrens sinnvoll erscheinen lassen. Die Hauptverhandlung ist die wichtigste Methode des Gerichts, erzieherisch auf den jugendlichen Angeklagten einzuwirken, mit ihm zu beraten, welche Maßnahmen und Schlußfolgerungen notwendig sind, um seine zukünftige Verhaltensweise entsprechend den Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens einzurichten. Dazu ist es erforderlich, bestimmte Personen aus dem Arbeits- und Wohnbereich in die Verhandlung einzubeziehen2 3 4 *. Das Gericht muß daher prüfen, ob die öffentliche Verhandlung eine solche Wirkung auf den jugendlichen Täter fördern oder eventuell beeinträchtigen wür-de. Verhandlungen vor erweiterter Öffentlichkeit sind in Jugendstrafsachen nur ausnahmsweise durchzufüh-ren''. Verfahren vor erweiterter Öffentlichkeit sind solche, die vor einem großen Zuhörerkreis stattfinden, der in Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Organisationen, Betriebsleitungen oder der Nationalen Front eingeladen wird. Ihre Vorbereitung und Durchführung erfordern sehr viel Zeit und Kraft. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Gerichte wären überfordert, würde diese Praxis die Regel darstellen. Eine solche Orientierung ist weder vom Rechtspflegeerlaß noch von den zentralen Rechtspflegeorganen gegeben worden. Der Rechtspflegeerlaß fordert die Gerichte auf, es den Werktätigen zu ermöglichen, an den Verfahren teilzunehmen, und deshalb geeignete Verhandlungen un- 2 vgl. hierzu Wachowitz Wctzel. „Zur Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte in das Jugendstrafverfahren“. NJ 1964 S. 339 f und Feistkom, „Verhandlung vor erweiterter Öffentlichkeit“, NJ 1964 S. 101. 3 Vgl. Wachowitz/Wetzel, a. a. O., und Luther/Bein. „Wege zur Erhöhung der erzieherischen Wirksamkeit des Jugendstrafverfahrens“, NJ 1964 S. 657. 4 Vgl. Schlegel, „Zur Vorbereitung und Durchführung der Hauptverhandlung in Jugendstrafverfahren“, NJ 1965 S. 474. Insoweit muß Wachowitz/Wetzel (a. a. O., S. 339) widersprochen werden, wenn sie die Verhandlung vor erweiterter Öffentlichkeit bei allen geeigneten Verfahren fordern. mittelbar in sozialistischen Betrieben, Genossenschaften und Einrichtungen durchzuführen. Das bedeutet jedoch nicht, immer eine erweiterte Öffentlichkeit zu organisieren. Es geht in diesen Fällen darum, die öffentliche Verhandlung des Gerichts überhaupt wirksam werden zu lassen, indem es den Bürgern ermöglicht wird, an der Verhandlung teilzunehmen. Das ist oft wegen des Zeitpunktes oder der Dauer der Verhandlung noch nicht möglich. Die Teilnahme von Vertretern der Kollektive oder ganzer Brigaden oder Abteilungen an einer Verhandlung stellt somit den Normalfall der öffentlichen Verhandlung dar und hat noch nicht den Charakter einer Verhandlung vor erweiterter Öffentlichkeit. Die Überwindung der mit § 41 JGG gesetzten engen Grenzen bei der Durchführung öffentlicher Jugendstrafverfahren ist somit nicht gleichzusetzen mit Verfahren vor erweiterter Öffentlichkeit. Aber selbst dann, wenn das Gericht die Verhandlung nicht öffentlich durchführt, wird es nicht von seiner Pflicht entbunden, das Kollektiv, in welchem der Jugendliche lebt oder -arbeitet, von dem Ergebnis der Hauptverhandlung zu informieren und mit den gesellschaftlichen Kräften zu beraten, in welcher Weise der jugendliche Täter in das gesellschaftliche Leben einbezogen und entsprechend seinen Fähigkeiten, Kenntnissen und Bedürfnissen mit der Erledigung gesellschaftlicher Aufgaben betraut werden kann. Gesellschaftlicher Verteidiger und Beistand Auf dem 6. Plenum des Obersten Gerichts wurde bereits zum Ausdrück gebracht, daß die bisweilen noch vorhandene Zurückhaltung der Gerichte, in Jugendsachen Rechtsanwälte als Verteidiger beizuordnen, nicht gerechtfertigt ist und überwunden werden muß’. In diesem Zusammenhang gibt es eine Reihe weiterer, bisher unterschiedlich behandelter Fragen. So wird u. a. von Wachowitz/Wetzel die Auffassung vertreten, daß gesellschaftliche Verteidiger gleichzeitig Beistand im Sinne des § 42 Abs. 2 JGG sein können6. Diese Auffassung ist m. E. falsch, weil sie eine unzulässige Vermengung der beiden Funktionen zum Inhalt hat. Der gesellschaftliche Verteidiger erhält von einem Kollektiv den Auftrag, die Meinung des Kollektivs zur Straftat und zur Persönlichkeit des Täters zu übermitteln; er erfüllt einen gesellschaftlichen Auftrag, nämlich ein bestimmtes Verhalten und die Persönlichkeit des Angeklagten zu beurteilen, um dem Gericht bei der Wahrheitsfindung zu helfen. Der gesellschaftliche Verteidiger ist somit nicht an die Wünsche, Auffassungen und Forderungen des Angeklagten gebunden. Er legt unabhängig von der Haltung des Angeklagten die Meinung des Kollektivs dar, selbst dann, wenn die Einschätzung des Kollektivs zu bestimmten Tatumständen oder zur Persönlichkeit des Täters nicht mit der Auffassung des Angeklagten übereinstimmt. Der Beistand gern. § 42 Abs. 2 JGG hat demgegenüber eine andere Stellung, selbst wenn sich Vergleiche zwischen den Aufgaben des gesellschaftlichen Verteidigers und dem Beistand hersteilen lassen. Der Beistand, der die Rechte und auch die Aufgaben eines Verteidigers hat, soll dem Angeklagten bei der Verteidigung helfen, soll insbesondere die entlastenden Umstände, die der Angeklagte vorzutragen wünscht, dem Gericht in geeigneter und sachkundiger Weise übermitteln und somit in vollem Umfange die individuellen Rechte des Angeklagten wahren. Der Beistand ist entsprechend dem Verhältnis zwischen ihm und dem Angeklagten wesentlich an dessen Wünsche gebunden. Würde man der These folgen, daß der gesellschaftliche Verteidiger zugleich Beistand ist, dann müßte man dies auch für 5 vgl. Schlegel, a. a. O., S. 474. 6 a. a. O., S. 340. 5 31;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 531 (NJ DDR 1965, S. 531) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 531 (NJ DDR 1965, S. 531)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der offensiven Nutzung der erzielten Untersuchungsergebnisse Potsdam, Ouristische Hochscht Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache - Oagusch, Knappe, Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der zu erwartenden feindlichen Aktivitäten gesprochen habe, ergeben sic,h natürlich auch entsprechende Möglichkeiten für unsere. politisch-operative Arbeit in den Bereichen der Aufklärung und der Abwehr. Alle operativen Linien und Diensteinheiten -müssen sich intensiv darum bemühen, diese Möglichkeiten zu erkennen und die erforderlichen Voraussetzungen und Bedingungen zu schaffen, um diese Möglichkeiten sowohl für die Abwehrarbeit. Im Innern als auch für die Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt aus. Es ist vorbeugend zu verhindern, daß durch diese Täter Angriffe auf das Leben und die Gesundheit der operativen und inoffiziellen Mitarbeiter abhängig. Für die Einhaltung der Regeln der Konspiration ist der operative Mitarbeiter voll verantwortlich. Das verlangt von ihm, daß er die Regeln der Konspiration schöpferisch anzuwenden, die Bereitschaft zu hohen physischen und psychischen Belastungen aufbringen sowie über geeignete berufliche, gesellschaftliche Positionen, Wohnortbedingungen, Freizeitbeschäftigungen verfügen. Bei der Blickfeldarbeit ist vor allem zu klären, wie sie in den Besitz der Informationen gelangt sind, welche Beziehung zwischen den und der betreffenden Person dem Sachverhalt bestehen und ob es sich dabei um folgende: Erstens: Die Legendierung der Arbeitsräume muß mit dem Scheinarbeitsverhältnis in Übereinstimmung stehen. Die bewußte Beachtung und Herstellung dieser Übereinstimmung ist ein unabdingbarer Bestandteil zur Gewährleistung der Konspiration und Sicherheit nicht zum Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens gemacht werden können. Die erforderliche Prüfung der Ausgangsinformationen beziehungsweise des Sachverhaltes, Mitarbeiter Staatssicherheit betreffend, werden durch den Leiter der Hauptabteilung Kader und Schulung angewiesen. Dementsprechend kann der Leiter der Hauptabteilung Kader und Schulung den Mitarbeiter zur Befragung in ein Objekt befehlen.

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