Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 447

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 447 (NJ DDR 1965, S. 447); Das Oberste Gericht kritisiert dagegen in den Gründen seines Urteils ausdrücklich, „daß das Bezirksgericht die Ausnutzung der Mißstände und der mangelnden Kontrolle dem Angeklagten als straferschwerend angerechnet hat, anstatt diese die Straftaten begünstigenden Umstände in der richtigen Weise für das Strafmaß zu berücksichtigen“. Meines Erachtens ist diese Entscheidung geeignet, Mißverständnisse hervorzurufen. So wird unter Berufung auf sie teilweise die Auffassung vertreten, daß begünstigende Bedingungen in der Regel strafmildernd berücksichtigt werden müßten, weil der Täter dabei immer nur eine geringere Intensität aufzuwenden brauche. Das Bezirksgericht Suhl hat z. B. die Grundsätze der Entscheidung, die dabei fast wörtlich übernommen wurden, auf folgenden Fall angewandt: Der 21jährige Angeklagte S. war beim Hauptpostamt J. tätig. Ihm oblag die Übernahme der Landpostsendungen von den Kraftfahrern und ihr Transport zum Abfertigungshauptdienst, in dessen Beisein er die Entkar-tung der Sendungen vorzunehmen hatte. Aus seiner früheren Tätigkeit bei einem anderen Hauptpostamt wußte S., daß dort Postangestellte unter Ausnutzung von Mängeln bei der Abfertigung 50 000 MDN entwendet hatten. Er spielte deshalb mit dem Gedanken, selbst einen ähnlichen Diebstahl zu begehen. Dabei faßte er die Möglichkeit ins Auge, einen Wertbriefbeutel von N. oder von A. zu entwenden, da er bemerkt hatte, daß diese beiden Postämter ihre Wertbriefbeutel vorschriftswidrig nicht verplombten, sondern nur mit einem Papiersiegel versahen. Er wußte, daß von N. täglich Geldsendungen im Werte von 5000 bis 10 000 MDN und darüber eingingen. Am 8. Oktober 1964 erschienen ihm die Umstände zur Tatausführung günstig. An diesem Tage fiel kurz vor dem Eintreffen der Landkraftpostwagen nach 18 Uhr der .Strom aus, und es waren nur wenige Mitarbeiter anwesend. Der entscheidende Moment war schließlich, als der Angeklagte bemerkte, daß ihm die Ladeliste des Postamtes N. nicht übergeben worden war. Er reklamierte diesen Umstand nicht bei den Kraftfahrern, denn er sah nun eine Möglichkeit, den Wertbriefbeutel zu entwenden, da ohne Ladeliste zunächst keine Kontrolle über Umfang und Inhalt möglich war. Da die Räume des Postamtes nur notdürftig mit Kerzen beleuchtet waren, konnte der Angeklagte unbemerkt die Verschnürung des Wertbriefbeutels aus N. öffnen und ihm den Geldbeutel entnehmen. Als das Fehlen der Ladeliste beim Abfertigungshauptdienst bemerkt wurde, sollte der Angeklagte den Kraftfahrer danach befragen. Der Angeklagte teilte daraufhin mit, daß der Kraftfahrer die Liste nicht gefunden habe, und forderte den Zeugen B. auf, eine Befundliste auszustellen, auf der er als Zeuge quittieren wollte. Damit wollte er sich einen Beleg schaffen, der nachweisen sollte, daß in dem Wertbriefbeutel kein Geldbeutel gewesen sei. Zugleich sollte der Verdacht auf den Kraftfahrer gelenkt werden. Um B. über die Unversehrtheit der Verschnürung des Wertbriefbeutels zu täuschen, tat der Angeklagte so, als schneide er die Verschnürung auf. Danach schüttete er den Inhalt des Beutels aus. Auf Grund dieses Sachverhalts veruri eilte das Kreisgericht den Angeklagten wegen Verbrechens gemäß §§ 29, 30 StEG zu drei Jahren Zuchthaus. Das Bezirksgericht setzte die Strafe auf zwei Jahre Gefängnis herab und lehnte darüber hinaus auch den schweren Fall gemäß § 30 StEG ab. In der Urteilsbegründung heißt es wörtlich: „Es trifft zu, daß es dem Angeklagten gelungen ist, dem gesellschaftlichen Eigentum einen Betrag in Höhe von 11 000 MDN zu entziehen, also einen durchaus hohen Geldbetrag. Andererseits darf aber nicht unbe- rücksichtigt bleiben, daß der Angeklagte, der die Tat bei der Durchführung seiner Dienstobliegenheiten beging, solche Mängel im Arbeitsablauf bedingt durch die Verletzung der Dienstvorschriften durch einige Mitarbeiter vorfand, die die Ausführung einer derartigen Straftat wesentlich erleichterten und schon dadurch seinen Tatentschluß förderten.“ Nach eingehender Schilderung der verschiedenen begünstigenden Bedingungen führt der Senat dann aus: „Der Angeklagte mußte also bei der Ausführung der Straftat eine geringere Intensität aufwenden, was für seinen Tatentschluß von wesentlicher Bedeutung war. . Die begünstigenden Bedingungen haben auf die Bewußtseinsbildung des Angeklagten nachteilig eingewirkt, die Entwicklung seines Verantwortungsgefühls und damit eines sozialistischen Bewußtseins gehemmt. Bei der Einschätzung der Schwere der Tat dürfen diese Umstände, die das strafbare Verhalten wesentlich erleichterten, aber nicht etwa deshalb zugunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, weil dieser die Mißstände für seine Straftat ausnutzte.“ Meines Erachtens führt diese Begründung zu unhaltbaren Ergebnissen. Sie läuft darauf hinaus, daß der Täter bei Vorliegen von begünstigenden Bedingungen für seine Straftat nur in beschränktem Maße selbst verantwortlich ist und als eine Art „Opfer der Umstände“ betrachtet wird. Es darf doch nicht übersehen Werden, daß jeder Bürger eine bestimmte Verantwortung gegenüber der Gesellschaft hat, nach der er zu handeln hat. Deshalb ist Hinderer/Lehmann zuzustimmen, daß bei einem erwachsenen Täter mit Rücksicht auf seine Lebenserfahrung und seine Selbständigkeit innerhalb der Gesellschaft grundsätzlich gefordert werden muß, „daß er kriminalitätsbegünstigenden Umständen nicht einfach nachgibt, sondern sich im Gegenteil mit ihnen aktiv auseinandersetzt, um ihre Wirksamkeit auszuschließen“3. Andererseits ist es sehr zweifelhaft, ob der Täter beim Vorliegen von Umständen, die die Durchführung der strafbaren Handlung erleichtern, immer eine geringere Intensität aufzuwenden braucht. Unter Intensität versteht man den Energie- und Kraftaufwand des Täters bei der Begehung seiner Straftat. Es wäre sehr einseitig und wirklichkeitsfremd, wenn man beim Vorliegen von begünstigenden Bedingungen immer davon ausgehen würde, daß der Täter deshalb eine geringere Intensität aufgewandt habe, ohne Rücksicht darauf, ob er die begünstigenden Bedingungen ausnutzte oder nicht. Der gesamte Prozeß von der Motivbildung über die Entschlußfassung bis zur Tatausführung läuft bekanntlich im Kopf des Täters ab. Ein Täter, der das Vorliegen bestimmter begünstigender Bedingungen genau kannte und sie bewußt in seine gedankliche Vorbereitung der Straftat einkalkuiierte, um der Tatausführung ein Höchstmaß an Erfolgsaussicht zu verleihen, und sie dann auch planmäßig ausnutzt, kanh dafür nicht noch belohnt werden. Die gedankliche Vorbereitung der Durchführung der Straftat unter Einkalkulierung der vorhandenen begünstigenden Bedingungen, die planmäßig ausgenutzt werden, um die Tat möglichst sicher und unentdeckt begehen zu können, kann nicht als geringere Intensität gewertet werden. Die genaue Erkundung der begünstigenden Bedingungen, ihre Einkalkulierung bei der Vorbereitung und Durchführung der Tat erfordern m. E im Gegenteil sogar einen höheren geistigen Energieaufwand. Das entscheidende Kriterium für die Beantwortung der Frage, ob begünstigende Bedingungen strafmildernd oder straferschwerend wirken, muß darin gesucht wer- 3 Hinderer / Lehmann. „Zum Nachweis der Schuld als Grundlage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit“, NJ 19G3 S 789. 447;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 447 (NJ DDR 1965, S. 447) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 447 (NJ DDR 1965, S. 447)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Die Organisierung und Durchführung von Maßnahmen der operativen Diensteinheiten zur gesellschaftlichen Einwirkung auf Personen, die wegen Verdacht der mündlichen staatsfeindlichen Hetze in operativen Vorgängen bearbeitet werden Potsdam, Duristische Hochschule, Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache Die objektive und umfassende Eewsis-würdigung als Bestandteil und wichtige Methode der Qualifizierung der Beweisführung als Voraussetzung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit bearbeiteten Ermittlungsverfahren beinhalten zum Teil Straftaten, die Teil eines Systems konspirativ organisierter und vom Gegner inspirierter konterrevolutionärer, feindlicher Aktivitäten gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der sowie ihre Bürger negative Folgen hervorrufen. Zu den wichtigsten Erscheinungsformen des Mißbrauchs gehören Spionageangriffe gegen alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, die Verbreitung subversiver Propaganda, die Inspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit und die Schaffung einer antisozialistischen inneren Opposition in der Vertrauliche Verschlußsache - Grimmer, Liebewirth, Meyer, Möglichkeiten und Voraussetzungen der konsequenten und differenzierten Anwendung und Durchsetzung des sozialistischen Strafrechts sowie spezifische Aufgaben der Linie Untersuchung im Prozeß der Vorbeugung und Bekämpfung von Versuchen des Gegners zur Insoirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit spielten die in der akkreditierten Korrespondenten westlicher Massenmedien; mit konkreten Aktivitäten traten dabei insbesondere sowie der in die eingereiste Journalist des Hessischen Rundfunks, Erscheinung, Von den in Bearbeitung genommenen Personen zeigt sich die Wirksamkeit der vom Gegner betriebenen politisch-ideologischen Diversion und Kontaktpolitik Kontakttätigkeit in der Herausbildung ihrer feindlich-negativen Einstellungen zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung und ihrer weltanschaulichen Grund- läge, dem Marxismus-Leninismuse Feindliche Einstellungen bringen die innere Bereitschaft zu einem Handeln zum Ausdruck, das offen oder verdeckt dem Ziel dient, die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung hat. Strafrechtswidrig wird die Handlung jedoch dann, wenn die Eingabe in der Öffentlichkeit verbreitet wird, um andere zum Beispiel zur Unterschriftsleistung zu veranlassen.

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