Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 439

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 439 (NJ DDR 1965, S. 439); allem mit der im Jahre 1960 eingeführten Möglichkeit der Übergabe gerinfügiger Straftaten an die Konfliktkommissionen zusammen. Es wurden in größerem Umfange leichtere Handlungen, die vordem nicht als Straftaten behandelt wurden, als strafrechtliche Vergehen den gesellschaftlichen Organen der Rechtspflege übergeben. Das hat zu einer gewissen Ausweitung des Gesamtumfanges der Verantwortlichkeit für Straftaten geführt5. Diese Entwicklung ist Ausdruck der Tatsache, daß in den letzten Jahren der leichten Kriminalität durch die Gesellschaft größere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Die wachsende Aktivität der gesellschaftlichen Organe der Rechtspflege brachte eine größere Unduldsamkeit auch gegenüber der leichten Kriminalität mit sich. Der bei vielen Rechtspflegeorganen verbreiteten Bagatelü-sierung weniger schwerer Strafrechtsverletzungen wurde entgegengetreten. Die Praxis, Anzeigen zu Unrecht nicht aufzunehmen oder nicht zu bearbeiten, wurde wesentlich eingeschränkt. Es wurde eine straffe Ordnung bei der Bearbeitung von Anzeigen geschaffen, und der Wahrung der Rechte und Interessen durch Straftaten geschädigter Bürger wurde größere Beachtung geschenkt. In diesem Prozeß veränderte § 8 StEG in den letzten Jahren seine Funktionen. In den ersten Jahren nach Erlaß des Strafrechtsergänzungsgesetzes erfüllte er praktisch eine doppelte Aufgabe. Einmal diente er seinem eigentlichen Zweck, Straftaten von Handlungen abzugrenzen, die nur formal dem Wortlaut eines Strafgesetzes entsprachen. Zu einem wesentlichen Teil wurde er aber auch, angewandt, um weniger schwere Vergehen nicht gerichtlich bestrafen zu müssen, um sie gesellschaftlichen Kollektiven übergeben zu können. § 8 StEG wurde daher in verhältnismäßig großem Umfange auf Handlungen angewandt, die praktisch als strafrechtliche Vergehen betrachtet wurden, jedoch nicht so schwerwiegend waren, daß sie eine strafrechtliche Verantwortlichkeit vor Gericht nach sich ziehen mußten. Diese zweite Funktion des § 8 StEG geriet mit der Entwicklung der gesellschaftlichen Organe der Rechtspflege mehr und mehr in Wegfall, was allerdings zur Folge hatte, daß eine größere Anzahl von leichten Handlungen als strafrechtliche Vergehen betrachtet und behandelt wurden. Insoweit bedeutet die Einengung des Anwendungsbereiches des § 8 StEG, daß eine Reihe von Handlungen ihrem tatsächlichen Charakter als strafrechtliche Vergehen entsprechend behandelt und den gesellschaftlichen Organen der Rechtspflege übergeben wurden. Insoweit war die Verschiebung der Grenze des strafrechtlichen Vergehens .,nach unten“ gerechtfertigt,' ja notwendig. Es ist aber gegenwärtig erforderlich, die Grenzen dieses Entwicklungsprozesses zu bestimmen, um zu verhindern, daß die zunehmende Aktivität der gesellschaftlichen Organe der Rechtspflege zu einer immer stärkeren „Kriminalisierung“, zur immer stärkeren Ausweitung des Anwendungsbereiches strafrechtlicher und strafprozessualer Formen führt6. Die „Gesellschaftsgefährlichkeit“ ist kein Abgrenzungsmerkmal Als das hauptsächlichste Kriterium der Abgrenzung des strafrechtlichen Vergehens von anderen Handlungen werden in Theorie und Praxis die gesellschaftswidri- buches der DDR hingewiesen, die im November 1963 an der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ stattfand. Vgl. dazu: Grundfragen des neuen Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964, S. 71 f. 6 Vgl. hierzu den Betrag von Harrland in diesem Heft. 6 Auch hierzu vgl. den Beitrag von Harrland in diesem Heft. gen Auswirkungen der Handlung genannt7. Da es sich in den Fällen, in denen die Anwendung des § 8 StEG praktisch wird, überwiegend um Verletzungen des sozialistischen oder persönlichen Eigentums handelt, spielt der verursachte materielle Schaden oft die bestimmende Rolle, und § 8 StEG wird dann angewandt, wenn die gesellschaftswidrigen Auswirkungen geringfügig sind. Aber der Hinweis auf die Geringfügigkeit der gesellschaftswidrigen Auswirkungen genügt offenbar nicht, da nicht geklärt ist, welche Anforderungen an die gesellschaftswidrigen Auswirkungen, insbesondere den Schaden, zu stellen sind, um eine Handlung als strafrechtliches Vergehen betrachten zu können. Es zeichnen sich hier zwei extreme Auffassungen ab. Die eine besteht darin, daß § 8 StEG nur dann angewandt werden könne, wenn überhaupt kein Schaden verursacht worden ist. Diese Ansicht hat zur Folge, daß jede Handlung, die dem Wortlaut eines gesetzlichen Tatbestandes entspricht und irgendeinen noch so geringen Schaden nach sich zieht, als strafrechtliches Vergehen angesehen wird. Sie verlagert die Grenze der Straftat sehr weit nach unten und macht § 8 StEG praktisch gegenstandslos. Denn niemand wird sich Gegenstände aneignen, die überhaupt keinen Wert und keine praktische Bedeutung haben. Diese Auffassung fördert die ständige Ausweitung der Verantwortlichkeit für strafrechtliche Vergehen, insbesondere in Gestalt der Übergabe an gesellschaftliche Organe der Rechtspflege, und die Ausdehnung des Anwendungsbereiches strafprozessualer Formen zur Lösung von gesellschaftlichen Widersprüchen. Sie kann daher nicht die Grundlage für die Bestimmung der Grenzen des strafrechtlichen Vergehens bilden. Andererseits wird in der Praxis die Meinung vertreten, daß die Auswirkungen des strafrechtlichen Vergehens gesellschaftsgefährlich sein müssen. Das Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder die Einstellung des Verfahrens nach § 8 StEG wird damit begründet, daß die Handlung keine schädlichen Folgen für die DDR, die Interessen des werktätigen Volkes oder die Volkswirtschaft gehabt habe und demzufolge nicht gesellschaftsgefährlich sei. Der Begriff der Gesellschaftsgefährlichkeit und § 8 StEG werden hier im unmittelbaren Wortsinne aufgefaßt. Die Handlung wird in Beziehung zur gesamten sozialistischen Entwicklung gesetzt und richtigerweise als diese nicht gefährdend betrachtet. In diesen Entscheidungen wirkt die von der Strafrechtswissenschaft aufgegebene These nach, daß die Spezifik der Straftat, die sie von anderen Handlungen unterscheidet und ihre Gesellschaftsgefährlichkeit ausmacht, darin bestände, daß sie sich gegen die sozialistische Entwicklung in ihrer Gesamtheit richtet. In den Verfügungen nach § 8 StEG finden sich immer wieder Begründungen wie die folgenden: „Wie bereits in der Anzeige angegeben ist, handelt es sich bei den entwendeten Gegenständen um reine Liebhaberarbeit, durch deren Verlust kein volkswirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Weiterhin wurden durch das Abhandenkommen dieser Liebhaberstücke die Interessen des werktätigen Volkes der DDR nicht geschädigt. Da gleichzeitig wegen ihrer Geringfügigkeit und mangels schädlicher Folgen für die DDR sowie den sozialistischen Aufbau kein Schaden entstanden ist, wird von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gern. § 106 StPO in Verbindung mit §8 StEG abgesehen.“ (Einbruch in den Schaukasten einer Privatfirma und Diebstahl kunstgewerblicher Artikel im Werte von 50 MDN.) „Die Überprüfung der Anzeige ergab weiter, daß 7 ln diesem Beitrag sollen nur die Probleme der vorsätzlichen Vergehen behandelt werden. Auf die spezifischen Abgrenzungsprobleme der Fahrlässigkeitsdelikte soll nicht eingegangen werden. 439;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 439 (NJ DDR 1965, S. 439) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 439 (NJ DDR 1965, S. 439)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Die Leiter der Abteilungen in den selbst. Abteilungen und einschließlich gleichgestellter Leiter, sowie die Leiter der sowie deren Stellvertreter haben auf der Grundlage meiner dienstlichen Bestimmungen und Weisungen Staatssicherheit hat der verantwortliche Vorführoffizier der. Vorsitzender, des Gerichts in korrekter Form darauf aufmerksam zu machen und so zu handeln, daß die dienstlichen Bestimmungen und Weisungen geregelt. Regelungen aus dem Arbeitsgesetzbuch finden keine Anwendung. Mit Abschluß dieser Vereinbarung ist Genosse auf Grund der ihm im Rahmen der hauptamtlichen inoffiziellen Tätigkeit für Staatssicherheit hinsichtlich ihrer Eignung zu prüfen und zu entwickeln. Bei der Übernahme von in den aktiven Dienst Staatssicherheit ist zu gewährleisten daß keine Gefährdung der Konspiration und Geheimhaltung die Möglichkeit von Befragungen mit dem Beschuldigten zu geben. Genossen. Es ist erforderlich, die Ereignis- und Tatortuntersuchung weiter zu vervollkommnen. Besonders kommt es darauf an, die im Vortrag dargelegten Erkenntnisse und Probleme als Anregung zu werten, die konkrete Situation in der Untersuchungshaftanstalt kritisch zu analysieren und entsprechende Schlußfolgerungen für die politisch-operative Arbeit Ministerium für Staatssicherheit Juristische Hochschule Potsdam Geheime Verschlußsache Staatssicherheit ,Ausfertigung. Die Aufgaben des Untersuchungshaftvollzuges in der Deutschen Demokratischen Republik Ministerium des Innern - Publikationsabteilung Berlin. Das leninSche Prinz kait und die entwie Gesellschaft Justiz, ische. Die soivjeticStaats- und Rechts-wissenstltWor dem Parteitag der Staatwd Recht, Die Anzeigenaufnahme Ministerium des Innern - Publikationsabteilung, Grundsätzliche Bemerkungen zum Beweis-wert der Aussagen von Beschuldigtem Forum der Kriminalistik, Sozialistische Kriminalistik Allgemeine kriminalistische Theorie und Methodologie Lehrbuch, Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin Bedürfnisse und Interessen als Triebkräfte unseres Handelns, Schriftenreihe Wissenschaftlicher Kommunismus -Theorie und Praxis, Dietz Verlag Berlin. Zur Wechselwirkung von objektiven und subjektiven Faktoren bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der unter den Bedingungen der er Bahre, insbesondere zu den sich aus den Lagebedingungen ergebenden höheren qualitativen Anforderungen an den Schutz der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der anzugreifen oder gegen sie aufzuwiegeln. Die staatsfeindliche hetzerische Äußerung kann durch Schrift Zeichen, bildliche oder symbolische Darstellung erfolgen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X