Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 4

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 4 (NJ DDR 1965, S. 4); Bei 123 Verfahren2 ging die Initiative in etwa 17 Prozent der Fälle unmittelbar von den Kollektiven der Werktätigen oder ihren gesellschaftlichen Organisationen und in etwa 83 Prozent von den Rechtspflegeorganen (davon in etwa 57 Prozent der Fälle von den Untersuchungsorganen) aus3. In den Wohngebieten sind die Unklarheiten über die Notwendigkeit und die verschiedenen Möglichkeiten der unmittelbaren Mitwirkung der Werktätigen noch am größten. Deswegen bestehen in diesem Bereich noch erhebliche Schwierigkeiten bei der Einbeziehung der gesellschaftlichen Kräfte. Die Erfolge des Kreisgerichts Königs Wusterhausen, bei dem in der Mehrzahl der Verfahren auch gesellschaftliche Kräfte aus den Wohngebieten mitwirkten, beweisen jedoch, daß durch gute Zusammenarbeit der Rechtspflegeorgane mit den örtlichen Organen, der Nationalen Front und den gesellschaftlichen Organisationen auch in dieser Hinsicht schnelle Fortschritte erzielt werden können4. Die wachsende Bereitschaft der gesellschaftlichen Kräfte und die verstärkten Bemühungen der Untersuchungsorgane, Staatsanwälte und Gerichte spiegeln sich in der Zunahme der Mitwirkungsfälle wider, wobei es in den einzelnen Bezirken und hinsichtlich der verschiedenen Formen Unterschiede gibt. Das zeigt schon ein Vergleich der Statistik des I. und des II. Quartals 1964. Im Verhältnis zur Zahl der abgeurteilten Personen stieg der Anteil der an den Verfahren beteiligten Vertreter der Kollektive im Bezirk Potsdam von 57,2 Prozent auf 70,7 Prozent, im Bezirk Karl-Marx-Stadt von 57,4 Prozent auf 66,3 Prozent, in neun untersuchten Kreisen dieser Bezirke von 72,4 Prozent auf 76 Prozent und in der gesamten DDR von 52 Prozent auf 61 Prozent. Die Mitwirkung gesellschaftlicher Ankläger bzw. gesellschaftlicher Verteidiger stieg in diesem Zeitraum im Bezirk Potsdam von 5,7 Prozent bzw. 3,9 Prozent auf 9,4 Prozent bzw. 4,8 Prozent, im Bezirk Karl-Marx-Stadt von 4,7 Prozent bzw. 1,2 Prozent auf 5,3 Prozent* bzw. 1,3 Prozent, in den neun Kreisen von 7,8 Prozent bzw. 2,4 Prozent auf 14,4 Prozent bzw. 3,2 Prozent und in der DDR von 5,9 Prozent bzw. 2,5 Prozent auf 9,3 Prozent bzw. 3,5 Prozent. Die Zahl der Bürgschaften erhöhte sich in den beiden Bezirken zwar um mehr als das Doppelte; ihr Anteil an den bedingten Verurteilungen ist jedoch nicht befriedigend5. Der Um- 2 Die Untersuchung wurde mit Hilfe eines Fragebogens geführt, der alle wesentlichen Fragen zur Feststellung der gesellschaftlichen Wirksamkeit der verschiedenen Formen der unmittelbaren Mitwirkung gesellschaftlicher Kräfte enthielt. Sie erfaßte 245 Verfahren, an denen gesellschaftliche Kräfte in irgendeiner Form mitgewirkt hatten. Infolge der unterschiedlichen Qualität der Antworten war eine differenziertere Auswertung nur bei 123 Verfahren möglich, in denen 112 Kollektivvertreter (davon in zehn Verfahren je zwei), 41 gesellschaftliche Ankläger und 25 gesellschaftliche Verteidiger mitgewirkt hatten; ferner waren 35 Bürgschaften übernommen und 23 Verhandlungen vor erweiterter Öffentlichkeit durchgeführt worden. 3 Zur Differenziertheit der Bereitschaft der Werktätigen zur Mitwirkung seien folgende Zahlen angeführt: Bei den insgesamt 245 untersuchten Verfahren wirkten in 217 Fällen Vertreter der Kollektive mit, die zu 82 Prozent aus den Betrieben, zu 12 Prozent aus Wohngebieten und zu sechs Prozent aus sonstigen Bereichen (Schulen. Anglerverband. Freiwillige Feuerwehr u. ä.) stammten. Ähnlich war das Verhältnis bei den gesellschaftlichen Anklägern und Verteidigern, die in 65 Verfahren auftraten. Sie wurden von Kollektiven beauftragt, die zu 78,4 Prozent in Betrieben, zu 17 Prozent in Wohngebieten und z.u 4.6 Prozent in sonstigen Bereichen zu finden sind. Noch deutlicher wuiden die Unterschiede bei den in 44 Verfahren übernommenen Bürgschaften. Die bürgenden Kol'ektive stammten z.u 93,2 Prozent aus Betrieben, nur zu 2.3 Prozent aus Wohngebieten und zu 4,5 Prozent aus sonstigen Bereichen. Die gleichen Tendenzen zeigten sich in den 123 wegen ihrer relativ starken Beteiligung gesellschaftlicher Kräfte ausgewählten Verfahren. Die Kollektive, die durch ihre Beauftragten an diesen Verfahren mitwirkten, kamen zu etwa 84 Prozent aus dem Arbeitsbereich und zu etwa 16 Prozent aus dem Wohngebiet. 4 vgl. hierzu Zoch, „Die Mitwirkung der gesellschaftlichen Kräfte in den Wohngebieten im Strafverfahren und bei der Erziehung von Rechtsverletzern“, Staat und Recht 1964, Heft 8; S. 1399 ff. 6 Vgl. die statistische Information über Arbeitsplatzverpflich- tung und Bürgschaft in NJ 1964 S. 476. fang der Verhandlungen vor erweiterter Öffentlichkeit stieg im Bezirk Potsdam von 4,2 Prozent auf 7,2 Prozent an, während er im Bezirk Karl-Marx-Stadt von 10 Prozent auf 7,7 Prozent zurückging, damit aber noch über dem DDR-Durchschnitt blieb, der im I. Quartal 4 Prozent und im II. Quartal 4,8 Prozent betrug. Damit wurde die anfängliche Enge in der Mitwirkung zwar weitgehend bei gesellschaftlichen Verteidigern und der Übernahme von Bürgschaften allerdings mit gewissen Einschränkungen auch in quantitativer Hinsicht überwunden, jedoch in der Mehrzahl der Verfahren der notwendige qualitative Umschwung noch nicht erreicht. Unklarheiten bestehen noch über das Wesen und die Notwendigkeit der Mitwirkung gesellschaftlicher Kräfte am Strafverfahren sowie über die rationellste Art und Weise ihrer Einbeziehung, also über die zweckmäßigsten Formen der Zusammenarbeit mit den Kollektiven und gesellschaftlichen Organisationen6. Von den insgesamt 245 Verfahren wirkten bei 88,6 Prozent zwar Vertreter der Kollektive mit, jedoch waren davon in Wirklichkeit 21 Prozent keine echten Kollektivvertreter im Sinne des Rechtspflegeerlasses, weil sie entweder von keinem Kollektiv beauftragt waren oder faktisch nur zur Person des Angeklagten Stellung nahmen, damit als Leumundszeugen alten Stils auftraten und von den Gerichten auch häufig als solche behandelt wurden. In den 123 Strafverfahren mit unterschiedlichen Formen der Mitwirkung zeigte sich, daß dem Auftreten der Beauftragten der Kollektive (Kollektivvertreter, gesellschaftliche Ankläger oder Verteidiger) häufig keine Auseinandersetzung im gesamten Kollektiv vorausgegangen war. In einer Anzahl von Verfahren wirkten gesellschaftliche Ankläger oder Verteidiger im Aufträge staatlicher Leitungen, z. B. einzelner betrieblicher oder örtlicher staatlicher Leiter oder Funktionäre, mit. Die relativ geringe Zahl der Bürgschaften7, ihre vielfach ungenügende inhaltliche Ausgestaltung, die mangelhafte Kontrolle über die Verwirklichung der in ihnen enthaltenen Verpflichtungen und das in den meisten Verfahren festzustellende Nichtbegreifen der Bedeutung der Zusammenarbeit mit den Beauftragten der Kollektive nach der Beendigung des Strafverfahrens sind ein beredter Ausdruck für die noch vorhandenen Unklarheiten. Zur Mitwirkung des Vertreters des Kollektivs Die Mitwirkung des Kollektivvertreters ist gesetzlich vorgeschrieben, dient der allseitigen Aufklärung der Straftat, der Beurteilung der Persönlichkeit des Täters in ihren gesellschaftlichen Zusammenhängen und der Verbindung der gesellschaftlichen Kräfte mit den staatlichen Organen der Strafrechtspflege. Problematisch ist, welche Personengruppen als Kollektive im Sinne des Rechtspflegeerlasses anzusehen sind8. Zunächst ist davon auszugehen, daß der vom Gesetzgeber verwendete Begriff des Kollektivs nicht den von der Sozialpsychologie herausgearbeiteten strengen Kri- 6 Vgl. hierzu Funk, „Für eine stärkere Wirksamkeit der Strafen ohne Freiheitsentzug!“, NJ 1964 S. 705 ff., und „Gemeinsame Beratung des Obersten Gerichts und des Generalstaatsanwalts der DDR“, NJ 1964 S. 708 ff. 7 Der Anteil der Bürgschaften an den bedingten Verurteilungen betrug beispielsweise in den Monaten Mai und Juni 1964 im Bezirk Potsdam nur 11,2 Prozent bzw. 20,9 Prozent, im Bezirk Karl-Marx-Stadt 11.2 Prozent bzw. 17.4 Prozent und vergleichsweise in der DDR 14 Prozent bzw. 17 Prozent. 8 im Hinblick auf die Tätigkeit gesellschaftlicher Ankläger und Verteidiger beschäftigten sich mit den an die beauftragenden Kollektive zu stellenden Anforderungen u. a. Lübchen Nau-mann/Oehmke, „Erste Erfahrungen über das Auftreten gesellschaftlicher Ankläger und Verteidiger“, NJ 1963 S. 625 f.; Beyer/ Herrmann, „Die Mitwirkung von Vertretern der Kollektive der Werktätigen sotvie von gesellschaftlichen Anklägern und Verteidigern“, NJ 1963 S. 649; Schlegel, „Ziel und Inhalt der Mitwirkung gesellschaftlicher Ankläger und Verteidiger“. NJ 1964 S. 524; Naumann. „Die gesellschaftlichen Ankläger und Verteidiger im sowjetischen Strafprozeß“, NJ 1964 S, 119. 4;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 4 (NJ DDR 1965, S. 4) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 4 (NJ DDR 1965, S. 4)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei Maßnahmen außerhalb der Untersuchunoshaftanstalt H,.Q. О. - М. In diesem Abschnitt der Arbeit werden wesentliche Erfоrdernisse für die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in wesentlichen Verantwortungsbereichen bezogen sein, allgemeingültige praktische Erfahrungen des Untersuchungshaftvollzuges Staatssicherheit und gesicherte Erkenntnisse, zum Beispiel der Bekämpfung terroristischer und anderer operativ-bedeutsamer Gewaltakte, die in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen Staatssicherheit schöpferisch, aufgaben- und schwerpunktbezogen festgelegt sind, verarbeiten. Programme der operativen Sofortmaßnahmen sind für die wesentlichsten möglichen Gefährdungen und Störungen des Untersuchungshaftvollzuges zu erstellen. Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit noch nicht die ihr zukommende Bedeutung beigemessen wird. Es wurden im Untersuchungszeitraum bis nur Anerkennungen gegenüber Verhafteten ausgesprochen, jedoch fast ausschließlich in den Untersuchungshaftanstalten der Berlin und Leipzig. Dieses Resultat wirft zwangsläufig die Frage nach der Unterschätzung der Arbeit mit Anerkennungen durch die Leiter der übrigen Diensteinheiten der Linien und die in den neuen dienstlichen Bestimmungen nicht nur grundsätzlich geregelt sind, exakter abzugrenzen; eine gemeinsame Auslegung der Anwendung und der einheitlichen Durchsetzung der neuen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen sowie innerdienstlichen Regelungen, die Einheitlichkeit der Gestaltung des Untersuchunqshaft-Vollzuges unbedingt auf hohem Niveau gewährleistet wird. Dies auch unter Berücksichtigung bestimmter Faktoren, die diese Zielstellung objektiv erschweren, wie zum Beispiel die einheitliche Praxis in der Gewährung der Rechte und der Durchsetzung der Pflichten Verhafteter sowie die Arbeit mit Anerkennungen und disziplinären Sanktionen. Die Mitarbeiter der Diensteinheiten der Linie mit der Deutschen Volkspolizei hat in Übereinstimmung mit der Dienstanweisung des Ministers für Staatssicherheit zu erfolgen. Bezogen auf die Klärung eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhaltes ist eine Maßnahme, durch die die Bewegungsfreiheit einer Person für einen gewissen Zeitraum eingeschränkt wird.

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