Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 38

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 38 (NJ DDR 1965, S. 38); In den Fällen der Verletzung strafprozessualer Prinzipien und Normen muH das Urteil aufgehoben werden, wenn es auf dieser Vei letzung beruht (§ 280 StPO) Bei Verletzung der Vorschriften über das Recht auf Verteidigung liegt ein Fall der notwendigen Aufhebung und Zurück Verweisung im Sinne des § 291 StPO vor. Die Tatsache, daß nicht selten Urteile aus diesen Gründen angefochten werden und aufgehoben werden müssen, erfordert von den zweitinstanzlichen Gerichten einen erheblichen Arbeitsaufwand und hindert sie, sich voll auf die Aufgaben zu konzentrieren, die sich aus dem Rechtspflegeerlaß und anderen Dokumenten des Staatsrates für die einheitliche und sachkundige Leitung der Rechtsprechung und die Lösung grundsätzlicher Fragen des jeweiligen Sachgebiets für den Senat ergeben. Das zweitinstanzliche Verfahren bezieht sich somit zwar auf dasselbe Erkenntnisobjekt, jedoch ist das Erkenntnissubjekt ein anderes, wobei die persönlichen Erfahrungen des betreffenden Richterkollektivs eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Gerade daraus ergibt sich die außerordentlich große Bedeutung einer unter genauer Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen und unter strikter Wahrung der Rechte des Angeklagten durchgeführten umfassenden und gründlichen Beweisaufnahme. Die Beweisführungspflicht des Gerichts Der sozialistische Strafprozeß wird von dem Grundsatz bestimmt, daß die Organe der Strafrechtspflege verpflichtet sind, alle zur Urteilsfindung zu verwendenden Tatsachen in belastender und entlastender Hinsicht zu ermitteln und festzustellen0. Die sich aus diesem Grundsatz ergebende aktive Rolle des Gerichts bei der Erforschung der objektiven Wahrheit wird noch nicht überall sichtbar. Einige Beispiele zeigen, daß die Gerichte offenbar unter dem Einfluß fehlerhafter Beweistheorien die Beweisführungspflicht allein dem Staatsanwalt überlassen oder gar auf den Angeklagten und seinen Verteidiger verlagern und ihre Aufgabe im wesentlichen darin sehen, auf der Grundlage der angebotenen Beweise die Beweiserhebung in der Hauptverhandlung zu leiten. Besondere Schwierigkeiten bereitet diesen Richtern die Beweiswürdigung in den Fällen, in denen der Angeklagte die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen ganz oder teilweise bestreitet. Das soll an folgendem Beispiel erläutert werden: Das Bezirksgericht Cottbus verurteilte einen Bergarbeiter wegen fahrlässiger Tötung. Dieser war in einer Schachtanlage des Braunkohlenwerkes in L. als Anschläger über Tage eingesetzt worden. Der Schacht war am Tage zuvor abgenommen und für die Produkten-förderung, nicht aber für die Seilfahrt (Personenbeförderung) freigegeben worden. Der 20jährige Angeklagte hatte zuvor in anderen Schachtanlagen nur aushilfsweise als Anschläger gearbeitet Er hatte auf diesem Gebiet keine Ausbildung erhalten und auch keine Prüfung abgelegt. Trotzdem war er als Anschläger bestätigt und in das Seilfahrtbuch eingetragen worden. Etwa eine halbe Stunde nach Aufnahme seiner Tätigkeit als Anschläger kam der dem Angeklagten Vorgesetzte Steiger, der Verantwortliche für diese Schachtanlage in der betreffenden Schicht, mit einem Zimmerhauer Beide stiegen in den Förderkorb und erklärten dem Angeklagten, daß sie eine Schachtkontrcllbefahrung durchführen wollten. Auch bei Schächten, die nur für Pro-duktenförderung freigegeben sind, sind Schachtkontrollen zulässig. Sie werden jedoch auf dem Dach des För- 6 Vgl. Schindler, a. a. O., S. 619. 38 derkorbes ausgeführt. Deshalb erfolgt in diesen Fällen im Maschinenhaus eine Umschaltung der Signalanlage, so daß das Schachtzugsignal von denjenigen bedient werden kann, die die Kontrollfahrt durchführen. Die Art und Weise des Einfahrens durch den Steiger und den Zimmerhauer entsprach somit in diesem Falle nicht den Vorschriften. Der Angeklagte hatte als Anschläger das Recht, diese Fahrt zu verbieten. Das tat er jedoch nicht. Er wies den Steiger lediglich darauf hin, daß sich im Füllort noch kein Anschläger befände. Außerdem fragte er ihn, welches Signal er zu geben hätte. Auf einen Hinweis des Steigers gab er das Signal für die Produktenförderung. Durch das Hinzukommen weiterer Umstände, insbesondere einer falschen Bedienung der Anlage durch den Maschinisten, das Nichtfunktionieren eines Endschalters, der normalerweise eine Bremsvorrichtung auslöst, und durch das nicht mehr genau feststellbare Verhalten des Steigers und des Zimmerhauers beim Verlassen des Förderkorbes kam es zu einem tödlichen Unfall. Soweit das Bezirksgericht Behauptungen des Angeklagten nicht widerlegen konnte, hat es auf exakte Sachverhaltsfeststellungen verzichtet. In dieser Beziehung finden sich im Urteil solche Formulierungen wie: „Der Angeklagte will den Steiger darauf hingewiesen haben “, oder: „Der Angeklagte will den Steiger gefragt haben “ Bereits insoweit zeigt sich eine Verletzung des Prinzips der Beweisführungspflicht des Gerichts. Nicht der Angeklagte hat die ihn entlastenden Umstände - und um solche handelt es sich hier - zu beweisen. Solche Darlegungen in einem gerichtlichen Urteil sind für die Beweiswürdigung nicht verwertbar. Die bloße Wiedergabe einer Behauptung des Angeklagten im Sachverhalt läßt die Stellungnahme des Gerichts dazu vermissen, ob es diese Behauptung als bewiesen oder als widerlegt ansieht. Im vorliegenden Fall wird die Stel-' lungnahme des Gerichts zu den Behauptungen des Angeklagten auch nicht aus der weiteren Begründung des Urteils ersichtlich. Die Folgen einer solchen Arbeitsweise gehen allerdings zu Lasten des Angeklagten Seine Behauptungen hätte das Bezirksgericht als erwiesen ansehen müssen, was den Angeklagten zumindest teilweise entlastet hätte. Stellt der Angeklagte zu seiner Entlastung eine Behauptung auf, so ist es nicht seine Sache, deren Richtigkeit zu beweisen. Das Gericht muß die Beweise erheben, die für die Richtigkeit dieser Behauptung sprechen bzw. die geeignet sind, diese Behauptung zu widerlegen7. In dem geschilderten Fall hat sich der Angeklagte objektiv fehlerhaft verhalten. Zu prüfen war aber, ob eine schuldhafte Pflichtverletzung Vorgelegen hat. Der Angeklagte, hat in mehreren Vernehmungen behauptet, daß ihm nicht bekannt gewesen sei, wie eine Schacht-kontrollbefahrung durchgeführt wird und wie dabei die Signalgebung zu erfolgen hat. Er verwies dabei auf seine mangelnden Erfahrungen in der Tätigkeit als Anschläger und darauf, daß er bei der Übernahme seiner Tätigkeit von dem Verantwortlichen über seine Pflichten nicht belehrt worden sei. Ohne sich mil diesem Vorbringen des Angeklagten auseinanderzusetzen und ohne insbesondere dieses Vorbringen widerlegen zu können, findet sich in den Sachverhaltsfeststellungen des bezirksgerichtlichen Urteils der Satz: „Der Angeklagte wußte, wie eine Schach tkontrollbefahrung durchzuführen ist.“ Diese Feststellung entsprach der Darlegung in der Anklage und hat zur Verurteilung des Angeklagten geführt. In der Konsequenz hat damit das Gericht dem 7 Vgl. dazu die von Schindler geführte Auseinandersetzung mit den falschen Auffassungen Wyschinslcis; a. a. O., S. 619.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 38 (NJ DDR 1965, S. 38) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 38 (NJ DDR 1965, S. 38)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge Ziele und Grundsätze des Herauslösens Varianten des Herauslösens. Der Abschluß der Bearbeitung Operativer Vorgänge. Das Ziel des Abschlusses Operativer Vorgänge und die Abschlußarten. Die politisch-operative und strafrechtliche Einschätzung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge mit hoher sicherheitspolitischer Bedeutung; die Abstimmung von politisch-operativen Maßnahmen, den Einsatz und die Schaffung geeigneter operativer Kräfte und Mittel eine besonders hohe Effektivität der politisch-operativen Arbeit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung feindlicher Angriffe negativer Erscheinungen erreicht werden muß. Mit der Konzentration der operativen Kräfte und durch - die jeweilige Persönlichkeit und ihre konkreten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Die erfolgt vor allem im Prozeß der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben und durch das gesamte System der Aus- und Weiterbildung in und außerhalb Staatssicherheit sowie durch spezifische Formen der politisch-operativen Sohulung. Die ist ein wesentlicher Bestandteil der Maßnahmen zur Durchsetzung des Untersuchungshaftvollzuges. Grundlagen für die Tätigkeit des Wach- und Sicherungsdienstes sind: Die gesetzlichen Bestimmungen wie Strafgesetz, Strafprozeßordnung, Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz; Befehle und Anweisungen des Ministers für Staatssicherheit, des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft, Dienstanweisung für den Dienst und die Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienst- Objekten zu gewährleisten Unter Berücksichtigung des Themas der Diplomarbeit werden aus dieser Hauptaufgabe besonders die Gesichtspunkte der sicheren Verwahrung der Inhaftierten zur Lbsung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der aufgabenbezogenen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen sowie unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lage die Sicherheit und Ordnung in den Unter-s traf tans lal ltm fes Staatssicherheit weise ich an: Verantwortung für den Vollzug der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in Dienstobjekt betreffenden Probleme eng mit den Objektkommandanten Zusammenarbeiten. Sie haben Maßnahmen zur Beseitigung von festgestellten Hangeln in ihren Verantwortungsbereichen einzuleiten.

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