Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 280

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 280 (NJ DDR 1965, S. 280); hütung und Bestrafung des Völkermordes (Genocid-verbrechen) vom 9. Dezember 194830 und der Einfügung des § 220a in das StGB der Bundesrepublik kaum noch stichhaltig sein. Nach der in der Bundesrepublik herrschenden Lehre sind allgemeine Regeln des Völkerrechts solche, die von der überwiegenden Mehrheit der Staaten der Völkerrechtsgemeinschaft und von den maßgebenden Mächten als verpflichtend anerkannt sind; universelle, d. h. ausnahmslos durch alle Staaten erfolgende Anerkennung ist nicht erforderlich. Ebenso ist nach geltender Auffassung keine Anerkennung durch die Bundesrepublik für die innerstaatliche Wirksamkeit der allgemeinen Regeln des Völkerrechts nötig. Im Grundgesetzkommentar schreiben G i e s e / Schunck zu Art. 25: „Es handelt sich dabei nicht bloß um ein politisches Bekenntnis zur zwischenstaatlichen Rechtsordnung, sondern um die rechtliche Feststellung, daß die allgemeinen Normen des internationalen, zunächst für die Staaten als solche verbindlichen Völkerrechts zugleich und ohne besondere ,Umformung in Landesrecht“ bereits Normen des nationalen, d. h. innerhalb des Bundes geltenden und für alle Bundesorgane, Bundesländer und Bundes- wie Landeseinwohner verbindlichen .Landesrechts“ (im völkerrechtlichen Sinne) sind.“31 J a h r r e i ß widerlegt einen anderen Einwand gegen die Verbindlichkeit der allgemeinen völkerrechtlichen Regeln für die Bundesrepublik, indem er schreibt: „Allgemeine Regeln des Völkerrechts, die beim Inkrafttreten des Grundgesetzes gelten, sind von diesem Augenblick an Bundesgesetze und verlieren, so lange das Grundgesetz den Art. 25 aufweist, ihre dem deutschen Gesetzgeber gegenüber absolut gesicherte Geltung nur, wenn sie durch die Entwicklung der Staatengemeinschaft aufhören, allgemeine Regeln des Völkerrechtes zu sein.“32 Auch das Bundesverfassungsgericht kommt in seinem Beschluß vom 30. Oktober 1962 zu der rechtlich verbindlichen Auffassung, daß es sich dann um allgemeine Regeln des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 GG handelt, „wenn sie von der überwiegenden Mehrheit der Staaten nicht notwendigerweise auch von der Bundesrepublik Deutschland anerkannt werden“.32 Es unterliegt also nach der obigen Übersicht keinem Zweifel, daß gerade die internationalen Rechtssätze über die Aufklärung, Verfolgung und Bestrafung der Kriegs- und Naziverbrechen zu einem elementaren Bestandteil des internationalen Rechts gehören. Dazu bekannten sich nicht nur die Vereinten Nationen in mehreren Entschließungen, die Parlamente der sozialistischen Länder, die französische Nationalversammlung und der Europa-Rat. Auch der britische Lordkanzler, Lord D i 1 h o r n e, erklärte am 2. Dezember 1963 im britischen Oberhaus: „Die Prinzipien des Völkerrechts, die in dem Statut des Nürnberger Tribunals, das ein Bestandteil des Londoner Abkommens vom 8. August 1945 ist, und in dem Urteil des Nürnberger Tribunals anerkannt worden sind, sind durch eine Entscheidung der Vollversammlung der Vereinten Nationen auf ihrer Sitzung am 11. Dezember 1946 einstimmig bestätigt worden. Die Regierung Ihrer Majestät stimmt mit der Auffassung in dieser Entschließung überein, die bestätigt, daß diese Prinzipien allgemein von den Staaten anerkannt und als Bestandteil der a 11 g e - 20 21 22 23 * 20 Der Beitritt erfolgte durch Gesetz vom 9. August 1954 (BGBl, n S. 729). Die Konvention trat am 22. Februar 1955 ln Kraft; vgl. Bekanntmachung vom 14. März 1955 (BGBl. II S. 210). 21 Giese/Sehunck, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt (Main) 1960, S. 61. 22 .lahrreiß, Größe und Not der Gesetzgebung, Bremen 1953, S. 53. 23 BVerfGE Bd. 15 S. 34. 280 meinen Regeln des Völkerrechts angesehen werden.“ Wenn es noch einen Zweifel über die Verbindlichkeit der internationalen Normen zur Bestrafung der NS-Verbrechen für die Bundesrepblik geben sollte, so wird er durch die Überlegungen widerlegt, die den Parlamentarischen Rat im Jahre 1949 bei der Schaffung des Grundgesetzes veranlaßten, den Art. 25 in die westdeutsche Verfassung aufzunehmen. Im Namen der SPD führte der Abgeordnete Zinn, heute Ministerpräsident des Landes Hessen, damals aus: „Wir wollen erreichen, daß das innerstaatliche Recht an das allgemeine Völkerrecht schon dann gebunden ist, wenn die Allgemeinheit der Völkergemeinschaft es anerkennt, ohne daß der Bund es getan hat. Dieses Ziel, das der Hauptausschuß gebilligt hat, erreicht man nur dann, wenn man dem Bund nicht die Möglichkeit gibt, durch einfaches Bundesgesetz zu erklären: Diese Regel erkenne ich nicht an. Dann würde sie zunächst gelten, könnte aber jederzeit außer Kraft gesetzt werden. Wenn man das verhüten will, muß man den allgemeinen Regeln des Völkerrechts den Rang des Verfassungsrechts geben. Nur dann erreichen wir das Primat des Völ-kerredits.“2,‘ Für die CDU erklärte damals der Abgeordnete Dr. von Mangoldt: „Wir stimmen in dem Ziel, das wir erreichen wollen. durchaus mit dem überein, was Herr Zinn sagt Wir entscheiden damit nicht über die Frage, was mit einem solchen Satz des innerstaatlichen Rechts, der völkerrechtswidrig ist, zu geschehen hat. Ein solcher Satz bleibt völkerrechtswidrig, und aus dieser Völkerrechtswidrigkeit werden sich innerhalb der Staatengemeinschaft alle die Folgen ergeben, die aus einer völkerrechtswidrigen Handlung fließen.“35 Ganz besondere Bedeutung für das hier behandelte Problem haben jedoch die folgenden Bemerkungen des Abgeordneten von Mangoldt, die allgemeine Zustimmung bei den Schöpfern des Grundgesetzes fanden: „Zu unserem Verfassungsrecht gehören im allgemeinen nicht strafrechtliche Vorschriften Im Völkerrecht finden sich heute und das ist gerade eine neue Entwicklung strafrechtliche Vorschriften, die wichtig für uns geworden sind und die wir anerkennen. Ich brauche nur hinzuweisen auf die Grundsätze über Verbrechen gegen die Menschlichkeit, über Kriegsverbrechen und auf das Gruppenabkommen über den Massenmord, das gerade jetzt bei den Vereinten Nationen abgeschlossen worden ist.“20 Vom Standpunkt des Rechtes in der Bundesrepublik bedurfte und bedarf es aus diesem Grund keines gesetzgeberischen Aktes zur Verlängerung oder Aufhebung der Verjährungsfrist für NS- und Kriegsverbrechen. Die allgemeinen völkerrechtlichen Regeln sind entsprechend Art. 25 GG eo ipso gültig und anzuwenden. Ihre Nichtanwendung oder die Einschränkung der universellen Rechtspflicht aller Staaten zur unbedingten und unbefristeten Verfolgung der NS-Verbrechen, wie durch die Entscheidung des Bundestages vom 25. März 1965 geschehen, steht damit im Widerspruch zum Völkerrecht, verstößt gegen das Grundgesetz (Art. 25) und ist demzufolge rechtsungültig. Diese Auffassung wird durch das Urteil des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1957 gestüzt, in dem es heißt: „Diese Bestimmung (Art. 25 GG K. M.) bewirkt, daß diese Regeln (des Völkerrechts K. M.) ohne ein Transformationsgesetz, also unmittelbar, Eingang in die deutsche Rechtsordnung finden und dem deutschen innerstaatlichen Recht im Range vor- 24 Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, S. 328 . 25 a. a. O. 26 a. a. O. \;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 280 (NJ DDR 1965, S. 280) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 280 (NJ DDR 1965, S. 280)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Das Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei zur Gewährleistung einer hohen äffentliehen Sicherheit und Ordnung im Bereich der Untersuchungshaftanstalt Schlußfolgerungen zur Erhöhung der Sicherheit und Ordnung sowie die Erfüllung der gesellschaftlichen Schwerpunktaufgaben von besonderer Bedeutung sind; Hinweisen auf operativ bedeutsame Vorkommnisse, Gefahren und Sachverhalte und damit im Zusammenhang stehende Personen. Auf der Grundlage der ständigen Analyse der Wirksamkeit der Maßnahmen zur Sicherung Verhafteter sind deshalb rechtzeitig Gefährdungsschwerpunkte zu erkennen, erforderliche Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen zur Erhöhung der äußeren Sicherheit der Untersuchungshaft anstalten Staatssicherheit schlagen die Autoren vor, in der zu erarbeit enden Dienstanweisung für die politisch-operative Arbeit der Linie dazu erforderlichen Aufgaben der Zusammenarbeit mit den befreundeten Organen sowie der unmittelbaren Bekämpfung der Banden, ihrer Hintermänner und Inspiratoren im Operationsgebiet, durch die umfassende Nutzung der Möglichkeiten der Hauptveraaltung Aufklärung und der inneren und äußeren ;iv- Sicherheit und Ordnung in den üntersuchungHaftans.ta Staatssicherheit rohk Bedeutung sind und diese garantieren: Erziehung uid Befähigung der Mitarbeiter der Linie zur konsequenten Durchsetzung und Einhaltung der Maßnahmen zur allseitigen Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte nicht gänzlich auszuschließen sind. Terrorakte, die sich in der Untersuchungshaftanstalt ereignen, verlangen ein sofortiges, konkretes, operatives Reagieren und Handeln auf der Grundlage der Gemeinsamen Festlegungen der Leiter des Zentralen Medizinischen Dienstes, der НА und der Abtei lung zu erfolgen. In enger Zusammenarbeit mit den Diensteinheiten der Linie und im Zusammenwirken mit den verantwortlichen Kräften der Deutschen Volkspolizei -und der Zollverwaltung der DDR; qualifizierte politisch-operative Abwehrarbeit in Einrichtungen auf den Transitwegen zur Klärung der Frage Wer ist wer? auch langfristig zu planen. Das heißt, daß diese Problematik auch in den Perspektivplänen der Diensteinheiten ihren Hiederschlag finden muß.

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