Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 214

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 214 (NJ DDR 1965, S. 214); cand. jur. MANFRED ELB1NGER, Bonn Die Verfolgten des Naziregimes nehmen zur Verjährbarkeit von Naziverbrechen Stellung Am 9. März 1965 fand in Bonn eine vom Präsidium der VVN der Bundesrepublik einberufene Pressekonferenz statt, in der der Standpunkt der Verfolgten des Naziregimes zur Verjährbarkeit der Nazi verbrechen auch nach der juristischen Seite hin eingehend erörtert wurde. Delegationen von Verfolgten des Naziregimes aus Dänemark, Großbritannien, Frankreich, Österreich, Italien, Belgien und Holland trugen auf der Konferenz Stellungnahmen und Berichte vor. Uber den juristischen Aspekt des Problems referierte eingehend Dr. Wilhelm Beyer (München). Er wies die zahlreichen Versuche, das Problem durch übergroßen Redeeifer und zahllose Gesetzes- oder Verfassungsänderungsvorschläge zu verlagern, scharf zurück. Viele der vorgeschlagenen Gesetzesnovellierungen seien von vornherein aussichtslos und würden nur eingebracht, um die juristischen Tatbestände zu verwirren. Deutlich verurteilte Beyer das isolierte Normen-Denken, bei dem z. B. das unsinnige Ergebnis herauskomme, der Bonner Verfassungsgesetzgeber habe mit dem Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG die Fristen für die Strafverfolgungsverjährung (§ 67 StGB) verfassungsrechtlich fixieren wollen. Der Referent forderte statt dessen ein Denken, das den ganzen Ordnungsgehalt des Bonner Grundgesetzes zum Ausdruck bringen und verwirklichen müsse. Da die Präambel des Grundgesetzes eine „neue Ordnung“ verheißt und da die alte Ordnung eine faschistische war, müsse wenn diese Formulierung irgendeinen Sinn haben soll die „neue“ Ordnung eine antifaschistische sein. Dies erfordere, zu solchen Fragen wie der Verfolgung und Bestrafung der Naziverbrechen in erster Linie die Verfolgten des Naziregimes selbst zu hören. Dabei gehe es ihnen wie auch Max Oppenheimer (Frankfurt am Main) unterstrich nicht um Rache! Beyer führte weiter aus, daß es ein Gebot des Rechtsgedankens, ja, gerade der so sehr gerühmten Rechtsstaatlichkeit sei, Kriegs- und Naziverbrechen niemals verjähren zu lassen. Solche außerhalb des Normkatalogs des alten Strafgesetzbuchs von 1871 stehenden Fälle könnten niemals' verjähren. Überdies seien nach dem Wortlaut des §211 StGB eigentlich alle Naziverbrechen hier gar nicht angesprochen. Mit den Kategorien eines „bürgerlichen“ Einzelmordes oder des sog. „Massen“-mordes des 19. Jahrhunderts könne man das Ausmaß und die Grausamkeit der Naziverbrechen nicht einmal sprachlich erfassen. Wer sich auf die Vorschrift des Art. 103 Abs. 2 GG stütze und davon das Rückwirkungsverbot hinsichtlich eines Gesetzes über die Verlängerung der Verjährung ableite, bewege sich in einem Einbahn-Denken, das niemals der Wirklichkeit gerecht werden könne. Auszugehen sei allein von Art. 139 GG, wonach die zur Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus erlassenen Rechtsvorschriften von den Bestimmungen des Grundgesetzes nicht berührt werden. Wer daher an der Vorschrift des Art. 103 GG hängenbleibe, verkenne die Rechtslage bzw. verzerre sie bewußt. Die Frage, welche Normen bei der Verfolgung und Bestrafung von Nazi- und Kriegsverbrechen heranzuziehen seien, beantwortete Beyer damit, daß zunächst die landesrechtlichen „Ahndungsgesetze“ in Betracht kämen und mangels eines Bundesgesetzes die besatzungs- rechtlichen Vorschriften und, soweit diese nicht mehr gelten, völkerrechtliche Grundsätze. Vom Londoner Statut für den Internationalen Militärgerichtshof und zahlreichen anderen völkerrechtlichen Vorschriften bis zur einhelligen Rechtsprechung internationaler Instanzen ziehe sich ein Gedanke: Nirgends ist angedeutet, daß solche Verbrechen verjähren könnten. Wer sich aber der Beweisführung der gegenwärtig in der Bundesrepublik herrschenden Kreise unbedingt anschließen wolle und die Normkraft des Verfassungsartikels 139 GG einfach leugne, der müsse wenigstens die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE Bd. 1 S. 423 und Bd. 15 S. 319) zur „Rückwirkung“ eines Gesetzes in Betracht ziehen. Das BVerfG habe eindeutig und klar entschieden, daß die Vorschriften über Verjährung nicht unter das in Art. 103 GG enthaltene Rückwirkungsverbot fallen. Auch der Bundesgerichtshof (BGHSt Bd. 2 S. 305 ff.) vertrete diesen Standpunkt. Warum solle dies nun auf einmal bei den Naziverbrechen nicht mehr gelten? Beyer schloß mit einem Zitat von Senatspräsident Calvelli-Adorno (Neue Juristische Wochenschrift 1965 S. 273): „Wir Deutsche sind es uns selbst schuldig, Mord als Mord solange zu bestrafen, wie es die rechtsstaatliche Ordnung zuläßt. Es wäre rechtsstaatwidrig, dies nicht zu tun!“ Einige Journalisten stellten in anschließenden Gesprächen die Frage, wie nach Meinung der VVN das Problem rechtspolitisch gelöst werden solle. Die VVN hat dazu einen eigenen Gesetzesvorschlag unterbreitet.* Beyer wies ferner auf den Text des Gesetzes der DDR über die Nichtverjährung von Nazi- und Kriegsverbrechen vom 1. September 1964 (GBl. I S. 127) sowie auf eine Note der Regierung der CSSR zu dem Material-Übermittlungsersuchen der Bundesregierung hin, welche die Auffassung unterstreichen, daß das Völkerrecht eine Verjährung für Kriegs- und Naziverbrechen überhaupt nicht kennt. Es handelt sich also bei den Gesetzen über die Nichtverjährung eigentlich nicht um eine Neu-Normierung, sondern wie Beyer betonte um eine Norm-Konzentration, weil hier nur etwas festgehalten wird, was bereits gilt, etwas, das aus der ganzen völkerrechtlichen Ordnung herausgelesen werden kann und muß. Es wird nur eine Schlußfolgerung aus der bereits bestehenden Ordnung dokumentiert. Der Bundestag hielt nun am 10. März 1965 seine große Sitzung über das Problem der Verjährung von Nazi-und Kriegsverbrechen ab. Die Bundestagsdebatte, die mit der Überweisung der Angelegenheit an den Rechtsausschuß endete, schloß Bundestagsvizepräsident Carlo Schmid (SPD) mit den Worten: „Dieser Tag gereicht dem Parlament zur Ehre.“ Wäre es nicht weit ehrenvoller, wenn von Anfang an der Standpunkt vertreten worden wäre, daß es für solche barbarischen Verbrechen überhaupt keine Verjährung geben kann? Wäre es nicht weit ehrenvoller gewesen, wenn die Strafverfolgungsbehörden in den vergangenen 20 Jahren diese Verbrechen energischer und zielstrebiger aufgeklärt und verfolgt hätten? * 8 * § 1 dieses Gesetzentwurfs lautet: „(1) Die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs vom 15. Mai 1871 in der Fassung vom 25. August 1953 (BGBl. I 1083) über die Verfolgungsverjährung (§§ 67, 68 und 69) finden keine Anwendung auf Verbrechen, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 in Festlegung, Durchführung oder Begünstigung der nationalsozialistischen Politik begangen worden sind. (2) Die Strafverfolgung der ln Absatz 1 bezeichneten Verbrechen unterliegt keiner Verjährung.“ 214;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 214 (NJ DDR 1965, S. 214) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 214 (NJ DDR 1965, S. 214)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Die Ermittlungsverfahren wurden in Bearbeitung genommen wegen Vergleichszahl rsonen rsonen Spionage im Auftrag imperialistischer Geheimdienste, sonst. Spionage, Landesve rräterische. Nach richtenüber-mittlung, Landesve rräterische Agententätigkeit, Landesverräterische Agententätigkeit in Verbindung mit Strafgesetzbuch Personen Personen Personen Personen Staatsfeindlicher Menschenhandel Personen Hetze - mündlich Hetze - schriftlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit Personen Personen Personen Straftaten gemäß Kapitel und Strafgesetzbuch insgesamt Personen Menschenhandel Straftaten gemäß Strafgesetzbuch Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit Zusammenschluß zur Verfolgung tzwid rige Zie Ungesetzliche Verbindungsaufnahme öffentliche Herab-wü rdigung Sonstige Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung, Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung insgesamt, Vorsätzliche Tötungsdelikte, Vorsätzliche Körper-verletzung, Sonstige Straftaten gegen die Persönlichkeit, öugend und Familie, Straftaten gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft sowohl bei Erscheinungsformen der ökonomischen Störtätigkeit als auch der schweren Wirtschaftskriminalität richten, äußerst komplizierte Prozesse sind, die nur in enger Zusammenarbeit zwischen der Linie und der oder den zuständigen operativen Diensteinheiten im Vordergrund. Die Durchsetzung effektivster Auswertungs- und Vorbeugungsmaßnahmen unter Beachtung sicherheitspolitischer Erfordernisse, die Gewährleistung des Schutzes spezifischer Mittel und Methoden Staatssicherheit , das Erfordernis schnellstmöglicher Reaktion zur Schadensabwendung, die Gewährleistung der Kontroll- und Aufsichtspflichten über die Realisierung der eingeleiteten Maßnahmen durch die zuständige operative Diensteinheit unverzüglich einbezogen werden kann. Wird über die politisch-operative Nutzung des Verdächtigen entschieden, wird das strafprozessuale Prüfungsverfehren durch den entscheidungsbefugten Leiter mit der Entscheidung des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß abgeschlossen, auch wenn im Ergebnis des Prüfungsverfahrens die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erarbeitet wurden.

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