Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 21

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 21 (NJ DDR 1965, S. 21); Vernichtungsaktion bewußt gewesen sei. Dennoch hat dieser SS-„Richter“ damals nichts dagegen unternommen, hat durch sein „richterliches“ Dulden die SS-Schergen in Auschwitz zur Fortsetzung des Massenmordes geradezu ermuntert. Auch ein solches Verhalten ist als Mord in Mittäterschaft zu qualifizieren. Aber gegen Morgen ist immer noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Auch gegen den ehemaligen SS-Sturmbannführer und heutigen Rechtsanwalt Dr. Werner Hansen läuft noch kein Ermittlungsverfahren. Er mußte am 27. November 1964 als Zeuge im Auschwitz-Prozeß zugeben, als Vorsitzender des „SS-Gerichts zur besonderen Verwendung“ beim „Hauptamt SS-Gericht der Reichsführung der SS“ von den Vernichtungsaktionen im Konzentrationslager Auschwitz Kenntnis erhalten zu haben. Obwohl er nach seinen eigenen Bekundungen berechtigt gewesen wäre, sofort Untersuchungen einzuleiten, hat er die ihm dienstlich zur Kenntnis gekommenen Auschwitz-Verbrechen aus seiner Tätigkeit „ausgeklammert“. Die SS-„Juristen“ können sich also heute in der Bundesrepublik frei und ungehindert bewegen, obwohl sie maßgeblichen Anteil daran hatten, daß die im Auschwitz-Prozeß angeklagten SS-Schergen ihre Verbrechen überhaupt begehen konnten. * Angesichts dieser Tatsache muß die Absicht der Bundesregierung, die innerstaatlichen Bestimmungen über die Strafverfolgungsverjährung auch auf Naziverbrechen anzuwenden und deshalb die Verfolgung solcher Verbrechen nach dem 8. Mai 1965 für unzulässig zu erklären, auf noch stärkeren Protest der Weltöffentlichkeit stoßen. Die Bundesregierung hat immer wieder gerade den Auschwitz-Prozeß als eine Art Kronbeweis dafür genannt, daß es ihr ernst ist mit der Bestrafung aller Schuldigen und der Bewältigung der nazistischen Vergangenheit. Wenn sie jetzt in Kenntnis der Feststellungen in eben diesem Prozeß immer noch auf dem Eintritt der Verjährung beharrt, dann entlarvt sie damit ihre Beteuerungen als pure Heuchelei. Jeder, der halbwegs mit der Ermittlung von Naziverbrechen vertraut ist, weiß, daß nach der jahrelangen Untätigkeit bzw. Säumigkeit der bundesdeutschen Behörden jetzt nicht plötzlich gegen alle bereits bekannten Verdächtigen innerhalb weniger Monate die Ermittlungen so weit vorangetrieben werden können, daß eine die Verjährung unterbrechende richterliche Handlung vorgenommen werden kann. Erst recht trifft dies natürlich für den weitaus größeren Kreis derjenigen Belasteten zu, die den zuständigen Organen angeblich oder tatsächlich noch unbekannt sind. Diejenigen, die heute für den Eintritt der Strafverfolgungsverjährung am 8. Mai 1965 plädieren, wissen also genau, daß sie damit auf einen faktischen Freispruch für vermutlich Tausende von Mördern hinarbeiten, deren Verbrechen in der Geschichte nicht ihresgleichen finden. Die Beweisaufnahme im Auschwitz-Prozeß hat auch das zur Rechtfertigung der Strafverfolgungsverjährung von Nazi-Verbrechen herangezogene Argument widerlegt, daß heute, nach zwanzig Jahren, die zunehmenden Beweisschwierigkeiten eine Wahrheitsermittlung nicht mehr oder nur ungenügend möglich machen würden5. Die Behauptung mißachtet bereits einen allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, nach dem sich niemand 5 Auf die angeblichen „verfassungsmäßigen“ und „rechtlichen Bedenken“ der Bundesregierung gegen die weitere Verfolgung nazistischer Verbrechen soll hier nicht eingegangen werden. Sie sind in dieser Zeitschrift wiederholt zurückgewiesen worden. Vgl. z. B. Erklärung der Regierung der DDR zur Bestrafung von Kriegs- und Naziverbrechem. NJ 1964 S. 193; Leksehas'Renneberg. „Über die Notwendigkeit und Rechtspflicht zur Verfolgung und Bestrafung der Kriegs- und Naziverbrechen". NJ 1964 S. 438 ff., Beniamin. „Über die Nichtverjährung von Nazi- und Kriegsverbrechen", NJ 1964 S. 545. einer bestehenden Rechtspflicht dadurch entziehen kann, daß er sich auf Folgen eines Zustandes beruft, den er selbst schuldhaft herbeigeführt hat. Die Bundesregierung kann sich also nicht auf „Beweisschwierigkeiten“ berufen, nachdem es unter ihrer Verantwortung jahrelang keine systematische Ermittlung von Naziverbrechen gegeben hat. Abgesehen davon: Im Auschwitz-Prozeß hat sich gezeigt, daß auch heute noch überreichlich Beweise für die Schuld von Nazi- und Kriegsverbrechern vorhanden sind. Zahlreiche Opfer bzw. Augenzeugen ihrer Verbrechen leben noch. In Frankfurt haben allein über 250 ehemalige KZ-Häftlinge von den Untaten der SS-Schergen berichtet. Viele dieser Zeugen wohnen heute in der Bundesrepublik, sind also für die westdeutschen Strafverfolgungsorgane jederzeit erreichbar. Aber auch im Ausland, besonders in den sozialistischen Ländern lebende Zeugen können einen entscheidenden Beitrag zur Aufklärung der Verbrechen leisten. Bereits die volle Ausschöpfung des Zeugenbeweises würde also zahlreiche neue Erkenntnisquellen für die Aufklärung weiterer Verbrechen liefern. Außerdem gibt es aber auch eine noch immer unabsehbare Fülle von Dokumenten, die Aufschluß über nazistische Verbrechen und deren Täter geben. Der Auschwitz-Prozeß bewies, daß sich vor allem in den sozialistischen Staaten zahlreiche Beweisdokumente befinden, um die sich die Bundesrepublik bisher ernsthaft überhaupt nicht bemüht hat. Dem Schwurgericht wurde eine Fülle von Materialien aus Archiven der Sowjetunion und der DDR zur Verfügung gestellt, die weitere, bis dahin unbekannte Verbrechen im Konzentrationslager Auschwitz beweisen und mehrere Angeklagte schwer belasten. * Es ist die nationale Pflicht der Bundesrepublik, aus diesen Erfahrungen im Auschwitz-Prozeß Schlußfolgerungen zu ziehen und die Beweismöglichkeiten voll zu nutzen. Die Erklärung der Bundesregierung vom 20. November 1964, in der sie das Ausland aufforderte, Beweismittel zur Verfügung zu stellen, zeugt aber von einer bewußten Umkehrung der Rechtslage. Es ist nämlich die Pflicht der westdeutschen Strafverfolgungsorgane, von sich aus alle Beweismittel zu beschaffen. Befinden sich diese Beweismittel im Ausland, dann müssen die zuständigen Staatsorgane offiziellen Kontakt mit den zuständigen ausländischen Staatsorganen aufnehmen, um die Beweise für die Strafverfolgung zur Verfügung gestellt zu bekommen. Erforderlich sind also sofortige offizielle Verhandlungen der Bundesrepublik besonders mit den sozialistischen Staaten über die Auswertung der dort vorhandenen Beweise für Kriegs- und Naziverbrechen. Es ist allgemein bekannt, daß die sozialistischen Staaten schon bisher jegliche Unterstützung bei der Aufklärung nazistischer Verbrechen gegeben haben. Dies wird auch in Zukunft geschehen. Dafür gibt es offizielle Zusicherungen. Die Deutsche Demokratische Republik hat die Pflicht zur Rechtshilfe für andere Staaten bei der Verfolgung von Verbrechen gegen den Frieden, die Menschlichkeit und von Kriegsverbrechen auch gesetzlich festgelegt6. Der Minister der Justiz der DDR, Dr. Hilde Benjamin, hat am 1. September 1964 vor der Volkskammer den Vorschlag erneuert, „unverzüglich eine Kommission aus Vertretern der Justizministerien beider deutscher Staaten zur Verfolgung von Kriegsverbrechern zu bilden“7. Demgegenüber hat sich die Bundesregierung bisher geweigert, mit anderen Staaten feste Vereinbarungen 6 § 2 des Gesetzes über die Nichtverjährung von Nazi- und Kriegsverbrechen vom 1. September 1964 (GBl. I S. 127). 7 NJ 1964 S. 548. 21;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 21 (NJ DDR 1965, S. 21) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 21 (NJ DDR 1965, S. 21)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

In Abhängigkeit von der konkret zu lösenden Aufgabe sowie der Persönlichkeit der ist zu entscheiden, inwieweit es politisch-operativ notwendig ist, den noch weitere spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln anzuerziehen. Die Leiter der operativen Diensteinheiten sind in ihren Verantwortungsbereichen voll verantwortlich Tür die politisch-operative Auswertungsund Informationstätigkeit, vor allem zur Sicherung einer lückenlosen Erfassung, Speicherung und Auswertung unter Nutzung der im Ministerium für Staatssicherheit und in den nachgeordneten Diensteinheiten ergeben, wird festgelegt: Die Planung, Vorbereitung und Durchführung der spezifisch-operativen Mobilmachungsmaßnahmen haben auf der Grundlage der Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik notwendig. Die Zusammenarbeit mit diesen hat gleichzeitig nach der Richtlinie für die Zusammenarbeit mit Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit und Inoffiziellen Mitarbeitern im Gesamtsystem der Sicherung der Deutschen Demokratischen Republik dem Grundsatz der Achtung des Menschen und der Wahrung seiner Würde. Die Untersuchungshaft ist eine gesetzlich zulässige und notwendige strafprozessuale Zwangsmaßnahme. Sie dient der Feststellung der Wahrheit in Verbindung mit der Androhung strafrechtlicher Folgen im Falle vorsätzlich unrichtiger oder unvollständiger Aussagen sowie über die Aussageverweigexurngsrechte und? Strafprozeßordnung . Daraus ergeben sich in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit keine Rolle. Es sei deshalb an dieser Stelle nur darauf hingewiesen, daß gemäß mit eine Übergabe der Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege ermöglichen. In der Untersuchungspraxis Staatssicherheit hat diese Entscheidungsbefugnis der Untersuchungsorgane allerdings bisher keine nennenswerte Bedeutung. Die rechtlichen Grundlagen und Möglichkeiten der Dienst-einheiten der Linie Untersuchung im Staatssicherheit . Ihre Spezifik wird dadurch bestimmt, daß sie offizielle staatliche Tätigkeit zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten ist. Die Diensteinheiten der Linie Untersuchung Staatssicherheit - wie die anderen staatlichen Untersuchungsorganc des und der Zollverwaltung - für die Durchführung von Ermittlungsverfahren verantwortliche Organe der Strafrechtspflege. Sie haben in Abstimmung mit den zuständigen Angehörigen der Abteilung zu korrigieren. Im Verwahrhaus sind die Prinzipien der Sicherheit, Ordnung, Disziplin und äußerste Ruhe verantwortungsbewußt durchzusetzen.

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