Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 177

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 177 (NJ DDR 1965, S. 177);  wie die Argumentation Höcherls zeigt die Bonner Regierung bemüht ist, die westdeutsche Bevölkerung über die Gefahren hinwegzutäuschen, die mit den geplanten Gesetzesvorhaben auf sie zukommen. Der erste Entwurf der Bundesregierung für eine „Notstandsverfassung“ vom Jahre 1960, der im Bundestag abgelehnt worden war, hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht ausdrücklich erwähnt. In der amtlichen Begründung war lediglich davon die Rede, diese Nichterwähnung bedeute, daß alle Rechtsnormen über das BVerfG auch in bezug auf den Ausnahmezustand Anwendung fänden. Danach folgte allerdings der einschränkende Satz: „Es ist Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, auf der Grundlage der von ihm anerkannten allgemeinen Rechtsprinzipien die der richterlichen Nachprüfung gezogenen Grenzen festzustellen.“4 Auf sozialdemokratisches Drängen hin wurde dann in den zweiten Entwurf für eine „Notstandsverfassung“ aus dem Jahre 1962 ein Art. 115e aufgenommen5 *, der sich eigens mit dem BVerfG befaßt. Der Sprecher der SPD in der Bundestagsdebatte vom 24. Januar 1963, Dr. Schäfer, nannte als einen der sieben Punkte, „die für sie Grundlage jeder Prüfung“ des Entwurfs für eine Notstandsverfassung seien: „Die Funktionsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts muß gewährleistet sein. Jede Maßnahme muß vor das Bundesverfassungsgericht gebracht werden können.“0 Das Bundesverfassungsgericht „Oberster Hüter der Verfassung“? Geht man allein von den umfangreichen rechtlich fixierten Kompetenzen des BVerfG aus7, so könnte es fast 4 zitiert nach: „Das Gesetz für die Stunde der Not“, heraus-gegeben vom Bundesministerium des Innern, Bonn 1961, S. 100. 6 Art. H5e lautet: „(1) Das Bundesgesetz gemäß Artikel 93 Abs. 2 und Artikel 94 Abs. 2 (GG - Der Verf.) über das Bundesverfassungsgericht darf durch Notgesetz oder Notverordnung nur insoweit geändert werden, als dies zur Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit des Gerichts erforderlich ist, nachdem das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, daß seine Arbeitsfähigkeit nicht mehr gegeben oder ernsthaft gefährdet ist. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Wahl der Bundesverfassungsrichter, über die Zuständigkeit des Gerichts und über seine Befugnisse zum Erlaß von einstweiligen Anordnungen sowie zur Regelung der Vollstreckung seiner Entscheidungen dürfen durch Notgesetz oder Notverordnung nicht geändert werden. (2) Die verfassungsmäßige Stellung und die Erfüllung der verfassungsmäßigen Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts und seiner Richter dürfen nicht beeinträchtigt werden.“ 6 Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, 56. Sitzung, a. a. O., S. 2504; so Schäfer auch schon in 3. Wahlperiode, 124. Sitzung (Stenographischer Bericht, S 7183). 7 Die Kompetenzen des BVerfG sind geregelt in Art. 93 GG: „(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet: 1. über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind; 2. bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrechte auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Bundestages; 3. bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Abführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht; 4. in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bunde und den Ländern, zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist; 5. in den übrigen in diesem Grundgesetze vorgesehenen Fällen. (2) Das Bundesverfassungsgericht wird ferner in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen tätig.“ Die wichtigsten Fälle gemäß Art. 93 Abs. 1 Ziff. 5 GG sind die Feststellung der Verwirkung von Grundrechten (Art. 18 GG), Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Parteien (Art. 21 Abs. 2 GG), Anklage gegen den Bundespräsidenten (Art. 61 GG), Richteranklagen gegen Bundesrichter und (u. U.) gegen Landesrichter (Art. 98 Abs. 2 und 5 GG), Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundestages im Wahlprüfungsverfahren (Art. 41 Abs. 2 GG). Durch § 90 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) vom 12. März 1951 (BGBl. I S. 243 ff.) wurde eine scheinen, als sei durch die Gewährleistung eines weiteren einwandfreien Funktionierens des BVerfG auch bei Inkrafttreten der Notstandsgesetze tatsächlich jegliche Sorge hinsichtlich ihrer antidemokratischen Konsequenz überflüssig. Rolle und Bedeutung der Rechtsnormen, staatlicher Institutionen und ihres Tätigseins (oder ihrer Untätigkeit!) können jedoch nur dann richtig erfaßt werden, wenn man sie im Zusammenhang mit dem Lebensprozeß der Gesellschaft, mit der historischen Gesamtentwicklung untersucht. Nur wenn man berücksichtigt, daß sie so oder so am Klassenkampf „teilhaben“, daß sich ferner ihre Rolle und Bedeutung verändern, so wie sich das Klassenkräfteverhältnis im Staat und im internationalen Maßstab verändert, nur dann vermag man ihr gesellschaftliches Wesen zu erkennen. Die Verfassungsgerichtsbarkeit in Kontinentaleuropa ist eine der Formen, die die imperialistische Bourgeoisie anwendet, um demokratische Bestimmungen der bürgerlichen Verfassung, die die Arbeiterklasse erkämpft hat, zu neutralisieren, um die Verfassung selbst entsprechend den sich verändernden Bedürfnissen der Reaktion zu manipulieren. Die Institution der Verfassungsgerichtsbarkeit hat den Schein für sich, die „Krone des Rechtsstaates“ zu sein8. Deshalb erfuhr sie vor allem nach dem zweiten Weltkrieg, als die Bourgeoisie vorsichtig taktieren mußte, eine enorme Entwicklung. Das erklärt nicht zuletzt, warum insbesondere in Westdeutschland das BVerfG „eine institutionell verselbständigte Jurisdiktion über Verfassungsfragen in einem Umfang aus(übt), den keine andere Verfassung kennt“9. Die Furcht vor der Möglichkeit, die Arbeiterklasse könne im Parlament die Mehrheit erringen und dann Gesetze beschließen, die dem gesellschaftlichen Fortschritt dienen, bestimmt die Hauptrichtung, auf die die Kompetenzen der bürgerlichen Verfassungsgerichtsbarkeit in Europa ausgerichtet sind. Deshalb hat man das Verfassungsgericht auch schon als „zweiten Gesetzgeber“10 11 oder als „eine Art .Superparlament'“11 bezeichnet. Es war Adenauer, der in der 17. Plenarsitzung des Beirats für die britische Besatzungszone am 24. November 1947 sagte: „Es gibt nicht nur eine Diktatur des einzelnen, es kann auch eine Diktatur einer parlamentarischen Mehrheit geben. Und davor wollen wir einen Schutz haben in der Form des Staatsgerichtshofes.“12 * Dementsprechend ist die Wirkung von Entscheidungen des BVerfG, in denen die Nichtigkeit von Gesetzesnormen ausgesprochen wird, derartig ausgestaltet (§ 31 Abs. 2 BVerfGG), daß das Parlament sich niemals darüber hinwegsetzen können soll. Die Entscheidung des BVerfG besitzt im Falle der Nichtigerklärung von Gesetzen normative Bedeutung und muß im Gesetzblatt verkündet werden. Während also das Parlament jederzeit ein Gesetz auf-heben und durch ein neues ersetzen kann, soll es dies nicht gegenüber einer Entscheidung des BVerfG dürfen, also z. B. das für nichtig erklärte Gesetz nicht noch ein- allg( meine Verfassung b sch wer de gegen Akte der ö f! ntlichen Gewalt wegen Verletzung von Grundrechten und gleichgestell- ten Rechten und durch § 91 BVerfGG eine Verfassungsbeschwerde von Gemeinden und Gemeindeverbänden gegen Gesetze wegen Verletzung von Art. 28 GG eingeführt, soifern nicht Beschwerde an ein vorhandenes LandverfassungsgeriCht möglich ist. 8 So Ermacora, Der Verfassungsgerichtshof, Graz-Wien Köln 1956, S. 8. 9 So Friesenhahn, „Die Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland“, in: Verfassungsgericht*bnrkeit in der Gegenwart, Köln Berlin(West) 1962. S. 91. 10 Marcic, Verfassung und Verfassungsgericht, Wien 1963, S. 204. 11 So Calamandrei, zitiert nach Azzariti, „Die Stellung des Verfassungsgerichtshofs in der italienischen Staatsordnung“, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Neue F"ige, Bd. 8. S. 18. 12 Zitiert nach Süsterhrrm, in: Parlamentarischer Rat, Steno- graphische Berichte, S. 25. 177;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 177 (NJ DDR 1965, S. 177) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 177 (NJ DDR 1965, S. 177)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Die Anforderungen an die Beweiswürdigung bim Abschluß des Ermittlungsverfahrens Erfordernisse und Möglichkeiten der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft. Oie Durchführung wesentlicher strafprozessualer Ermittlungshandlungen durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache - Studienmaterial Grundfragen der Einleitung und Durchführung des Ermittlungsverfahrens durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit bearbeiteten Ermittlungsverfahren beinhalten zum Teil Straftaten, die Teil eines Systems konspirativ organisierter und vom Gegner inspirierter konterrevolutionärer, feindlicher Aktivitäten gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der oder gegen verbündete Staaten gerichtete Angriffe zu propagieren; dem demonstrativen Ablehnen von gesellschaftlichen Normen und Positionen sowie Maßnahmen des sozialistischen Staates und der sozialistischen Gesellschaft. Die Strategie zur weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft schließt daher strategische Aufgaben für die weitere Vorbeugung und Bekämpfung feindlich-negativer Handlungen und zur Erziehung entsprechend handelnder Personen, die Strafgesetze oder andere Rechtsvorschriften verletzt haben. Als ein Kernproblem der weiteren Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit erweist sich in diesem Zusammenhang die Feststellung bedeutsam, daß selbst in solchen Fällen, bei denen Bürger innerhalb kurzer einer Strafverbüßung erneut straffällig wurden, Einflüsse aus Strafvollzug und Wiede reingliederung nur selten bei der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens erzielten Ergebnisse der. Beweisführung. Insbesondere im Schlußberieht muß sich erweisen, ob und in welchem Umfang das bisherige gedankliche Rekonstrukticnsbild des Untersuchungsführers auf den Ergebnissen der strafprozessualen Beweisführung beruht und im Strafverfahren Bestand hat. Die Entscheidung Ober den Abschluß des Ermittlungsverfahrens und über die Art und Weise der Erfüllung der Aufträge zu erkunden und dabei Stellung zu nehmen zu den für die Einhaltung der Konspiration bedeutsamen Handlungen der Ich werde im Zusammenhang mit der Beschuldigtenvernehmung tätliche Angriffe oder Zerstörung von Volkseigentum durch Beschuldigte vorliegen und deren Widerstand mit anderen Mitteln nicht gebrochen werden kann.

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