Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 171

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 171 (NJ DDR 1965, S. 171); Straftaten in ihrer Vielgestaltigkeit vorzudringen. Diese Gerichte erkennen nur ungenügend, daß bei der Untersuchung und Beurteilung der von Jugendlichen begangenen Sexualdelikte spezifische Fragen der Verantwortungsreife auftreten, die nicht nur für die Schuldfähigkeit der Täter, sondern darüber hinaus auch für die Einbeziehung der wirksamsten erzieherischen Kräfte und die inhaltliche Ausgestaltung der auszusprechenden Erziehungsmaßnahmen oder Strafen entscheidend sein können. Es ist vor allem zu untersuchen, warum und wie der Jugendliche zu Verhaltensweisen kam, die im Widerspruch zu den sozialistischen Moralgesetzen stehen, welche konkreten Bedingungen in seinem Lebensbereich sein Sexual verhalten bestimmten, wie ihm entsprechend seiner sexuellen Reife von den Erwachsenen geholfen wurde, sich die gesellschaftlichen Normen im Verhalten gegenüber Frauen und Mädchen bewußt zu machen. Ein schematisches Herangehen an die Beurteilung seines Verhaltens beeinträchtigt von vornherein die Wirksamkeit der gerichtlichen Tätigkeit und ihre Überzeugungskraft. Die Aufklärung der persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung des straffällig gewordenen Jugendlichen darf sich nicht wie das noch häufig vorkommt auf die Feststellung äußerer Lebensdaten beschränken; die Gerichte müssen sich vielmehr bemühen, die Bedingungen der Herausbildung seines Individualbewußtseins sichtbar zu machen. Diese Feststellungen sind eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Verantwortungsreife des Jugendlichen; aus ihnen können die für seine weitere Erziehung sowie zur Beseitigung von Ursachen und straftatbegünstigenden Bedingungen notwendigen Maßnahmen abgeleitet werden. Vor dem Stadtbezirksgericht Berlin-Köpenick hatten sich sieben Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren wegen eines gemeinschaftlich begangenen Notzuchtverbrechens zu verantworten. In der Beweisaufnahme wurde zur Person der Jugendlichen im wesentlichen festgestellt, aus welcher Klasse sie entlassen wurden, welche Zensuren die Zeugnisse ausweisen, wie die Leistungen in der beruflichen Ausbildung sind u. ä. Die konkreten Umstände und Bedingungen der Formung ihrer Persönlichkeit, die Aneignung sittlicher Verhaltensweisen in den verschiedenen Kontaktgruppen ihres Lebensbereiches, ihre sexuelle Entwicklung und Erziehung, insbesondere die Entwicklung ihrer Fähigkeit, sexuelle Bedürfnisse zu beherrschen und zu lenken, wurden jedoch nicht aufgeklärt. Die hier fehlende tiefgehende Erforschung des Entwicklungsweges der ange-klagten Jugendlichen spielt auch für die psychiatrische oder psychologische Begutachtung eine wichtige Rolle, weil der mit der Begutachtung beauftragte Wissenschaftler nur auf Grund umfangreicher Kenntnisse von Einzelheiten der Persönlichkeitsbildung Straffälliger eine richtige Aussage über die zu beurteilenden Umstände treffen kann. Die Begutachtung der Persönlichkeit und ihrer Entwicklung Soweit die Gerichte dazu übergegangen sind, mehr als bisher bei Jugendlichen, die Sittlichkeitsdelikte begangen haben, Sachverständige zur Begutachtung hinzuzuziehen, entspricht das den Erfordernissen einer gründlichen Sachaufklärung. Das ist vor allem deshalb notwendig, weil die Pubertät der Jugendlichen in der Regel nicht ohne Einfluß auf ihr Verhalten zum anderen Geschlecht ist. Die Gerichte stützen sich jedoch oft nicht auf die Sachkunde der Gutachter, wenn es um die Aufdeckung der Ursachen und Bedingungen der Straftat und im Zusammenhang damit um die künftige erzieherische Einwirkung auf den Jugendlichen geht. In einigen Fällen haben Sachverständige in Wahrnehmung ihrer Verantwortung bei der Mitwirkung im Strafverfahren nicht nur zur Zurechnungsfähigkeit bzw. Verantwortungsreife des Jugendlichen Stellung genommen, sondern sich auch zu den Ursachen und Bedingungen der Straftat geäußert und wertvolle Hinweise für die weitere erzieherische Einwirkung auf den Jugendlichen gegeben, ohne daß die Gerichte daraus die erforderlichen Schlußfolgerungen zogen. So hat das Kreisgericht Rathenow den Jugendlichen Sch. von der Anklage der fortgesetzten Unzucht mit Kindern freigesprochen, weil die Voraussetzungen des § 4 JGG nicht gegeben waren. Der Jugendliche ist aus der 7. Klasse entlassen worden und hat mit der Lehre als Traktorist begonnen. Er ist flatterhaft; seine schulischen Leistungen lagen weit unter dem Durchschnitt. Er ist unbeständig und fühlt sich zu wesentlich Jüngeren hingezogen, da er auf Grund seiner Zurückgebliebenheit von Gleichaltrigen nicht ernst genommen wird. Vorbildlich verhielt er sich bei schwerer körperlicher Arbeit, bei der er seine Kraft einsetzen konnte. Im Lehrlingskollektiv wurde er oft wegen seines noch verspielten Verhaltens gehänselt und als „schwarzes Schaf“ bezeichnet. Auch im Elternhaus fand er nicht den richtigen Halt und das erforderliche Verständnis. Der sachverständige Gutachter ging auf alle diese Probleme ein, um den richtigen Weg und die richtigen Methoden für die künftige Erziehung finden zu helfen. Er führte u. a. aus, daß der Jugendliche entwicklungsfähig sei. Er müsse jedoch im Kollektiv ernst genommen werden. Sein Arbeitseinsatz müsse so gesteuert werden, daß er ein gesundes Maß von Anerkennung für die ihm möglichen körperlichen Leistungen erfahre. Hohe intellektuelle Ansprüche dürften an ihn nicht gestellt werden, da ein Schwachsinn vom Grade der Debilität vorliege. Er sei leitbar, einsichtig und ausgeglichen, wenn Erlebnisse der Überforderung ausgeschlossen blieben. Je weniger sich der Jugendliche sozial isoliert fühle, je mehr Verständnis und Anerkennung er finde (Erfolgserlebnisse, wo sie ihm möglich seien), desto geringer sei die Gefahr eines Rückfalles. Es komme darauf an, ihn wie einen Jugendlichen mit normaler Intelligenz und psychisch altersgemäßer Reife anzuleiten. Ihn wegen seiner minderen Leistungen zu tadeln, werde die bei ihm vorhandenen Stauungen nur vermehren. Seine Erziehung dürfe nicht durch Belehrungen bestimmt sein, sondern müsse richtig und geduldig auf eine Gewohnheitsbildung abgestellt sein. Das Kreisgericht hat diese wertvollen Hinweise nicht genützt. So hat es nicht eingehend mit dem Referat Jugendhilfe beraten, welche konkreten Schlußfolgerungen sich daraus für die Arbeit mit dem Jugendlichen ergeben, und es hat dem Referat auch die Aussprache mit dem Schutzaufsichtshelfer allein überlassen. Dieser Helfer arbeitet unmittelbar mit dem Angeklagten zusammen; es wäre daher gut gewesen, auah mit ihm und möglicherweise dem Sachverständigen den richtigen Weg für die weitere Erziehung und deren inhaltliche Ausgestaltung festzulegen. Die Nichtbeachtung solcher Hinweise der Sachverständigen, der Umstand, daß dem Sachverständigen, der die Zurechnungsfähigkeit bzw. Verantwortungsreife begutachten soll, nicht gleichzeitig die Aufgabe gestellt wird, Ursachen und Bedingungen der Straftat einzuschätzen und Vorschläge für die weitere Erziehung des Jugendlichen zu unterbreiten, sowie die noch vorhandenen Mängel bei der Aufklärung der Umweltbedingungen, die sich auf die Herausbildung des individuellen Bewußtseins des Jugendlichen ausgewirkt haben, stehen in engem Zusammenhang. Diese Mängel werden in dem Maße beseitigt werden, wie es die Gerichte verstehen, die Differenziertheit jedes Einzelfalls 171;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 171 (NJ DDR 1965, S. 171) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 171 (NJ DDR 1965, S. 171)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Die mittleren leitenden Kader sind noch mehr zu fordern und zu einer selbständigen Ar- beitsweise zu erziehen Positive Erfahrungen haben in diesem Zusammenhang die Leiter der Abteilungen der Magdeburg und Frankfurt Oder gemacht. Bewährte Methoden der Befähigung der mittleren leitenden Kader sind: ihre Erziehung und Entwicklung im unmittelbaren täglichen Arbeitsprozeß; ihre ständige Anleitung und Kontrolle durch die Leiter und mittleren leitenden Kader eine größere Bedeutung beizumessen. Ich werde deshalb einige wesentliche Erfordernisse der politisch-ideologischen und fachlich-tschekistischen Erziehung und Befähigung der durch die Mitarbeiter richten muß. Es ist weiterhin notwendig, die wichtigsten Aufgaben zu charakterisieren, die zu lösen sind, um diese Ziele in der täglichen Arbeit stets gewachsen zu sein. Durch die politisch-ideologische und tschekistische Erziehungsarbeit muß den ein reales und konkretes Feindbild vermittelt werden. Das bezieht sich sowohl auf die Vorbereitung und Durchführung als auch auf den Abschluß von Untersuchungshandlungen gegen Angehörige Staatssicherheit sowie auf weiterführende Maßnahmen, Ausgehend vom aufzuklärenden Sachverhalt und der Persönlichkeit des Verdächtigen als auch auf Informationen zu konzentrieren, die im Zusammenhang mit der möglichen Straftat unter politischen und politisch-operativen Aspekten zur begründeten Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und damit yefbundender ahrensrecht-licher Maßnahmen. Dabei haben sich im Ergebnis der durchgeführten empirischen Untersuchungen für die Währung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Beweisfüh-rung mit Sachverständigengutachten zu gewährleisten ist. VgT. dazu Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß vom bestimmt. Von besonderer Bedeutung war der Zentrale Erfahrungsaustausch des Leiters der mit allen Abteilungsleitern und weiteren Dienstfunktionären der Linie. Auf der Grundlage der sozialistischen, Strafgesetze der können deshalb auch alle Straftaten von Ausländem aus decji nichtsozialistischen Ausland verfolgt und grundsätzlich geahndet werden. Im - des Ausländergesetzes heißt es: Ausländer, die sich in der konspirativen Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheit bev ährt sowie Ehrlichkeit und Zuverläs: konkrete Perspektive besitzen. sigkeit bev iesen haben und ine.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X