Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 164

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 164 (NJ DDR 1965, S. 164); GERHARD FRIEDRICH und LOTHAR WELZEL, Staatsanwälte beim Generalstaatsanwalt der DDR über die Rechtsmittelpraxis der Staatsanwaltschaft Entsprechend dem Arbeitsplan des Generalstaatsanwalts der DDR analysierten wir die Rechtsmitteltätigkeit des Staatsanwalts, um zu erreichen, daß sie als Leitungsinstrument genutzt und die häufig bürokratische, nur korrigierende Behandlung von Einzelfällen überwunden wird. Zur Lösung der Aufgabe wurde die Rechtsmitteltätigkeit der Strafabteilungen des Generalstaatsanwalts der DDR sowie einiger Staatsanwälte der Bezirke unter Beachtung der Tätigkeit der entsprechenden Senate des Obersten Gerichts der DDR sowie der entsprechenden Bezirksgerichte untersucht. Selbstverständlich gestattet die Analyse allein nicht, die Tätigkeit der Rechtspflegeorgane einzuschätzen, da der Anteil der Rechtsmittel an der Gesamtzahl der in erster Instanz getroffenen Entscheidungen relativ niedrig ist1. Zur bisherigen Rechtsmittelpraxis Die Gerichte und die Staatsanwälte sind bemüht, die Qualität der Rechtsmitteltätigkeit zu erhöhen. Sie achten und orientieren besonders auf eine allseitige Aufklärung der Tat und der Täterpersönlichkeit, eine verstärkte Einbeziehung der Werktätigen in das Rechtsmittelverfahren, die Aufdeckung der Ursachen und begünstigenden Bedingungen der Straftat und die Herausarbeitung des konkreten Zusammenhanges der Straftat mit der gesellschaftlichen Praxis. Die Ergebnisse der Untersuchung sowie die zentrale Rechtsmittelstatistik, insbesondere der beträchtliche Anteil der erfolgreichen Rechtsmittel machen andererseits jedoch deutlich, daß es noch nicht genügend gelungen ist, die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung durch alle Rechtspflegeorgane zu gewährleisten. In mehr als der Hälfte aller Rechtsmittelsachen hob das Rechtsmittelgericht das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück oder änderte das Urteil im Wege der Selbstentscheidung ab. Bei den gegen Strafurteile eingelegten Rechtsmitteln handelt es sich größtenteils um Berufungen; Proteste machen nur etwa 20 Prozent aller Rechtsmittelsachen aus. Den fehlerhaften erstinstanzlichen Entscheidungen, die auf Grund von Berufungen korrigiert wurden, lagen jedoch überwiegend gleichartige Anträge der Staatsanwälte zugrunde. Die in den erfolgreichen Rechtsmitteln enthaltene begründete Kritik an der Entscheidungspraxis der Rechtspflegeorgane muß deshalb nicht nur die Gerichte, sondern auch die Staatsanwälte veranlassen, ihre Tätigkeit im Strafverfahren weiter zu vervollkommnen. Dabei ist zu beachten, daß in den Berufungen am häufigsten die ungenügende Aufklärung des Sachverhalts2 und eine nach Art und Höhe unrichtige Strafe (§ 280 Ziff. 1 und 4 StPO) gerügt wurden, wobei sich die Mängel bei der umfassenden Erforschung des Sachverhalts regelmäßig vom Ermittlungsverfahren, über das der Staatsanwalt die Aufsicht auszuüben, hat, bis zur Durchführung der Hauptverhandlung erstreckten. Seltener wird die Verletzung der Vorschriften des 1 Vgl. hierzu Neumann. „Zur anleitenden Tätigkeit des Bezirksgerichts in Strafsachen“. NJ 1963 S. 737, der von einem lOprozentigen Anteil der Rechtsmittel an der Gesamtzahl der in erster Instanz von den Kreisgerichten getroftenen Entscheidungen spricht. 2 Vgl. dazu auch PeCkermann/Lehmann. „Probleme der Rechtsprechung bei der Bekämpfung der Kriminalität im Bereich des Binnenhandels“, NJ 1964 S. 679 it. Gerichtsverfahrens bzw. des Strafgesetzes durch Nichtanwendung oder unrichtige Anwendung gerügt. Die schon im ersten Rechtspflegebeschluß des Staatsrates enthaltene Forderung, gründlich alle objektiven Umstände und Folgen der Straftat, die Persönlichkeit des Täters, seine Entwicklung, seinen Bewußtseinsstand und sein gesellschaftliches Verhalten zu untersuchen3 4, wird noch nicht ständig von allen Rechtspflegeorganen beachtet. Selbst die Erscheinung, in erster Linie belastende Umstände zu ermitteln und zu würdigen, ist noch nicht restlos überwunden*. Eine beträchtliche Anzahl der eine Strafe ohne Freiheitsentzug anstrebenden Rechtsmittel war erfolgreich. Bei der Untersuchung der Rechtsmitteltätigkeit trat aber auch andererseits eine ungerechtfertigte Überbetonung einzelner Faktoren in Erscheinung, die zu Entscheidungen führten, welche der Sicherung der staatlichen und gesellschaftlichen Interessen nicht entsprachen. So zeichnete sich ein ernster Mangel insbesondere in der unzureichenden Würdigung der Gefährlichkeit von Angriffen auf die Staatsgrenze der DDR ab. Eine Reihe erstinstanzlicher Verfahren wurde nicht wirksam genug gestaltet; in den Entscheidungen wurde die konkrete Gefahr derartiger Straftaten nicht exakt bestimmt. Durch die nicht allseitige Beachtung aller Umstände der Tat und der Täterpersönlichkeit, durch eine Überbewertung einzelner, insbesondere in der Person der Rechtsverletzer liegender Faktoren kam es zu unzureichend differenzierten Entscheidungen. Generell kann eingeschätzt werden, daß sich Staatsanwalt und Gericht noch unzureichend mit Spezialisten beraten. Dadurch nehmen sie sich die Möglichkeit, gesellschaftlich maximal wirksame Entscheidungen zu treffen und mit ihren spezifischen Mitteln (besonders Protest und Gerichtskritik) einen Beitrag zur Ausräumung der verbrechensbegünstigenden Umstände zu leisten5 6. Die wesentlichste Ursache für die noch nicht befriedigende Tätigkeit der Rechtspflegeorgane ist u. E. die ungenügende Durchdringung der Grundsätze und des Inhalts des Rechtspflegeerlasses des Staatsrates. Noch nicht alle Mitarbeiter haben begriffen, daß die Durchsetzung der Beschlüsse von Partei und Staatsführung auf dem Gebiet der Rechtspflege einen entschiedenen Bruch mit der althergebrachten, routinemäßigen, nur den Einzelfall sehenden Arbeitsweise erfordert”. Die Überbewertung örtlicher Besonderheiten, die noch nicht völlig überwundene „Schwerpunktideologie“, überholte Richtlinien des Obersten Gerichts (z. B. die erst im Mai 1964 aufgehobene Richtlinie Nr. 12) bzw. dogmatisch ausgelegte Beschlüsse (z. B. Gewaltverbrechensbeschluß des OG) sowie eine von den zentralen Justizorganen ausgehende, nicht stets genügend fundierte Anleitung (z. B. auf dem Gebiet der Rückfallkriminalität) trugen mit dazu bei, daß unser sozialistisches Recht nicht immer entsprechend dem erreichten Entwicklungsstand unserer Gesellschaft angewandt wurde7. 3 Vgl. „Über die weitere Entwicklung der sozialistischen Rechtspflege in der DDR“, NJ 1961 S. 74. 4 vgl. hierzu auch Etzold/Wittenbeek, „Die Aufgaben des Gerichts bei der Beweisführung im Strafprozeß“, NJ 19G5 S. 37 ff. 5 vgl. auch Ebert/Burbott, „Bekämpfung von Gesetzesverletzungen, die im Zusammenhang mit Straftaten stehen“, NJ 1964 S. 421 ff.; Geister,Berndt, „Stärkere Wirksamkeit der Gerichtskritik“, NJ 1964 S. 684 ff.; Schröder, „Die Gerichtskritik im Strafverfahren“, NJ 1964 S. 292 ff. 6 Vgl. Streit, „Denken und vorwärtsschreiten!“, NJ 1965 S. 1 f. 7 vgl. auch Toeplitz, „Größere Wirksamkeit der gerichtlichen Verfahren“, NJ 1964 S. 321. 164;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den Versuchen des Personenzusammenschlusses gegen das Wirken Staatssicherheit galt es,den Prozeß der Gewinnung von Informationen und der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes unter Nutzung aller Möglichkeiten der Linie und der Zollverwaltung bestehen. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Siche rung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Der Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rück Verbindungen durch den Einsatz der GMS. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rah- inen der Absicherung des Reise-, Besucherund Trans tverkehrs. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Absicherung des Reise-, Besucherund Transitverkehrs. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Siche rung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Der Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen im Rahmen der gesamten politisch-operativen Arbeit zur Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin sowie gegen die Tätigkeit der Staatsorgane, insbesondere in bezug auf die Bearbeitungspraxis von Übersiedlungsersuchen und die Genehmigung von Reisen in das nichtsozialistische Ausland bestünden. Diese Haltungen führten bei einer Reihe der untersuchten Bürger mit zur spätereri Herausbildung und Verfestigung einer feindlich-negativen Einstellung zu den verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der anzugreifen oder gegen sie aufzuwiegeln. Die staatsfeindliche hetzerische Äußerung kann durch Schrift Zeichen, bildliche oder symbolische Darstellung erfolgen.

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