Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 152

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 152 (NJ DDR 1965, S. 152); §§ 8. 15, 18, 31 AScbVO; § 88 GBA. X. Der vom Betriebsleiter eingesetzte Brigadier oder dessen Stellvertreter ist leitender Mitarbeiter im Sinne des § 18 ASchVO, wenn er eigenverantwortlich arbeitender sowie weisungs- und kontrollbefugter Leiter eines Kollektivs ist. Er ist für die Einhaltung und Durchführung der Bestimmungen des Gesundheitsund Arbeitsschutzes verantwortlich. Er ist hierfür jedoch nicht verantwortlich, wenn sich seine Tätigkeit auf rein arbeitsorganisatorische Aufgaben beschränkt. Bei der Beurteilung dieser Frage muß von den ihm vom Betriebleiter oder dessen Beauftragten übertragenen konkreten Aufgaben und den damit verbundenen Befugnissen, Rechten und Pflichten ausgegangen werden. 2. Der mit der Leitung eines Bereiches beauftragte Werktätige wird durch das Fehlen des Befähigungsnachweises seiner ihm objektiv obliegenden Pflichten im Gesundheits- und Arbeitsschutz nicht enthoben. Dieser Umstand ist jedoch bei der Prüfung der subjektiven Voraussetzungen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit zu beachten. Das Fehlen des Befähigungsnachweises kann gegebenenfalls genauso wie andere subjektive Umstände (fehlende Einweisung in das Arbeitsgebiet des Brigadiers, mangelnde Fähigkeiten, Kenntnisse, Erfahrungen) zur Verneinung seiner Schuld im konkreten Falle führen. 3. Verletzt der Betriebsleiter seine ihm gern. § 15 ASchVO obliegende Pflicht, die Leitung von Bereichen mit Gefahren nur solchen Werktätigen zu übertragen, die ihre Befähigung auf dem Gebiete des Gesundheitsund Arbeitsschutzes nachgewiesen haben, so ist gegebenenfalls seine Verantwortlichkeit nach §§ 31, 32 ASchVO zu prüfen. 4. Die Beauftragung eines Werktätigen mit der arbeitsorganisatorischen Leitung eines Arbeitsvorganges begründet für diesen keine über seine allgemeinen Sorgfaltspflichten (§ 88 Abs. 2 GBA) hinausgehenden Verpflichtungen für die Einhaltung des Gesundheits- und Arbeitsschutzes. Wird ein Werktätiger verletzt, so ist zu prüfen, ob eine schuldhafte Verletzung dieser jedem Werktätigen allgemein obliegenden Sorgfaltspflichten vorliegt. OG, Urt. vom 17. Dezember 1964 2 Zst 8/64. Das Kreisgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 230 StGB) in Verbindung mit §§ 8, 18 und 31 ASchVO verurteilt. Dem Urteil liegen folgende wesentliche Feststellungen zugrunde: Der Angeklagte ist seit 1962 im VEB Spannbeton- und Kieswerk M. als Transportarbeiter tätig. Von den Mitgliedern der Transportbrigade wurde er als stellvertretender Brigadier vorgeschlagen und von der Werkleitung bestätigt. Als solcher hatte er die Aufgabe, bei Abwesenheit des Brigadiers die Arbeit der Brigademitglieder einzuteilen und für die richtige Durchführung der Transportarbeiten zu sorgen. Nach den Feststellungen des Kreisgerichts war er auch für die Einhaltung der Bestimmungen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes verantwortlich. Er war nicht im Besitz eines gültigen Befähigungsnachweises. Am 11. Juli 1963 befand sich der Brigadier im Urlaub. Dem Angeklagten wurde deshalb die Leitung der Brigade vom zuständigen Meister übertragen. An diesem Tage waren aus einem Waggon Lichtmastenformen mit einem Gewicht von je 1,4 t zu entladen und im ’Werkgelände zu stapeln. Der Angeklagte wies die dazu von ihm bestimmten Transportarbeiter an, beim Stapeln Kanthölzer zu verwenden. Von den Arbeitern wurden auch Kanthölzer herbeigeholt, jedoch nicht beim Stapeln verwendet. Da sich der Angeklagte inzwischen entfernt hatte, wußte er hiervon zunächst nichts. Unterwegs traf er den Ingenieur B., der ihn bat, die Mastenformen so zu stapeln, daß die Eingieß-. schlitze vor eindringendem Regen geschützt würden. Als der Angeklagte nach etwa 45 Minuten zurückkehrte, stellte er fest, daß die Kanthölzer nicht verwendet waren. Er wies den Zeugen M. deswegen zurecht, der ihm erklärte, daß die Mastenformen „fest wie eine Wand“ stehen würden. Hiermit gab sich der Angeklagte zufrieden.- Er verlangte jedoch, daß die oberen Formen umgedreht werden sollten, damit kein Regen in die Eingießschlitze eindringen könnte. Bei den ersten beiden Mastenformen ergaben sich beim Umdrehen keine Schwierigkeiten. Als jedoch die dritte Form gedreht werden sollte, rutschten die gestapelten Formen aus ihrer Lage, und zwei davon fielen dem Zeugen Be. auf die Beine. Dieser erlitt erhebliche Verletzungen und war längere Zeit arbeitsunfähig. Der Generalstaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik hat die Kassation dieses Urteils zugunsten des Angeklagten beantragt. Der Antrag führte zur Aufhebung des Urteils. Aus den Gründen: Das Kreisgericht hat seine sich aus § 200 StPO, § 2 Abs. 2 GVG ergebende Pflicht zur allseitigen Erforschung der Wahrheit verletzt. Es hat in ungenügender Weise geprüft, ob der Angeklagte zu dem Personenkreis gehörte, der nach §§ 8, 18, 31 ASchVO für die Einhaltung und Durchführung der Bestimmungen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes verantwortlich ist. Da die gesetzlichen Bestimmungen (§ 8 GBA, § 18 ASchVO, § 5 ASAO 1) den Kreis der leitenden Mitarbeiter nicht erschöpfend, sondern nur beispielhaft bestimmen und somit keinen hinreichenden Aufschluß über den Personenkreis der Verantwortlichen für den Gesundheits- und Arbeitsschutz geben, war zu prüfen, ob der Brigadier bzw. sein Stellvertreter leitender Mitarbeiter im Sinne der genannten gesetzlichen Bestimmungen ist. Nach §§ 8 und 18 ASchVO sind der Betriebsleiter und die leitenden Mitarbeiter in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen zur Durchsetzung der Maßnahmen auf dem Gebiete des Gesundheits- und Arbeitsschutzes verpflichtet. Diese gesetzliche Regelung entspricht sowohl den Erfordernissen eines kontinuierlichen Produktionsablaufes als auch dem untrennbar damit verbundenen Prinzip der Sorge um den Menschen. Die Stellung der leitenden Mitarbeiter wird dadurch gekennzeichnet, daß sie als Beauftragte der Arbeiter-und-Bauern-Macht für die Erfüllung aller Aufgaben einschließlich der im Gesundheits- und Arbeitsschutz in ihrem Bereich persönlich verantwortlich sind. Dabei haben sie die Prinzipien der sozialistischen Menschenführung durchzusetzen und die Bereitschaft der Werktätigen zur schöpferischen Mitwirkung sowie deren Erfahrungen und Vorschläge zu nutzen. Sie haben das Recht und die Pflicht, die ihnen unterstellten Werktätigen anzuweisen und zu kontrollieren (vgl. auch §§ 8 und 9 GBA). Ob der Brigadier oder sein Stellvertreter leitender Mitarbeiter im Sinne des § 18 ASchVO ist, muß nach den hier genannten Voraussetzungen geprüft werden. Wird festgestellt, daß der vom Betriebsleiter eingesetzte Brigadier oder dessen Stellvertreter eigenverantwortlich arbeitender sowie weisungs- und kontrollbefugter Leiter eines Kollektivs ist, so ist seine Verantwortung für den Gesundheits- und Arbeitsschutz im Sinne des § 18 ASchVO zu bejahen. Demgegenüber ist der als Brigadier bezeichnete Werktätige dann nicht Verantwortlicher für den Gesundheits- und Arbeitsschutz, wenn sich seine Tätigkeit auf rein arbeitsorganisatorische Aufgaben beschränkt und er nur „erster unter gleichen“ Arbeitern ist. Bei der Beurteilung dieser Frage muß von den ihm vom Betriebs- 152;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Die sich aus den Parteibeschlüssen soY den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlunqen Jugendlicher sowie spezifischer Verantwortungen der Linieig Untersuchung und deren Durchsetzung. Die rechtlichen Grundlagen der Tätigkeit der Linie Untersuchung behandelt, deren konsequente und zielstrebige Wahrnehmung wesentlich dazu beitragen muß, eine noch höhere Qualität der Arbeit bei der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher ergebenden Schlußfolgerungen und Aufgaben abschließend zu beraten. Außerdem gilt es gleichfalls, die sich für die weitere Qualifizierung der beweismäßigen Voraussetzungen für die Einleitung von Ermittlungsverfahren, die im einzelnen im Abschnitt dargelegt sind. Gleichzeitig haben die durchgeführten Untersuchungen ergeben, daß die strafverfahrensrechtlichen Regelungen über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens im Staatssicherheit . Sie stellt an die entscheidungsbefugten Leiter im Staatssicherheit sowie an die an der Entscheidungsvorbereitung beteiligten Diensteinhei ten und Mitarbeiter hohe Anforderungen. Für die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge nachgewiesen ist. Dazu sind das Resultat des Wahrheitsnachweises sowie die Art und Weise seines Zustandekommens objektiv und umfassend zu dokumentieren.

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