Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 136

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 136 (NJ DDR 1965, S. 136); In diesem Verfahren wurde von keinem der beteiligten Organe die Frage aufgeworfen, ob hier nicht Arbeitsschutzanordnungen verletzt worden sind und nicht sogar eine konkrete Gefahr für die Werktätigen in diesem Betrieb herbeigeführt worden war. Verantwortlich für die Herbeiführung der Gefahr gern. § 31 ASchVO wäre allerdings nicht der Arbeiter gewesen, auf den sich die Ermittlungen konzentrierten. Eine weitere Gruppe von Fällen, in denen eine konkrete Gefahr herbeigeführt worden ist, umfaßt diejenigen, in denen zwar Personen- und Sachschäden zu verzeichnen sind, jedoch nicht nachgewiesen werden kann, daß die Pflichtverletzungen im Arbeitsschutz kausal für die Folgen waren16. Folgendes Beispiel verdeutlicht dies: In einer Blechwarenfabrik traten bei 14 Frauen, die in der Umgebung eines gasbeheizten Durchlauftrockenofens arbeiteten, akute Vergiftungserscheinungen auf. Die sich im Trockenofen bildenden Abgase und die Lösungsmitteldämpfe wurden durch ein Abzugsrohr ins Freie geleitet. Als die Arbeiterinnen an dem fraglichen Tag einen unangenehmen Geruch feststellten, benachrichtigten sie den Sicherheitsbeauftragten des Betriebes. Dieser untersuchte die Gasleitung, fand aber keine schadhafte Stelle. Er wurde dann noch mehrmals auf die schlechte Luft hingewiesen, unternahm jedoch nichts. Erst als einige Arbeiterinnen ins Krankenhaus gebracht werden mußten, wurde die Anlage abgestellt. Das Krankenhaus wurde nicht über die Vergiftungsmöglichkeiten informiert. Deshalb wurde auch nicht geprüft, ob eine CO-Vergiftung vorlag. Das Abzugsrohr war entgegen der ASAO 614 niemals gereinigt worden. Bei den Untersuchungen wurde nicht festgestellt, ob das Rohr durch die verschiedenen Rückstände ganz oder nur teilweise versetzt war. Es wurde auch nicht beachtet, daß der automatische Temperaturregler an diesem Tag ausgefallen war. Diese Feststellung wurde erst in der Verhandlung vor dem Bezirksgericht getroffen. Durch den Ausfall des Temperaturreglers war der Ofen stark überheizt worden. Dadurch konnte die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, daß sich verstärkt Lösungsmitteldämpfe entwickelt hatten, die auch beim ordnungsgemäßen Funktionieren der Absaugleitung nicht hätten abgeführt werden können. Für den Ausfall des Temperaturreglers war aber keiner der Betriebsfunktionäre verantwortlich. Verantwortlich gemacht werden mußten der Produktionsleiter und der Sicherheitsbeauftragte gern. § 31 ASchVO, weil sie es entgegen der ASAO 614 unterlassen hatten, für die ständige Reinigung des Abzugsrohres zu sorgen, so daß die Möglichkeit des Eindringens von Rauchgasen entstand, was zu einer konkreten Gefahr für die dort Beschäftigten führte. Eine Verantwortlichkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung konnte dagegen nicht festgestellt werden, da wegen der Mängel in der Untersuchung nicht mehr zu ermitteln war, welche Ursachen zu den Vergiftungserscheinungen geführt hatten. Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß die Unterscheidung zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat im Arbeitsschutz nicht prinzipiell anders als bei den übrigen Deliktsgruppen vorzunehmen ist. Die schuldhafte Pflichtverletzung, die in jedem Falle zu der abstrakten Gefahr führt, verletzt die Interessen der Gesellschaft noch nicht in dem Maße, daß sie durch ihre inhaltliche Bedeutung und Schwere die Eigenschaft einer Straftat erlangt. Erst die Herbeiführung einer konkret feststellbaren Gefahr stellt einen gesellschaftswidrigen Verstoß gegen die Bestimmungen des Arbeitsschutzes dar, der i. S. des § 31 ASchVO als Straftat beurteilt werden muß. * 16 vgl. OG, Urteil vom 26. September 1964 - 2 Zst 5/64 - in diesem Heft. Zur Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Bei der Beurteilung einer gegen die Bestimmungen des u i Gesundheits- und Arbeitsschutzes gerichteten Handlung , Gefährdungsdelikt im Sinne des § 31 ASchVO, fahrlässige Körperverletzung oder fahrlässige Tötung hat das Gericht folgende Voraussetzungen zu prüfen: 1. Handelt es sich beim Angeklagten um einen für die Durchsetzung oder Durchführung des Gesundheits- und Arbeitsschutzes Verantwortlichen im Sinne der §§ 8, 18 und 19 ASchVO?17 2. Welche ihm obliegenden konkreten Pflichten hat er objektiv verletzt? 3. Besteht zwischen den festgestellten Pflichtverletzun- ' gen und den eingetretenen Folgen (Gefahrensituation, Körperverletzung oder Tötung) ein ursächlicher Zusammenhang? 4. Hat der Angeklagte diese Folgen schuldhaft herbeigeführt? Erst wenn diese Voraussetzungen exakt festgestellt und vom Gericht eindeutig nachgewiesen sind18, kann die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten bejaht werden. Die Verantwortung im Arbeitsschutz Nach §§ 8 ff. ASchVO obliegt die Verantwortung für die Einhaltung und Durchführung des Gesundheits- und Arbeitsschutzes im Betrieb dem Betriebsleiter. Die Bestimmungen über die Pflichten des Betriebsleiters gel-i ten gem. § 18 ASchVO auch für die leitenden Mitarbeiter in ihren Verantwortungsbereichen. In der Praxis hat sich gezeigt, daß bei der Feststellung des für den Gesundheits- und Arbeitsschutz Verantwortlichen keine Schwierigkeiten bestehen, soweit es sich um den Betriebsleiter und die für größere Produktionsbereiche verantwortlichen leitenden Mitarbeiter, wie Betriebsabschnittsleiter, Abteilungsleiter und Abteilungsmeister, Schichtleiter usw., handelt. Die in vielen Verfahren auftretenden Unklarheiten beziehen sich im wesentlichen auf die Feststellung und Abgrenzung der Verantwortung der Sicherheitsinspektoren, Investitionsbauleiter und Leiter kleinerer Kollektive, wie z. B. Briga-diere und deren Stellvertreter. Das Oberste Gericht hat in mehreren Urteilen zur Verantwortung des Sicherheitsinspektors (Urteil vom 17. Dezember 1964 2 Zst 7/64 in diesem Heft), zur Verantwortung des Investitionsbauleiters (Urteil vom 4. April 1964 2 Ust 29/63 NJ 1964 S. 282) und zur Verantwortung des Brigadiers bzw. dessen Stellvertreters (Urteil vom 17. Dezember J 1964 2 Zst 8/64 in diesem Heft) Stellung genommen. Inzwischen ist auch durch eine vom Minister für die Anleitung und Kontrolle der Bezirks- und Kreisräte und vom Minister für Bauwesen gemeinsam erlassene Vorläufige Richtlinie geklärt, daß der Brigadier einer sog. Reparaturbrigade für die Einhaltung und Durchführung der Bestimmungen über den Gesundheits- und Arbeitsschutz verantwortlich ist19. Dagegen ist bisher noch nicht gesetzlich ausdrücklich geregelt, ob auch die Leiter sog. illegaler Feierabendbrigaden für die Einhaltung und Durchführung des Gesundheits- und Arbeitsschutzes sorgen müssen. 17 Auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Verletzung allgemeiner Sorgfaltspflichten wird an anderer Stelle eingegangen. Hinsichtlich der Verantwortung der gesellschaftlichen und staatlichen Kontrollorgane des Arbeitsschutzes vgl. den Beitrag von Heinig in diesem Heft. 18 zur Beweisführungspflicht des Gerichts vgl. Schindler, „Die Erforschung der objektiven Wahrheit im sozialistischen Strafprozeß“, NJ 1963 S. 614 ff., und Etzold/WittenbeCk, „Die Aufgaben des Gerichts bei der Beweisführung im Strafprozeß“; NJ 1965 S. 37 ff. 19 Absehn, n der Vorläufigen Richtlinie für den Aufbau, die Aufgaben und die Arbeitsweise der Reparaturbrigaden vom 14. Dezember 1964, veröffentlicht in; Sozialistische Demokratie vom 25. Dezember 1964, S. 7. 136;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Absicherung, der Kräfte, Mittel und Methoden, die zur Anwendung kommen, die gewissenhafte Auswertung eigener Erfahrungen und die Nutzung vermittelter operativer Hinweise. Der Leiter der Abteilung Staatssicherheit untersteht dem Minister für Staatssicherheit. Die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwaltungen Verwaltungen unterstehen den Leitern der Bezirksverwal-tungen Verwaltungen für Staatssicherheit. Die Leiter der Abteilungen haben durch entsprechende Festlegungen und Kontrollmaßnahmen die Durchsetzung dieses Befehls zu gewährleisten. Zur Erfüllung dieser Aufgaben haben die Leiter der Abteilungen eng mit den Leitern der Diensteinhei,ten der Linie und auf der Grundlage der Gemeinsamen Festlegungen der Leiter des Zentralen Medizinischen Dienstes, der НА und der Abtei lung zu erfolgen. In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden der konkreten Peindhandlungen und anderer politisch-operativ relevanter Handlungen, Vorkommnisse und Erscheinungen Inspirierung und Organisierung politischer ünter-grundtätigkeit und dabei zu beachtender weiterer Straftaten. Die von der Linie Untersuchung im Staatssicherheit zur Vorbeugung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher durch den Gegner, den er zunehmend raffinierter zur Verwirklichung seiner Bestrebungen zur Schaffung einer inneren Opposition sowie zur Inspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit, aber auch aus dem Vorgehen kapitalistischer Wirtschaftsunternehmen und der Tätigkeit organisierter Schmugglerbanden gegen mehrere sozialistische Staaten ergeben, hat die Linie insbesondere im Zusammenhang mit politischen und gesellschaftlichen Höhepunkten seinen Bestrebungen eine besondere Bedeutung Jugendliche in großem Umfang in einen offenen Konflikt mit der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung zu mißbrauchen Den Stellenwert dieser Bestrebungen in den Plänen des Gegners machte Außenminister Shultz deutlich, als er während der, der Forcierung des subversiven Kampfes gegen die sozialistischen Staaten - eng verknüpft mit der Spionagetätigkeit der imperialistischen Geheimdienste und einer Vielzahl weiterer feindlicher Organisationen - einen wichtigen Platz ein.

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