Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 108

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 108 (NJ DDR 1965, S. 108); Kassel im Oktober 19634 bekennt sich Nottbeck in Worten zu einer Verflechtung der Strafrechtspflege mit der Gesellschaft. Recht vielversprechend klingt es, wenn er sagt: „Die Strafrechtsreform ist keine Angelegenheit von Dunkelmännern in Dunkelkammern, sondern eine Angelegenheit der Rechtsbewährung mitten im Tageslicht des Alltags. Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf zu wissen, wie die Richter die Strafgewalt handhaben (S. 64) Aber gleich anschließend kommt der Pferdefuß dieser Erklärung: „Allerdings hat jede Gerichtsberichterstattung eine Schranke da, wo die Persönlichkeit des Beschuldigten, sein Anspruch auf ein gesetzmäßiges und von fremden Einflüssen freies Verfahren und sein Recht, von unvoreingenommenen Richtern abgeurteilt zu werden, gefährdet wird.“ Damit glaubt er, sich eine Rechtfertigung für die Aufnahme der Bestimmungen über „Störung der Strafrechtspflege“ (§ 452) und „Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen“ (§ 453) in den StGB-Entwurf geschaffen zu haben. Der Angeklagte habe ein Recht darauf, nicht öffentlich verurteilt zu werden, und der Staat habe den Anspruch, daß ein Angeklagter nicht öffentlich rehabilitiert wird, bevor sein Fall von unbeeinflußten Richtern geprüft und beurteilt worden ist (S. 66). Die Ausschaltung der Presse Gar nicht falsch erscheint es in diesem Zusammenhang, wenn in der westdeutschen Öffentlichkeit von einer „Art Revanche der Juristen“ gesprochen wird, „weil die Presse die Mängel der Strafjustiz an einigen aufsehenerregenden Strafverfahren“ angeprangert habe. Allerdings trifft diese Feststellung nicht den Kern des Ganzen. Es geht um mehr: um die Abschirmung des unheilvollen Kurses der Justiz in politischen Verfahren vor der Öffentlichkeit. Die politische Spruchpraxis offenbart, ohne daß es eines weiteren Kommentars bedarf, warum jede Stellungnahme der Öffentlichkeit über die Presse gefürchtet wird. Der Polizei- und Justizterror einerseits und die Bagatellisierung faschistischer Verbrechen andererseits haben solche Ausmaße angenommen, daß sich die westdeutsche Regierung genötigt sieht, der eigenen Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit die Wahrheit darüber vorzuenthalten bzw. gegebenenfalls dem Druck der Öffentlichkeit nachzugeben, wenn die Wahrheit über solche Verfahren ans Tageslicht dringt. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang nur auf die von den demokratischen Kräften in ganz Deutschland erzwungene Freilassung des Chefredakteurs des Deutschlandsenders, Dr. Graßnick, der am 31. Mai 1963 widerrechtlich in Westdeutschland verhaftet worden war. Obwohl er ordnungsgemäß in die Bundesrepublik eingereist war und auch während seines Aufenthaltes die westdeutschen Gesetze nicht verletzt hatte, sollte er wegen verfassungsfeindlichen Nachrichtendienstes und Verstoßes gegen das Verbot der KPD strafrechtlich verantwortlich gemacht werden. Es gab kaum eine Zeitung in Westdeutschland, die nicht gegen das skandalöse Vorgehen gegen den DDR-Journa-listen Stellung nahm. Ähnlich verhielt es sich, als in Vorbereitung des Deutschlandtreffens sechs Mitglieder des Festkomitees in Westdeutschland verhaftet wurden, weil sie Einladungen zum Deutschlandtreffen- überbringen wollten. Unter entgegengesetzten Vorzeichen steht dagegen der Auschwitz-Prozeß, der am 20. Dezember 1963 in Frankfurt (Main) begann. Bezeichnend für seinen Verlauf ist 4 Vgl. „11. Deutscher Richtertag in Kassel“, ln: Deutsche Richterzeitung 1963, S. 373 fl. es, daß sich die westdeutsche Regierung schützend vor faschistische Menschlichkeitsverbredler und vor allem vor ihre Hintermänner stellt und diese nur in dem Maße zur Verantwortung gezogen werden, wie es der Öffentlichkeit gegenüber unumgänglich ist3. Die vielfach zitierten Exzesse von „Sensationsreportern" und die Notwendigkeit, sie zu zügeln und Angeklagte und Richter vor einer zur „Siedehitze“ aufgeputschten Öffentlichkeit zu schützen, sollen zur Vertuschung der wahren Hintergründe für die Aufnahme pressefeindlicher Bestimmungen in den westdeutschen StGB-Entwurf dienen. Symptomatisch ist die Haltung des Generalbundesanwalts Martin und auch Nottbecks zu der bereits erwähnten Panorama-Sendung. Sie entwickelten unter Einschaltung des niedersächsischen Landtages eine wahre Treibjagd auf die Verantwortlichen. Unter anderem forderte Nottbeck den Intendanten des Norddeutschen Rundfunks in einem Schreiben auf, „seinen Einfluß einzusetzen, daß solche Handlungen in Zukunft unterbleiben“5 6. Zugeständnisse an die gesellschaftlichen Kräfte? Nach Nottbeck soll die nicht näher spezifizierte „Gesellschaft“ den Staat bei der Ausübung seiner Straffunktion unterstützen. Im einzelnen lassen sich seine Vorschläge wie folgt zusammenfassen: Erörterung der Strafgesetzgebung; Schaffung von Zuständen, die die Verleitung zur Straffälligkeit mindern; Stärkung der Autorität der Strafrechtspflege; Abwehr innerer Störungen; Unterstützung der Wiedereingliederung ehemaliger Straffälliger; Stärkere Entwicklung im außerstrafrechtlichen Raum, speziell dort, wo Organisationen öffentliche Aufgaben zu erfüllen haben (S. 70 bis 72). Optisch erscheinen diese Gesichtspunkte ganz annehmbar. Bei näherem Hinsehen erweisen sie sich aber als demagogisch, als weitere Methoden zur bedingungslosen Unterordnung der westdeutschen Bevölkerung unter eine reaktionäre Strafrechtsprechung. Welche Rolle die Gesellschaft bei der Strafgesetzgebung spielt, zeigt am anschaulichsten die Strafrechtsreform selbst. Hinter verschlossenen Türen wurde der StGB-Entwurf ausgearbeilet, und auch gegenwärtig wird die Öffentlichkeit nur durch kurze Pressenotizen über die Arbeit der Bundestags- und anderen Ausschüsse informiert, ohne daß bedeutsame inhaltliche Probleme berührt werden. Vorwiegend Fragen von zweitrangiger Bedeutung, wie z. B. die Strafbarkeit des Ehebruchs und der künstlichen Insemination, werden der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht7. Jede nachhaltige vorbeugende Verbrechensbekämpfung sowie eine wahrhafte Wiedereingliederung ehemaliger Straffälliger sind unter westdeutschen Verhältnissen illusionistisch, denn sie setzen eine Demokratisierung des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens voraus, die die westdeutsche Regierung ja gerade auch mit strafrechtlichen Mitteln so hartnäckig bekämpft. Die Vertreter des StGB-Entwurfs scheinen das selbst zu mer- 5 vgl. dazu Hirthe, „Bemerkungen zum bisherigen Verlauf des Auschwitz-Prozesses“, NJ 1964 S. 305 ff. und 567 ff.; 1965 S. 19 ff. ß Blinkfüer vom 24. Dezember 1964. 7 Völlig zu Recht stellte deshalb „Der Kurier“ vom 29. September 1962 fest: „Die Diskussion über den Strafgesetzentwurf hat etwas Beklemmendes und Irreales, denn wer kennt schon den Strafgesetzentwurf? Nur gewisse Juristen, nur wenige Kommentatoren dürfen einen Blick in das große, geheimnisvolle Werk werfen.“ Auch der „Vorwärts“ vom 27. März 1963 klagt über die „arge Verletzung der Informationspflicht“, da das Strafrecht eine „Angelegenheit von politischen Belangen“ sei, und rügt die ausschließliche Behandlung von untergeordneten Fragen in der Presse. 108;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 108 (NJ DDR 1965, S. 108) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 108 (NJ DDR 1965, S. 108)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

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