Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 107

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 107 (NJ DDR 1965, S. 107); liehen Diskussion. Namhafte westdeutsche Juristen, u. a. Prof. Dr. M a i h o f e r (Saarbrücken), der SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Arndt und der ehemalige Oberlandesgerichtspräsident Dr. Schmidt (Stuttgart), erklärten am 4. Januar 1965 im westdeutschen Fernsehen, daß das widerrechtliche Verbot der KPD eine verheerende Praxis der politischen Strafjustiz ausgelöst und zur Untergrabung der Demokratie geführt habe. In der westdeutschen Strafrechtstheorie und -praxis zeichnen sich unter diesen Umständen Versuche ab, von der stark angeschlagenen Illusion der Rechtsstaatlichkeit zu retten, was noch zu retten ist. Die zunehmende Isolierung der Justiz von der Bevölkerung und die mißbräuchliche Anwendung des Strafzwanges erfahren auf verschiedensten Wegen eine theoretische und ethische Verbrämung. Ihre Kenntnis und die Auseinandersetzung mit diesen theoretischen Grundlagen der westdeutschen Strafrechtsentwicklung sind von großer Wichtigkeit, weil erst sie es ermöglichen, die einzelnen Erscheinungen der strafgerichtlichen Unrechtspraxis als Ausdruck des reaktionären Charakters des staatsmonopolistischen Kapitalismus und der Ausweglosigkeit dieses Systems zu erfassen. Einen umfassenden Einblick in die herrschenden strafrechtstheoretischen Strömungen gewährt eine Tagung, auf der führende Vertreter der westdeutschen Strafjustiz und -theorie Vorträge über Grundfragen der Strafrechtsreform hielten1. Das Ziel dieser Tagung bestand darin, die weitere Entwicklung des westdeutschen Strafrechts zu einem noch wirksameren Instrument der Unterordnung der Bevölkerung unter die antinationale Politik der Regierung rechtstheoretisch-philosophisch zu rechtfertigen1 2. Im Gegensatz zum Strafrecht klassisch-liberaler Prägung ist es das Anliegen der Bonner „Strafrechtsreform“ und ihrer theoretischen Rechtfertigungsversuche, alle den einzelnen Menschen vor willkürlichem Mißbrauch der Staatsgewalt schützenden Schranken unter dem Motto seiner Sicherung vor den „Gefahren der Massengesellschaft“ niederzureißen. Immer stärker soll die Macht in den Händen des Staates genauer gesagt: in den Händen der Bonner Regierung als des geschäftsführenden Ausschusses des Monopolkapitals konzentriert und der Masse der Bevölkerung jedwede Einflußnahme darauf unmöglich gemacht werden. Das ergab sich besonders eindeutig aus dem Vortrag des nieder-sächsischen Landesjustizministers v. Nottbeck, der deshalb im Mittelpunkt der weiteren Auseinandersetzung mit der auf der Arbeitstagung entwickelten theoretischen Grundlinie der Strafrechtsreform stehen soll. Die Ausübung der Straffunktion durch den westdeutschen Staat unter Ausschluß der Gesellschaft Unumwunden geht Nottbeck davon aus, daß sich der westdeutsche Staat und die Gesellschaft in einem dauernden Spannungsverhältnis befinden, dessen Grad nach Ort und Zeit verschieden ist (S. 52). Gegen diese Feststellung Nottbecks, die sicherlich auf eigenen Erfahrungen beruht, ist an und für sich nichts einzuwenden. Die allein in der DDR in den letzten drei Jahren bekanntgewordenen 120 Verurteilungen in politischen Strafverfahren im Lande Niedersachsen zeigen, in welchem Umfang der kalte Krieg auf dem Gebiet der politischen Strafjustiz gerade in diesem Lande geführt 1 Eine Sammlung dieser Vorträge erschien 1963 in der Deutschen Verlagsanstalt Stuttgart unter dem Titel „Probleme der Strafrechtsreform“. Alle Seitenangaben im Text ohne nähere Quelle beziehen sich auf diese Veröffentlichung. (Nähere Angaben über den Inhalt des Sammelbandes finden sich in NJ 1964 S. 604, Fußnot 1.) 2 vgl. die allgemeine Einschätzung dieser Tagung bei Frenzei/ Schwarz, „Die Verschärfung des Strafzwanges im westdeutschen StGB-EntWUrf“, NJ 1964 S. 604 ff. wird, während die Privilegierung faschistischer Massenmörder, wie im Falle Zech-Nenntwich, bis zur Fluchthilfe durch Justizbehörden geht. Die dadurch ausgelösten Protestaktionen der Bevölkerung, die u. a. in der Panorama-Fernsehsendung des Norddeutschen Rundfunks über die politische Strafjustiz ihren Niederschlag fanden und sogar die CDU-Opposition im niedersächsischen Landtag veranlaßten, im Zusammenhang mit den Begleiterscheinungen des Falles Zech-Nennt-wich einen Mißtrauensantrag gegen Nottbeck zu stellen3, demonstrieren anschaulich das Spannungsverhältnis zwischen der niedersächsischen Bevölkerung und ihrer Justiz. * Das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft Nicht hingenommen werden kann dagegen Nottbecks Schlußfolgerung, daß das „Strafmonopol“ völlig isoliert von der Gesellschaft allein beim Staat liegen soll, zumal sie die Grundlage für seine gesamte Begründung des Wesens und der Formen der Straffunktion des "Staates bildet. Bereits die Abwandlung des ihm für die Tagung gestellten Themas „Die Straffunktion des Staates und der Gesellschaft“ in „Die Straffunktion des Staates und d i e Gesellschaft“ bringt sein Anliegen unmißverständlich zum Ausdruck. Unter Verzicht auf jeden Versuch einer historisch begründeten Erklärung flüchtet sich Nottbeck in das Axiom, daß allein der Staat das Monopol des Strafens besitzt. Dadurch unterscheide er sich von allen gesellschaftlichen Gebilden. Diese Gewalt übe er in einem bestimmten Befehlsbereich, dem Staatsgebiet, gegenüber bestimmten Menschen, dem Staatsvolk, und zu ganz bestimmten Zwecken, dem Staatszweck, aus. Aus dieser eigentümlichen Gestaltung erwachse die Aufgabe des Staates, „das Zusammenleben und das Zusammenwirken der Gesellschaft zu sichern und zu schützen“. Die Gesellschaft könne als Gegenbegriff zum Staat verstanden werden; denn man könne begrifflich zwischen der Gesellschaft als dem „außerstaatlichen und sozialen Sein“.und dem Staat als der „Organisation der sozialen Zwangsgewalt“ unterscheiden. Angesichts der Verschiedenheit der Träger staatlicher und gesellschaftlicher Funktionen sei dieses begriffliche Gegenüber auch ein tatsächliches. Wir wenden uns zwar nicht dagegen, daß Nottbeck dem westdeutschen Staat die Befugnis zum Strafen zugesteht, wohl aber gegen die Rolle, die er dabei der Gesellschaft beimißt, sowie gegen die Negierung der Bindung dieser Strafgewalt an die durch völkerrechtliche und andere rechtsstaatliche Normen gesetzten Grenzen, die im übrigen auch in das westdeutsche Grundgesetz Eingang gefunden haben. Die Existenz des westdeutschen imperialistischen Staates ist für Nottbeck die Bedingung der Daseinsweise der Gesellschaft und des Lebens überhaupt. Er verkehrt damit alle natürlichen Verhältnisse und stellt die objektiven Zusammenhänge auf den Kopf. Die Bevölkerung deklassiert er zum untertänigen, gehorsamen Staatsvolk, dem jedes Selbstbewußtsein abgesprochen wird und das sich bedingungslos der Staatsmaschinerie unterzuordnen hat. Wie tiefgreifend die Auswirkungen sind, zeigen nicht nur die als Ausdruck dieser Gesamtkonzeption bereits mehrfach erörterte politische Gesinnungsverfolgung und das Streben nach ihrer „Legalisierung“ und Verschärfung im künftigen westdeutschen Strafgesetzbuch. Weiteren Aufschluß über die sich daraus ergebenden praktischen Konsequenzen vermitteln seine Ausführungen über das Verhältnis der Justiz zur Öffentlichkeit, die auf eine Begründung der regierungsoffiziellen Vorschläge im Entwurf 1962 hinauslaufen. Etwa in gleicher Weise wie auf dem „Deutschen Richtertag“ in 3 Die Welt vom 11. Dezember 1964, S. 2. 107;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 107 (NJ DDR 1965, S. 107) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 107 (NJ DDR 1965, S. 107)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedin- ergebende der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung feindlicher Pläne, Absichten und Maßnahmen zum Mißbrauch des Transitverkehrs zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung auf und an den Transitwegen; Abwicklung des Antrags- und Genehmigungsverfahrens für Aus- und Einreisen und der Kontrolle der Einreisen von Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin und ihres Aufenthaltes in der und der in diesem Zusammenhang aufgenommenen Kontakte. Bei der Untersuchung von Vorkommnissen, insbesondere bei anonymen und pseudonymen Gewaltandrohungen, Gewaltverbrechen, Bränden, Havarien und Störungen, ist ein abgestimmtes Vorgehen zur Erarbeitung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge mit hoher sicherheitspolitischer Bedeutung. Zur Verwirklichung der dem Staatssicherheit von der Parteiund Staatsführung gestellten Aufgaben hat die Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vor- gänge entsprecheno meiner Richtlinie, FeststellgalyAufklären von Gefahren, operativ bedeutsamen Vorkomm- chverhalten, damit im Zusammenhang stehenden Personen stehungsursachen für schädigende Ereignisse. xhtn von Teilaufgaben in der Bearbeitung Operativer Vorgänge, insbesondere die Herausarbeitung und Beweisführung des dringenden Verdachts, wird wesentlich mit davon beeinflußt, wie es gelingt, die Möglichkeiten und Potenzen zur vorgangsbezogenen Arbeit im und nach dem Operationsgebiet hat grundsätzlich nur bei solchen zu erfolgen, die ihre feste Bindung zum Staatssicherheit , ihre Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit sowie tschekistische Fähigkeiten und Fertigkeiten in der inoffiziellen Zusammenarbeit mit erbrachte besonders bedeutsame politisch-operative Arb eZiit gebnisse sowie langjährige treue und zuverlässige Mfcl erfüllung. den Umfang der finanziellen Sicherstellung und sozialen ersorgung ehrenamtlicher haben die Leiter der selbst. stellten Leiternfübertragen werden. Bei vorgeseKener Entwicklung und Bearbeitun von pürge rfj befreundeter sozialistischer Starker Abtmiurigen und Ersuchen um Zustimmung an den Leiter der Abteilung zu geben; die Wach- und Sicherungsposten erhalten keine Schlüssel, die das Öffnen von Verwahrräumen oder Ausgängen im Verwahrhaus ermö glichen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X