Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 102

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 102 (NJ DDR 1965, S. 102); liehe Zulassung der gesellschaftlichen Ankläger und Verteidiger als Schranke anzusehen, hieße, die Form über den Inhalt zu stellen und das Wesen der gesellschaftlichen Mitwirkung zu verkennen. Auch die besondere Ausgestaltung des Rechtsmittelverfahrens steht der erstmaligen Zulassung gesellschaftlicher Ankläger bzw. Verteidiger m. E. nicht entgegen5. Im Falle der Selbstentscheidung des Rechtsmittelgerichts gern. § 292 StPO ist die Mitwirkung gesellschaftlicher Ankläger oder Verteidiger ebenso notwendig wie die Mitwirkung des Staatsanwalts oder des Rechtsanwalts. Die Regelfälle der Selbstentscheidung betreffen Strafart und Herabsetzung des Strafmaßes. Gerade dazu ist aber die Auffassung der gesellschaftlichen Ankläger oder Verteidiger dringend erwünscht. Sie kann u. U. ausschlaggebend dafür sein, ob eine bedingte Strafe oder eine Freiheitsstrafe ausgesprochen wird. Im Falle der Zurückverweisung der Sache ist die Mitwirkung gesellschaftlicher Ankläger oder Verteidiger im Rechtsmittelverfahren notwendig, weil deren Aussagen und Anträge eine bessere Anleitung des Kreisgerichts für die erneute Verhandlung ermöglichen. Die Rechtsmittelverhandlung soll Anlaß zu einer erneuten Beratung im Kollektiv sein. Sie dient somit der besseren Vorbereitung der gesellschaftlichen Kräfte auf die neue Hauptverhandlung erster Instanz. Zur Bestätigung einer Bürgschaft und zum Ausspruch der Bindung an den Arbeitsplatz im Rechtsmittelverfahren Die Frage, ob im Wege der Selbstentscheidung nach § 292 Abs. 1 bis 3 StPO und ebenso nach Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz bei einem zugunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel eine Bürgschaft bestätigt bzw. eine Bindung an den Arbeitsplatz angeordnet werden kann, hängt in erster Linie davon ab, ob eine solche Entscheidung gegen das Verbot der Straferhöhung des § 277 StPO verstößt. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich m. E. aus dem Wesen dieser im Rechtspflegeerlaß festgelegten Maßnahmen: nämlich der Erhöhung der gesellschaftlichen Wirksamkeit der Strafen ohne Freiheitsentzug zu dienen. Bei allen Strafen ohne Freiheitsentzug unterliegen zwar die Verurteilten hinsichtlich ihrer persönlichen und geselllschaftlichen Entwicklung, soweit diese mit der Straftat in Beziehung steht, in bestimmtem Maße der Aufsicht und Kontrolle durch das Kollektiv. Wird zugleich eine Bürgschaft bestätigt bzw. eine Bindung an den Arbeitsplatz ausgesprochen, dann können subjektive Rechte und Lebensgewohnheiten des Verurteilten z. B. dadurch beschränkt werden, daß er gegen seinen Wunsch in einem bestimmten Kollektiv verbleiben und diesem gegenüber Rechenschaft ablegen muß. Bei der Bindung an den Arbeitsplatz wird das besonders deutlich. Durch sie kann ein bedingt Verurteilter für längere Zeit an einem für ihn vorteilhaften Arbeitsplatzwechsel gehindert werden. Qualiflzierungsmaß-nahmen können dadurch zeitweilig ausgesetzt werden. Wird die Verpflichtung böswillig verletzt, dann kann die bedingt ausgesprochene Strafe vollstreckt werden. Trotz dieser Elemente der Beschränkung subjektiver Rechte oder Lebensgewohnheiten Verurteilter kann aber weder die Bürgschaft noch die Arbeitsplatzverpflichtung als straferhöhend im Sinne des § 277 StPO angesehen werden. Diese Maßnahmen gipfeln vielmehr objektiv darin, den Verurteilten zur Befolgung der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens anzu- 5 Dies führen Beyer/Naumann, a. a. O., zur Begründung an. halten, die von der überwiegenden Mehrheit der Werktätigen längst freiwillig eingehalten werden. Nur bei einem geringen Teil Verurteilter führt die Bindung an den Arbeitsplatz, noch weniger die Bürgschaft, effektiv zu einer Beschränkung persönlicher Rechte5. Entscheidend für die Bürgschaft und die Arbeitsplatzverpflichtung ist also ihr gesellschaftlich-erzieherischer Charakter, der in der sozialistischen Kollektivität begründet liegt. Das ist bei der Bürgschaft ganz eindeutig. Deshalb ist auch noch niemand auf den Gedanken gekommen, sie als straferschwerende Maßnahme anzusehen. Aber selbst die mit der Bindung an den Arbeitsplatz verbundene Beschränkung bestimmter persönlicher Rechte eines Verurteilten trägt keinen straferschwerenden Charakter. Die Erziehung im Prozeß der Arbeit kann unter den heutigen Bedingungen, da die Arbeit immer mehr zur Sache der Ehre und zum ersten Lebensbedürfnis wird, nicht mit Strafmaßnahmen gleichgesetzt werden* 7. Ihrem Wesen nach ist also die Arbeitsplatzverpflichtung vorrangig eine erzieherische Maßnahme, nicht aber eine Art Besserungsarbeit mit dem Charakter einer Sühnemaßnahme8. Aus diesen Gründen bin ich der Meinung, daß die Bestätigung einer Bürgschaft wie auch der Ausspruch einer Arbeitsplatzverpflichtung nicht vom Verbot der Straferhöhung nach § 277 StPO erfaßt werden. Bei Rechtsmitteln, die zugunsten eines Angeklagten eingelegt werden, ist sowohl die Bestätigung der Bürgschaft wie auch die Anordnung der Bindung an den Arbeitsplatz im Wege der Selbstentscheidung nach § 292 Abs. 1 StPO zulässig. Auch für die Fälle der Zurückverweisung ist im neuen Urteil diese Entscheidung zulässig. Bei der Selbstentscheidung gemäß § 292 Abs. 2 StPO ist die Bestätigung einer Bürgschaft durch das Rechtsmittelgericht zulässig, wenn alle Voraussetzungen gegeben sind9. Der in solchen Fällen für die Selbstentscheidung maßgebliche Grundsatz der Strafherabsetzung wird dadurch nicht eingeschränkt, weil die Bürgschaftsbestätigung nicht gegenüber dem Angeklagten erfolgt. Da sie deswegen einem Rechtsmittel nicht unterliegt, ist auch insoweit die Selbstentscheidung im Rechtsmittelverfahren bedenkenfrei. Das gleiche gilt auch für die Selbstentscheidung gemäß § 292 Abs. 3 StPO. Für nicht zulässig halte ich es dagegen, bei der Selbstentscheidung nach § 292 Abs. £ StPO die Bindung an den Arbeitsplatz auszusprechen. Einmal wird die Bindung an den Arbeitsplatz im Gegensatz zur Bürgschaft gegenüber dem Angeklagten ausgesprochen. Damit kann der Angeklagte beschwert sein. Nach den Grundsätzen der StPO muß sie deshalb anfechtbar sein10. Eine Selbstentscheidung würde das aber ausschließen und die Rechte des Angeklagten verletzen. Andererseits widerspricht es dem im § 292 Abs. 2 StPO verankerten Grundsatz der Strafherabsetzung, auf Maßnahmen zu erkennen, die unter Umständen eine Beschwer beinhalten. Das steht durchaus nicht im o Die bei böswilliger Verletzung der Verpflichtung eintretende Vollstreckung kann hier außer Betracht bleiben, weil ihr eine neue Pflichtverletzung zugrunde liegt. Die Problematik des § 277 StPO wird dadurch nicht direkt berührt. 7 Es ist daher falsch, wenn Creuzburg (Der Schöffe 1964, H. 8, S. 270) die Arbeitsplatzverpflichtung als Zusatzstrafe bezeichnet. 8 Funk, „Für eine stärkere Wirksamkeit der Strafen ohne Freiheitsentzug“, NJ 1964 S. 707. 9 Vgl. Schlegel, Anmerkung zum Urteil des BG Neubrandenburg, in NJ 1964 S. 91. to So auch Schröder, „Arbeitsplatzverpflichtung und Bürgschaftsübernahme“, NJ 1964 S. 38, und Lischke/Schröder, „Einige Probleme der Anwendung der Arbeitsplatzverpflichtung“, NJ 1964 S. 464. 102;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 102 (NJ DDR 1965, S. 102) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 102 (NJ DDR 1965, S. 102)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit geregelt. Operative Ausweichführungsstellen sind Einrichtungen, von denen aus die zentrale politisch-operative Führung Staatssicherheit und die politisch-operative Führung der Bezirksverwaltungen unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes haben die Leiter der Diensteinheiten die politisch-operative Führung aus operativen Ausweichführungsstellen und operativen Reserveausweichführungsstellen sicherzustellen. Die Entfaltung dieser Führungsstellen wird durch Befehl des Ministers für Staatssicherheit getroffenen Festlegungen sind sinngemäß anzuwenden. Vorschläge zur Verleihung der Medaille für treue Dienste in der und der Ehrenurkunde sind von den Leitern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen Verwaltun-gen und den Kreisdienststellen an die Stellvertreter Operativ der Bezirksverwaltungen Verwaltungen zur Entscheidung heranzutragen. Spezifische Maßnahmen zur Verhinderung terroristischer Handlungen. Die Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit bei. Der politisch-operative Untersuchungshaftvollzug umfaßt-einen ganzen Komplex politisch-operativer Aufgaben und Maßnahmen, die unter strikter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit ist und bleibt ein unumstößliches Gebot unseres Handelns. Das prägte auch die heutige zentrale Dienstkonferenz, die von dem Bestreben getragen war, im Kampf gegen den Feind in erzieherisch wirksamer Form in der Öffentlichkeit zu verbreiten, eine hohe revolutionäre Wachsamkeit zu erzeugen, das Verantwortungs- und Pflichtbewußtsein für die Einhaltung und Verbesserung der Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvoll zug. Nur dadurch war es in einigen Fallen möglich, daß sich Verhaftete vorsätzlich Treppen hinabstürzten, zufällige Sichtkontakte von Verhafteten verschiedener Verwahrräume zustande kamen. Verhaftete in den Besitz von unerlaubten Gegenständen bei den Vernehmungen, der medizinischen oder erkennungsdienstlichen Behandlung gelangten, die sie zu ouizidversuchen, Provokationen oder Ausbruchsversuchen benutzen wollten.

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