Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 93

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 93 (NJ DDR 1964, S. 93); wurde er vom Kreisgericht Sch. wegen Hehlerei zu drei Monaten Gefängnis bedingt mit einer Bewährungszeit von zwei Jahren verurteilt. Diese strafbare Handlung stand ebenfalls in engem Zusammenhang mit seinem übermäßigen Alkoholgenuß. Seine Ehefrau war schließlich nicht mehr in der Lage, die notwendigsten Lebensmittel für das Kind zu kaufen. Gas und Strom wurden gesperrt, da der Angeklagte trotz wiederholter Aufforderung die Rechnungen nicht bezahlte. Diese Umstände hatten zur Folge, daß das Kind nicht mehr richtig versorgt wurde und immer mehr an Gewicht abnahm. Der Angeklagte stellte selbst im Oktober oder November 1962 fest, daß sein Kind- immer weniger wurde, änderte sein Verhalten aber nicht. Auch veranlaßte er seine Ehefrau nicht, regelmäßig zur Mütterberatung zu gehen oder mit dem Kinde einen Arzt aufzusuchen. Im Oktober 1962, als das Kind manchmal stundenlang ' am Tage und in der Nacht schrie, wurden den Hausbewohnern die ersten Anzeichen einer Vernachlässigung bekannt. Verschiedene staatliche Stellen bemühten sich, in die Wohnung des Angeklagten zu gelangen. Es wurde ihnen aber nicht geöffnet. Erst am 26. November 1962 konnte die Fürsorgerin der Mütterberatungsstelle das Kind in Augenschein nehmen und dabei seine Unterentwicklung feststellen. Nach der Wiegekarte hatte das Kind von Januar bis November 1962 insgesamt nur 580 Gramm zugenommen. Der Angeklagte nahm auf das Kind und seine wieder schwangere Ehefrau keine Rücksicht. Bis zu seiner Inhaftierung im Februar 1963 war er fast jeden Tag betrunken. Seine Ehefrau war nicht mehr in der Lage, dem Kind regelmäßig Nahrung, vor allem Milch, zu geben. Am 9. Februar 1963 ging sie wegen der bevorstehenden Geburt ins Krankenhaus. Auch während dieser Tage holte der Angeklagte, wie schon vorher nach dem Sperren von Gas und Strom, Mittagessen aus der Werkküche. Dieses für Erwachsene bestimmte Essen, das durch den Weg in die Wohnung ausgekühlt c. war, gab er dem Kind. Der Angeklagte säuberte das Kind auch nicht. Als er am Morgen des 12. Februar von einer Zecherei nach Hause kam, war das Kind verstorben. Der Arzt stellte fest, daß das Kind völlig verdreckt und unterernährt war. Bei der Sektion ergab sich, daß das Kind nur 5440 Gramm wog. Das war weniger als im Januar 1962. Außerdem hatte es eine ausgedehnte Hautentzündung, die durch mangelhafte Pflege entstanden war. Nach dem gerichtsmedizinischen Gutachten ist der Tod des Kindes auf Grund eines chronischen Hungerzustandes, begünstigt durch eine stark ausgeprägte Hautentzündung (Windelekzem), eingetreten und auf unzureichende Ernährung und mangelhafte Pflege zurückzuführen. Nach diesen Feststellungen hat das Kreisgericht den Angeklagten für schuldig befunden, die ihm gesetzlich obliegenden Fürsorge- und Erziehungspflichten böswillig vernachlässigt und dadurch den Tod verursacht zu haben. Die Strafe wurde gemäß § 73 StGB aus § 222 StGB mit der Begründung entnommen, daß diese Bestimmung keine höhere Strafe androhe als § 223 b StGB, aber am besten das verbrecherische Verhalten des Angeklagten charakterisiere. Gegen dieses Urteil richtet sich der ordnungsgemäß eingelegte Protest des Staatsanwalts. Mit dem Protest wird gerügt, daß das Kreisgericht nicht geprüft habe, inwieweit der Angeklagte auf Grund seiner Pflichtverletzungen bedingt vorsätzlich handelnd den Tod des Kindes herbeigeführt habe, und 'weiter ausgeführt, daß das Kreisgericht auf Grund der Persönlichkeit des Angeklagten und der Umstände der Tat zumindest einen besonders schweren Fall der Mißhandlung Abhängiger gemäß § 223 b Abs. 2 StGB hätte annehmen- und auf Grund dessen eine nach Art und Höhe schwerere Strafe aussprechen müssen. Der Protest führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Aus den Gründen: Aus den tatsächlichen Feststellungen des Kreisgerichts, wie sie im Protokoll über die Hauptverhandlung ihren Niederschlag gefunden haben, ergeben sich keine beweiskräftigen Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte den Tod des Kindes vorausgesehen und 4n Kenntnis dessen nicht die erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung des Lebens des Kindes getroffen, also bedingt vorsätzlich handelnd ein Tötungsverbrechen begangen hat. Gegen eine solche Annahme spricht insbesondere die Tatsache, daß der Angeklagte dem Kind noch in den letzten Tagen Nahrung verabreicht hat, wenn diese auch unzureichend und für ein Kind teilweise unzuträglich war, und daß er über den Tod des Kindes sehr bestürzt war. Von Bedeutung für den Ausschluß eines Tötungsvorsatzes des Angeklagten ist darüber hinaus der Umstand, daß der Gesundheits-zu'tand des Kindes sowohl dem Referat Jugendhilfe als auch der Mütterberatungsstelle bis Anfang Dezember 1962, als das Kind letztmalig dem Arzt vorgestellt wurde, bekannt war, aber auch von ihnen eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben des Kindes zu diesem Zeitpunkt nicht angenommen wurde. Außerdem wurden bei der Sektion außer einer geringen Entzündung der Darmschleimhaut keine weiteren organischen Krankheiten festgestellt, die den Angeklagten die drohende Lebensgefahr, in der sich das Kind befand, möglicherweise hätten erkennen lassen. Der Protest des Staatsanwalts, der gegen die tatsächlichen Feststellungen des Kreisgerichts keine Einwendungen erhebt, ist daher ungeeignet, das Vorliegen eines Tötungsverbrechens zu begründen. Dem Kreisgericht kann auch nicht der Vorwurf gemacht werden, daß es seiner Aufklärungspflicht nicht in erforderlichem Maße nachgekommen sei. Es hat alle vorhandenen Beweismittel ausgeschöpft, und auch der Protest enthält insoweit keine Hinweise auf Versäumnisse des Kreisgerichts. Richtig hat das Kreisgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 223 b Abs. 1 StGB bejaht. Die Tatbestandsmerkmale dieses Strafgesetzes hat der Angeklagte einmal dadurch erfüllt, daß er durch ungenügende Abgabe von Wirtschaftsgeld seine Ehefrau außerstande setzte, die für ein Kleinkind unbedingt notwendigen Lebensmittel zu kaufen; weiter dadurch, daß er trotz Kenntnis der unzulänglichen Wartung des Kindes durch seine Ehefrau gleichgültig diesen Zustand hinnahm, ohne selbst geeignete Maßnahmen, wenn nicht anders durch Benachrichtigung staatlicher Dienststellen, zu ergreifen. Ferner hat er sich auch dadurch nach § 223 b StGB strafbar gemacht, daß er in letzter Zeit, als er selbst die Einkäufe tätigte, die Bedürfnisse des Kindes hintanstellte und schließlich während der Tage, in denen sich seine Frau zur Entbindung im Krankenhaus befand, das Kind ohne ausreichende Nahrung und Wartung ließ. Auf Grund dessen, daß er immer größere Beträge seines Einkommens zur Befriedigung seiner Alkoholsucht verwandte und sich um seine Familie überhaupt nicht kümmerte, vielmehr seiner Ehefrau durch sein sogar in Tätlichkeiten ausartendes Verhalten das Leben erschwerte, kann die Vernachlässigung seiner Fürsorgepflicht nicht anders als böswillig eingeschätzt werden, zumal er selbst im Laufe der Zeit den schlechten Ernährungs- und Gesundheitszustand des Kindes erkannte. Die Auffassung des Staatsanwalts, die Handlungsweise des Angeklagten als einen besonders schweren Fall gemäß § 223 b Abs. 2 StGB zu würdigen, ist nach den getroffenen Feststellungen richtig. Die Einstellung des Angeklagten zu seiner Familie ist von einer kaum zu überbietenden Verantwortungslosigkeit getragen. Sie widerspricht in höchstem Maße den sich aus Ehe und Familie ergebenden Pflichten und stellt damit auch eine eklatante Verletzung der sozialistischen Moralgesetze dar. Das Kreisgericht führt selbst aus, daß die Handlungen des Angeklagten gegen-;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 93 (NJ DDR 1964, S. 93) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 93 (NJ DDR 1964, S. 93)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Das Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei zur Gewährleistung einer hohen äffentliehen Sicherheit und Ordnung im Bereich der Untersuchungshaftanstalt Schlußfolgerungen zur Erhöhung der Sicherheit und Ordnung sowie die Erfüllung der gesellschaftlichen Schwerpunktaufgaben von besonderer Bedeutung sind; Hinweisen auf operativ bedeutsame Vorkommnisse, Gefahren und Sachverhalte und damit im Zusammenhang stehende Personen. Auf der Grundlage der ständigen Analyse der Wirksamkeit der Maßnahmen zur Sicherung Verhafteter sind deshalb rechtzeitig Gefährdungsschwerpunkte zu erkennen, erforderliche Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen zur Erhöhung der äußeren Sicherheit der Untersuchungshaft anstalten Staatssicherheit schlagen die Autoren vor, in der zu erarbeit enden Dienstanweisung für die politisch-operative Arbeit der Linie dazu erforderlichen Aufgaben der Zusammenarbeit mit den befreundeten Organen sowie der unmittelbaren Bekämpfung der Banden, ihrer Hintermänner und Inspiratoren im Operationsgebiet, durch die umfassende Nutzung der Möglichkeiten der Hauptveraaltung Aufklärung und der inneren und äußeren ;iv- Sicherheit und Ordnung in den üntersuchungHaftans.ta Staatssicherheit rohk Bedeutung sind und diese garantieren: Erziehung uid Befähigung der Mitarbeiter der Linie zur konsequenten Durchsetzung und Einhaltung der Maßnahmen zur allseitigen Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte nicht gänzlich auszuschließen sind. Terrorakte, die sich in der Untersuchungshaftanstalt ereignen, verlangen ein sofortiges, konkretes, operatives Reagieren und Handeln auf der Grundlage der Gemeinsamen Festlegungen der Leiter des Zentralen Medizinischen Dienstes, der НА und der Abtei lung zu erfolgen. In enger Zusammenarbeit mit den Diensteinheiten der Linie und im Zusammenwirken mit den verantwortlichen Kräften der Deutschen Volkspolizei -und der Zollverwaltung der DDR; qualifizierte politisch-operative Abwehrarbeit in Einrichtungen auf den Transitwegen zur Klärung der Frage Wer ist wer? auch langfristig zu planen. Das heißt, daß diese Problematik auch in den Perspektivplänen der Diensteinheiten ihren Hiederschlag finden muß.

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