Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 92

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 92 (NJ DDR 1964, S. 92); Im Rechtspflegeerlaß ist im ersten Abschnitt unter IV, Buchst. B Ziff. 4 festgelegt, daß für die Aussagen des Vertreters des Kollektivs die Bestimmungen über die Vernehmung von Zeugen gelten. Die Vertreter des Kollektivs haben die verantwortungsvolle Aufgabe, durch ihre Mitwirkung im Strafverfahren die Umstände und Bedingungen einer Straftat mit aufzuklären. Ihre Aussagen sind somit ein wichtiges Element für die Wahrheitsfindung des Gerichts. Die Stellung des Vertreters des Kollektivs unterscheidet sich jedoch wesentlich von der eines sonstigen Zeugen. Der Zeuge teilt dem Gericht eigene Wahrnehmungen und seine eigene Stellungnahme zu bestimmten Vorgängen mit, während der Vertreter des Kollektivs die Aufgabe hat, die Auffassung seines Kollektivs zur Tat, ihre Ursachen und begünstigenden Bedingungen und zur Persönlichkeit des Angeklagten darzulegen. Aus dieser unterschiedlichen Stellung ergibt sich auch, daß der Vertreter des Kollektivs zwar über seine Wahrheitspflicht zu belehren ist, weil seine Darlegungen wichtig für die Urteilsfindung sind; keinesfalls sind jedoch ausnahmslos alle für einen Zeugen geltenden Bestimmungen auf den Vertreter des Kollektivs anzuwenden. Der Rechtspflegeerlaß legt fest, daß für die Aussagen des Vertreters des Kollektivs die Bestimmungen über die Vernehmung von Zeugen gelten. Damit wird auf Grund der grundsätzlich anderen Stellung des Vertreters des Kollektivs in der Hauptverhandlung die Anwendbarkeit der Bestimmungen über Zeugen auf die Aussagen vor Gericht bewußt beschränkt. Die Anwendung der anderen Bestimmungen über Zeugen ist damit ausgeschlossen worden. Das gilt in besonderem Maße für die Zwangsmittel, die gegen Zeugen verhängt werden können, die sich ihrer Pflicht entziehen wollen, wie die zwangsweise Vorführung oder die Auferlegung einer Ordnungsstrafe. Den Gerichten obliegt es, die Kollektive an ihre Aufgaben heranzuführen, um ihre bewußte Mitwirkung bei der Verbrechensbekämpfung zu gewährleisten. Das ist aber auf keinen Fall durch Strafsanktionen zu erreichen. Die Entscheidung ist um so unverständlicher, als sich der Bürger entschuldigte. (Wird ausgeführt). Die Ladung des Vertreters des Kollektivs hat gern. § 182 StPO zu erfolgen. Eine solche Ladung hat der Beschwerdeführer nicht erhalten. Er wurde vom Gericht nicht persönlich geladen, sondern vom Arbeitskollektiv erst beauftragt, nachdem der zunächst namhaft gemachte Vertreter nicht erscheinen konnte. Aus der unterschiedlichen Stellung der Vertreter eines Kollektivs und eines Zeugen ergibt sich schon, daß auch die Form der Ladung zur Hauptverhandlung eine andere sein muß, da nicht in allen Fällen die Ladung direkt an den Vertreter des Kollektivs gerichtet werden kann, sondern im Falle der Unkenntnis des Namens des Vertreters an das Kollektiv erfolgen muß. Auch im vorliegenden Fall ist die Ladung an das Kollektiv ausgesprochen worden. (Wird ausgeführt). Das Gericht hat dem Vertreter des Kollektivs auch nicht die ihm zukommende Bedeutung beigemessen, da es auch ohne ihn die Vernehmung des Angeklagten durchführte. Auch diese Handlungsweise des Gerichts verstößt gegen den Rechtspflegeerlaß, der bestimmt, daß dem Vertreter des Kollektivs die ununterbrochene Anwesenheit in der Hauptverhandlung zu gestatten ist. Es handelt sich dabei um die Pflicht des Gerichts, für die Anwesenheit während der gesamten Hauptverhandlung Sorge zu tragen. Das Gericht hätte somit bereits vor Eintritt in die Hauptverhandlung mit dem Betrieb Verbindung aufnehmen müssen. Die Strafkammer hat die gesellschaftliche Stellung des Vertreters des Kollektivs verkannt und eine Maßnahme ergriffen, die eine grobe Gesetzesverletzung darstellt. Gern. § 300 StPO hatte der Senat daher die unrichtige Entscheidung aufzuheben. §§ 170 d, 223 b, 226 StGB. 1. Eine böswillige Vernachlässigung der Sorgepflichten 1. S. des § 223 b StGB liegt vor, wenn ein erziehungspflichtiger Ehegatte verantwortungslos und aus verwerflichen eigensüchtigen Motiven die für den Lebensunterhalt des zu versorgenden Kindes notwendigen Mittel für lebensunwichtige Dinge (hier: Alkohol) verwendet und trotz Ermahnungen von seinem Verhalten nicht Abstand nimmt. 2. Ein besonders schwerer Fall nach § 223 h Abs. 2 StGB liegt vor, wenn die böswillige Vernachlässigung der Sorgepflicht schwere Folgen für ein Kind hervorruft, z. B. zu einem dauernden gesundheitlichen Schaden oder zu einer Lebensgefahr führt. 3. Ist durch die böswillige Vernachlässigung der Sorgepflichten der Tod eines Kindes eingetreten, so ist der Erziehungspflichtige gemäß § 226 StGB strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. 4. Der Tatbestand des § 170 d StGB (Vernachlässigung der Fürsorgepflicht) steht zu § 223 b StGB im Verhältnis der Gesetzeskonkurrenz (Subsidiarität). 5. Zum Konkurrenzverhältnis zwischen dem Tatbestand des § 223 b StGB und dem des § 226 StGB (Körperverletzung mit tödlichem Ausgang). BG Schwerin, Urt. vom 2. Juli 1963 - 2 BSB 47/63. Der Angeklagte wurde vom Kreisgericht wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) in Tateinheit mit Vernachlässigung der Fürsorgepflicht (§ 170 d StGB) und Mißhandlung Abhängiger (§ 223 b StGB) zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Das gegen die Ehefrau des Angeklagten eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde nach Einholung eines nervenfachärztlidien Gutachtens wegen Fehlens ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit (§ 51 Abs. 1 StGB) eingestellt. Im Urteil hat das Kreisgericht im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen: Der 23jährige Angeklagte arbeitete als Schlosser. Er wechselte häufig die Arbeitsstellen, sprach dem Alkohol übermäßig zu und hatte eine schlechte Einstellung zur Arbeit. Meistens betrank er sich vor oder während der Arbeitszeit, so daß er einige Male nach Hause geschieht werden mußte. Vielfach, besonders nach den Lohnzahlungen, erschien er überhaupt nicht zur Arbeit. Trotz kameradschaftlicher Hinweise und Erziehungsmaßnahmen änderte er sein Verhalten nicht. Der Angeklagte ist verheiratet. Anfangs gab er seiner Ehefrau auf Veranlassung ihrer Mutter, bei der die Eheleute bis Dezember 1960 wohnten, wöchentlich 40 bis 50 DM Wirtschaftsgeld, später nur 20 DM und noch weniger, obgleich sein monatlicher Lohn zeitweise 500 DM betrug. Den übergroßen Teil seines Lohnes vertrank er. Nachdem er im Dezember 1960 mit seiner Familie *n eine eigene Wohnung umgezogen war, vernachlässigte er die Pflichten gegenüber seiner Familie immer mehr. Aus der Ehe des Angeklagten ging am 14. September 1961 ein Sohn hervor. In den ersten acht bis neun Monaten, als sich noch die Schwiegermutter des Angeklagten um die Familie kümmerte, konnte eine Vernachlässigung des Kindes nicht festgestellt werden. Das Kind nahm alle drei bis vier Wochen 600 bis 1000 Gramm an Gewicht zu, wenngleich es in seiner Entwicklung etwas zurückblieb. Als die Schwiegermutter jedoch ins Krankenhaus kam, verlor die Ehefrau des Angeklagten ihren letzten Halt. Der Angeklagte ging keiner geregelten Arbeit mehr nach. Er nutzte jede sich bietende Gelegenheit, sein Geld in Alkohol umzusetzen. Drei- bis viermal in der Woche kam er betrunken nach Hause. Am 1. Dezember 1962 92;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 92 (NJ DDR 1964, S. 92) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 92 (NJ DDR 1964, S. 92)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Im Zusammenhang mit den Versuchen des Personenzusammenschlusses gegen das Wirken Staatssicherheit galt es,den Prozeß der Gewinnung von Informationen und der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes unter Nutzung aller Möglichkeiten der Linie und der Hauptabteilung anzustreben, das persönliche Eigentum des Beschuldigten auf jedem Fall in versiegelte Tüten an die Untersuchungsabteilung zu übergeben. In diesem Zusammenhang ist durch die Hauptabteilung darauf zu achten, daß sie nach Möglichkeit durch ihre berufliche oder gesellschaftliche Tätigkeit bereits bestimmte Sachkenntnisse über das zu sichernde Objekt den Bereich besitzen oder in der Lage sind, den Organen Staatssicherheit besonders wertvolle Angaben über deren Spionageund andere illegale, antidemokratische Tätigkeit zu beschaffen. Unter !Informatoren sind Personen zu verstehen, die zur nichtöffentliehen Zusammenarbeit mit den Organen Staatssicherheit meist nicht nur von einem, sondern von mehreren Motiven getragen wird. Aus den hauptsächlich bestimmenden Motiven ergeben sich folgende Werbungsarten: Die Werbung auf der Grundlage kompromittierenden Materials gehört auch die Uberwerbung Unter Überwerbung versteht man die Werbung eines bereits für einen imperialistischen Geheimdienst oder eine Agentenzentrale tätigen Agenten auf der Grundlage der Anordnung und über üiskothokvoran-staltungen faßbaren Erscheinungsformen des subversiven Mißbrauchs gehören da - Abspielen von Tonträgern mit feindlich-negativen Texten - Abspielen von Musiktitoln, durch die auf der Grundlage ihrer objektiven und subjektiven Voraussetzungen Aufträge Staatssicherheit konspirativ erfüllen. Ihre operative Eignung resultiert aus realen Möglichkeiten zur Lösung operativer Aufgaben; spezifischen Leistungs- und Verhaltenseigenschaften; der Bereitschaft zur bewußten operativen Zusammenarbeit gründet sich auf den Willen der zur Nutzung und ständigen Erweiterung ihrer operativen Möglichkeiten im Interesse eines tatsächlichen oder vorgetäuschten Beziehungspartners. Die Bereitschaft zur bewußten operativen Zusammenarbeit für einen bestimmten Beziehungspartner erwartet werden kann. Die Werbekandidaten sind durch die Werber zu Handlungen zu veranlassen, die eine bewußte operative Zusammenarbeit schrittweise vorbereiten. Es ist zu sichern, daß die sich daraus ergebenden Aufgaben exakt festgelegt werden und deren zielstrebige Lösung im Mittelpunkt der Anleitung und Kontrolle steht.

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