Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 84

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 84 (NJ DDR 1964, S. 84); beschäftigte sich mit den Auffassungen Mandevilles3 4; Prof. Dr. Maihofer (Saarbrücken) sprach zu dem Thema „Staatsschutz und Rechtsstaat“; Rechtsanwalt Dr. Ammann (Heidelberg) gab unter dem Thema „Die politische Justiz und unsere Amnestiebestrebungen aus heutiger Sicht“ wie auf früheren Tagungen einen Überblick über die Rechtsentwicklung, insbesondere auf dem Gebiet der politischen Strafjustiz. * Dem Referat von Maihofer lag der Gedanke zugrunde, daß „das Politische Strafrecht im demokratischen Staat einzig und allein die Aufgabe der Verteidigung der bestimmten verfassungsmäßigen Ordnung“ hat, „ohne Rücksicht auf die wechselnde ideologische Konzeption der in der Regierung und Opposition sich ablösenden Parteien (S. 11). Davon ausgehend, beschäftigte sich Maihofer mit zwei „Grundprinzipien rechtsstaatlichen Strafrechts“; „1. Die Stellung der Politischen Justiz in einem Rechtsstaat ist prinzipiell die einer ultima ratio der Politik. 2. Die Aufgabe des politischen Strafrechts in einem Rechtsstaat ist prinzipiell die einer Magna Charta Libertatum des politischen Bürgers.“ (S. 12) Zu 1 führte der Referent u. a. aus, daß es nach der Spruchpraxis der politischen Strafgerichte auf eine wirkliche „Staatsgefährdung“ nicht ankommt. Als Beispiel führte Maihofer die jüngste Spruchpraxis des BGH zu § 92 StGB (sog. verfassungsverräterischer Nachrichtendienst) an, wonach „schon die Tatsache, daß ein Bürger der Bundesrepublik zu einem politischen Gespräch mit einem DDR-Vertreter bereit ist, als eine Nachricht im Sinne des § 92“ gilt. Bereits deren Mitteilung vor jedem Versuch einer Kontaktaufnahme wird als „vollendeter staatsgefährdender Nachrichtendienst“ bestraft. Es sei heute in der Tat schon so weit, „daß jede Person, die in oder mit offiziellem Auftrag aus der DDR in die Bundesrepublik einreist und hier Gespräche anknüpft, als ,Agent1 im Sinne des § 92 unseres Strafgesetzbuches behandelt wird, ganz gleich, ob diese Gespräche tatsächlich verfassungsfeindlichen oder staatsgefährdenden Inhalt haben; ja gleichgültig, ob es überhaupt zu solchen Gesprächen kommt.“ (S. 13) In diesem Zusammenhang bezeichnete der Referent die Verurteilung „bundesdeutscher Mitarbeiter der Kinderferienaktion“ wegen Unterstützung eines „verfassungsverräterischen Nachrichtendienstes“ als unvereinbar mit dem westdeutschen Grundgesetz. Zu 2 legte Maihofer dar, daß dieses Verfassungsprinzip nicht nur die gesetzliche Bestimmtheit erfordere, sondern ebenso auch die richterliche Bestimmbarkeit der Strafbarkeit einer Tat. Wie wenig das politische Strafrecht des Bonner Staates in dieser Hinsicht mit dem Grundgesetz in Einklang steht, bewies Maihofer an Hand der Spruchpraxis des politischen Strafsenats des Bundesgerichtshofs, insbesondere hinsichtlich des sog. publizistischen Geheimnisverrats (s. ,,Spiegel“-Affäre). Nicht anders stehe es mit dem aus der faschistischen Zeit übernommenen Tatbestand des fahrlässigen Landesverrats (§ 100 c StGB). „Damit aber“, so führte Maihofer weiter aus, „droht nicht nur die Gefahr, daß bei Zweifeln in der Tatfrage von § 100 auf § 100 c StGB ausgewichen wird, sondern auch, daß in den nahezu unlösbaren Rechtsfragen, vor die § 99 StGB in seiner 3 Das Referat von Prof. Dr. Staff wurde in der Broschüre nicht veröffentlicht. In dem in der Broschüre enthaltenen Bericht heißt es dazu: „Im ersten Referat befaßte sich OLG-Präsident Prof. Dr. Staff mit einem philosophisch-gesellschaftlichen ProMem, welches zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in England großes Aufsehen erregte und heute noch unter verschiedenen Aspekten zum Nachdenken Anlaß gibt; die in wissenschaftlitäier Prägnanz vorgetragene Auffassung Mandevilles wurde durch den Herrn Referenten ausgezeichnet interpretiert und fand den Beifall der Tagungsteilnehmer.“ jetzigen Fassung schon beim Begriff des Staatsgeheimnisses den Richter . stellt, in dubio nicht pro, sondern contra libertatum entschieden wird“ (S. 15/16). Am Schluß seines Vortrages forderte der Referent eine „Reform unseres Politischen Strafrechts an Haupt und Gliedern“ und stellte vier „heute unabweisbar gewordene Forderungen“ auf: „1. Alle über das klassische Staatsschutzrecht gegen Hoch- und Landesverrat hinausgehenden Tatbestände des Politischen Strafrechts, insbesondere die §§ 84, 90 a, 92, 93, 100 d und 100 e sind, wenn nicht überhaupt zu streichen, als Ermächtigungsdelikte auszugestalten. Dadurch soll die Strafverfolgung in jedem einzelnen Fall von einer ausdrücklichen Ermächtigung der Bundesregierung abhängig gemacht werden, die allein entscheiden kann und soll, ob in solchen Fällen die Politische Justiz ich betone es nochmals als ultima ratio der Politik, bei Versagen aller anderen Mittel der Politik eingeschaltet werden soll. 2. Bei der gebotenen Neufassung der in ihrer heutigen Fassung ebenso unklaren wie umständlichen Vorschriften des Politischen Strafrechts sind alle über den. Hoch-und Landesverrat hinausgehenden Tatbestände auf die Begriffsdefinition der Staatsgefährdung in § 88 StGB abzustellen und dabei, wenn nicht als konkrete Gefährdungsdelikte, so doch zumindest als klare (Erfolgs-) Absichtsdelikte auszugestalten, die in jedem Fall einen. Nachweis der ,Absicht der Staatsumwälzung1 fordern. 3. Die klassischen Tatbestände des Landesverrats sind in ihrer geforderten Neufassung ausschließlich auf Spione und Agenten im Dienste einer fremden Regierung abzustellen. 4. Für die übrigen Fälle der literarischen, publizistischen und sonstigen Geheimnispreisgabe ist ein Sondertatbestand zu schaffen, dem ein formell-materieller Begriff des Staatsgeheimnisses zugrunde zu legen ist, der allein dem Journalisten und einfachen Bürger im Sinne einer Magna Charta Libertatum die Grenzen politisch erlaubten und verbotenen Verhaltens erkennbar werden läßt.“ (S. 16/17) Tas Referat Maihofers ist ein Ausdruck dafür, daß auch westdeutsche Straf rechts Wissenschaftler für eine Beendigung der Ära der strafrechtlichen Gesinnungsjustiz als einer spezifischen Form der Führung des kalten Krieges durch die Bonner Ultras eintreten und eine politische Amnestie fordern. Es ist sicher auch kein Zufall, daß Maihofer besonders gegen die Kriminalisierung des deutschen Gesprächs auftritt, denn auch in Kreisen westdeutscher Wissenschaftler wird dieses Gespräch als ein entscheidender Beitrag zur politischen Entspannung und letztlich zur Lösung der Lebensfragen unserer Nation bewertet. Die Forderung auf Streichung aller über das „klassische Staatsschutzrecht gegen Hoch- und Landesverrat“ hinausgehenden Tatbestände des politischen Strafrechts wird seit Jahren von bürgerlichen demokratischen Juristen vertreten. Die von Maihofer als Eventuallösung geforderte Ausgestaltung eines Teils von Tatbeständen des politischen Strafrechts als Ermächtigungsdelikte wäre keine Lösung im Sinne einer Reform des „Politischen Strafrechts an Haupt und Gliedern“. Erst in allerjüngster Zeit hat der Bonner Justizminister Bucher angekündigt, daß durch eine Änderung der Strafprozeßordnung das „Legalitätsprinzip im Bereich des politischen Strafrechts“ eingeschränkt werden soll, damit „Fälle, wie der des Ostberliner Chefredakteurs Grasnick, in Zukunft nach dem Opportunitätsprinzip das die Überlegung der Zweckmäßigkeit in den Vordergrund stellt bereinigt werden können“.1* Die Pläne Buchers sind ein Ergebnis der wachsenden Kritik und der vielen Pro- 4 „Die Welt“ vom 7. Januar 1964. 84;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 84 (NJ DDR 1964, S. 84) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 84 (NJ DDR 1964, S. 84)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

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