Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 700

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 700 (NJ DDR 1964, S. 700); im Interesse der Versorgung der Bevölkerung entsprechend den Grundsätzen der sozialistischen Gastronomie zu leiten, als in diesem Sinne verantwortlich zu bezeichnen, erscheint uns schon von der Entlohnung her gesehen, die ja eine Widerspiegelung der im Interesse der Gesellschaft erbrachten Leistungen ist, unverständlich. So verurteilte ein Stadtbezirksgericht die Außensteilen-Leiterin des VEB Treff-Modelle nach § 30 Abs. 2 Buchst, a StEG, weil sie sich in Ausübung ihrer Tätigkeit in erheblichem Umfang Bekleidungsstücke angeeignet hatte. Das Stadtbezirksgericht war davon ausgegangen. daß die Angeklagte eine „verantwortliche Stellung“ hatte. Die Angeklagte hatte aber lediglich die Aufgabe, die Arbeiten an die Heimarbeiter zu verteilen und die fertiggestellten Sachen abzunehmen. Allein der Umstand, daß sie in gewissem Sinne selbständig disponierte, genügte der Strafkammer zu der Feststellung, die Angeklagte habe die Tat unter grober Verletzung der sich aus einer verantwortlichen Stellung ergebenden Pflichten begangen. In der Rechtsmittelentscheidung wurde diese fehlerhafte Auffassung korrigiert. In einem anderen Verfahren hat das Stadtbezirksgericht die Funktion des Meisters eines volkseigenen Betriebes als verantwortliche Stellung i. S. des § 30 Abs. 2 Buchst, a StEG bezeichnet. Darin zeigt sich die Tendenz, jeden Leiter eines Kellektivs als in verantwortlicher Stellung Tätigen nach § 30 Abs. 2 Buchst, a StEG anzusehen, ohne auf das Wesen des Tatbestandes einzugehen und zu prüfen, ob die entsprechenden Voraussetzungen für seine Anwendung vorliegen. Im wesentlichen läßt sich danach der Personenkreis, der Subjekt eines Verbrechens gern. § 30 Abs. 2 Buchst, a StEG sein kann, auf den Kreis der leitenden Wirtschaftsfunktionäre wie Betriebsleiter, Hauptbuchhalter und auf jene mittleren Wirtschaftskader beschränken, deren Aufgabengebiet überwiegend darin besteht, bestimmte Kontrollfunktionen im Interesse des Schutzes des sozialistischen Eigentums auszuüben, wie z. B. Leiter von Kontrollorganen in Handelsbetrieben. Das bedeutet, daß nur durch Angehörige dieses Personenkreises wegen der ihnen zugewiesenen Befugnisse und der daraus resultierenden Möglichkeiten unabhängig von der Höhe des entstandenen Schadens eine erhöhte Gefährdung des gesellschaftlichen Eigentums eintreten kann. Diese erhöhte Gefährdung muß aber konkret nachgewiesen werden, andernfalls § 30 Abs. 3 StEG zur Anwendung kommen muß. Zur Mitwirkung mehrerer Täter Probleme ergeben sich auch bei der Anwendung des § 30 Abs. 2 Buchst, b StEG. Überwiegend geht die Auffassung gegenwärtig noch dahin, daß unter den sog. Gruppentatbestand alle Teilnehmer an den Straftaten fallen und der besonderen Gefährlichkeit des Tatbeitrages des die Gruppe organisierenden Täters bei der Strafzumessung Rechnung zu tragen ist. So hat das Stadtgericht im bereits erwähnten Prozeß gegen die Mitarbeiter der Inventurgruppe eines Kreisbetriebes der HO dargelegt, daß Voraussetzung für die Bestrafung aus § 30 Abs. 2 Buchst, b StEG lediglich die Teilnahme an den Straftaten in Form eines gesetzlich geregelten Teilnahmetatbestandes innerhalb der Gruppe sei. Ausgehend von den geltenden gesetzlichen Bestimmungen, ist diese Auffassung sicherlich richtig. Wir stimmen Buchholz aber darin zu, daß eine erhöhte Verantwortlichkeit vor allem die Organisatoren einer derartigen Gruppe trifft, da sie in der Regel ihre berufliche Stellung und das meist bestehende Unterstellungsverhältnis bei der Bildung der Gruppe ausnutzen4. Buchholz, a. a. O., S. 533. Wir vertreten daher die Auffassung, daß sehr sorgfältig zu prüfen ist, ob der konkrete Tatbeitrag des Teilnehmers am Gruppendelikt objektiv und subjektiv eine erhöhte Gefährdung des sozialistischen Eigentums hervorgerufen hat. Allein aus der Tatsache, daß ein Gruppendelikt i. S. des § 30 Abs. 2 Buchst, b StEG vorliegt, auf den Eintritt einer erhöhten Gefährdung des gesellschaftlichen Eigentums schließen zu wollen, wäre fehlerhaft und hätte die Verletzung des Prinzips der individuellen Verantwortlichkeit zur Folge. Der Sinn dieses Tatbestandes besteht u. E. darin, die besondere Verantwortlichkeit solcher Täter festzustellen, die auf Grund ihres Vorsatzes, der Zielrichtung und der Art und Weise ihrer Tatbeteiligung einen schweren Angriff auf das gesellschaftliche Eigentum begangen haben. Der Tatbestand des § 30 Abs. 2 Buchst, b StEG sollte also in erster Linie wie Buchholz vorgeschlagen hat gegen die Organisatoren einer solchen Gruppe Anwendung finden. Dabei ist davon auszugehen, daß die „erhöhte Gefährdung“ der „schweren Schädigung“ nicht gleichzusetzen ist und ein schwerer Fall i. S. des § 30 Abs. 2 Buchst, b StEG auch vorliegen kann, ohne daß eine schwere Schädigung eingetreten ist. Zur sogenannten Dcputatsideologie Die Notwendigkeit, bisherige Vorstellungen und Auffassungen einer sorgfältigen Überprüfung zu unterziehen, ergibt sich auch aus einer Reihe weiterer Erfahrungen. die bei der Beurteilung von Straftaten gegen. das sozialistische Eigentum im Handel gesammelt wurden. Die in Berlin festgestellten Straftaten betreffen zu einem wesentlichen Teil das Gaststättenpersonal und zwingen die Gerichte im Zusammenhang mit der Anwendung des § 30 StEG zu einer Auseinandersetzung mit der sog. Deputatsideologie. So konnte in den Verfahren, die in den letzten Monaten bei den Berliner Gerichten anhängig waren, festgestellt werden, daß Gaststättenleiter das sog. Hausessen ausgegeben hatten, ohne den in der Küche beschäftigten Mitarbeitern den festgelegten Unkostenbeitrag abzuverlangen. In vielen Fällen ergibt die Addition der Einzelbeträge für den gesamten Zeitraum, der nicht von der Verjährung berührt wird, sehr erhebliche Summen, die wegen ihrer Höhe die Frage nach der Anwendung des § 30 StEG aufwerfen. Diese Problematik lag auch der in NJ 1964 S. 445 veröffentlichten Entscheidung des Stadtgerichts zugrunde. Die Ursachen eines derartigen Verhaltens etwa in einer verbrecherischen Mißachtung des gesellschaftlichen Eigentums sehen zu wollen, ist aber fehlerhaft und entspricht in keiner Weise den im Rechtspflegeerlaß an die Tätigkeit der Rechtspflegeorgane gestellten Anforderungen. Hier kommt es vielmehr darauf an, die Zählebigkeit alter Traditionen zu erkennen und den jeweiligen Täter in seinem Gesamtverhalten zu beurteilen. So stellten wir fest, daß die Mehrzahl der Gaststättenleiter das Hausessen kostenlos an das Küchenpersonal aus dem Bestreben heraus abgeben, die finanzielle Lage dieses Personenkreises zu verbessern und diese Kollegen dadurch an einer ständig besseren Arbeit in der Gaststätte zu interessieren. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Erfahrung, daß in den Fällen, in denen der Gaststättenleiter einer derartigen Praxis ablehnend gegenübersteht, der Unkostenbeitrag in der Regel vom Bedienungspersonal aus den Trinkgeldern aufgebracht wird. Es handelt sich hier also ganz offensichtlich um Erscheinungen, die im allgemeinen als Auswirkungen der sog. Deputatsideologie aufgefaßt werden. Viele Richter und Staatsanwälte sind der Ansicht, daß solche Erscheinungsformen mit allen Mitteln zu bekämpfen seien. Wir können uns dieser Auffassung nicht unbedingt anschlie- 7 00;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 700 (NJ DDR 1964, S. 700) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 700 (NJ DDR 1964, S. 700)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen haben zu gewährleisten, daß die Aufgaben- und Maßnahmenkomplexe zur abgestimmten und koordinierten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlas-sens und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels. Im engen Zusammenhang damit ergibt sich die Notwendigkeit der allseitigen Klärung der Frage er ist wer? besonders unter den Personen, die in der Vergangenheit bereits mit disziplinwidrigen Verhaltens weisen in der Öffentlichkeit in Erscheinung traten und hierfür zum Teil mit Ordnungsstrafen durch die belegt worden waren. Aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig ist. Alle auf der Grundlage des Gesetzes durchgeführten Maßnahmen sind somit zu beenden, wenn die Gefahr abgewehrt oder die Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit einhergeht. Fünftens ist in begründeten Ausnahmefällen eine Abweichung von diesen Grundsätzen aus politischen oder politisch-operativen, einschließlich untersuchungstaktischen Gründen möglich, wenn die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Ausweisungsgewahrsams gegeben und wird im Ergebnis der Prüfung von möglichen anderen Entscheidungen, der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Abstand genommen, so ordnet der Leiter der Hauptabteilung oder der Leiter der Bezirksverwaltung Verwaltung den vorläufigen Ausweisungsgewahrsam. Diese Möglichkeit wurde mit dem Ausländergesetz neu geschaffen. In jedem Fall ist aber zu sichern, daß der betreffende Jugendliche eine unmittelbare staatliche Reaktion auf seine gesellschaftsschädliche Handlungsweise erlebt, um daraus die erforderlichen Schlußfolgerungen zu ziehen. In bestimmten Fällen wird die offensive Wirksamkeit der Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die gleiche Person anzugeben, weil die gleichen Ermittlungsergebnisse seinerzeit bereits Vorlagen und damals der Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Das verlangt, vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens anhand objektiver Kriterien und Umstände gewissenhaft zu prüfen und zu beurteilen, ob diese Voraussetzungen tatsächlich vorliegen.

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