Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 683

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 683 (NJ DDR 1964, S. 683); Gedanken zur Strafbarkeit von „Borggeschäften“ und Trinkgeldentnahmen In der Praxis spielt die Frage eine Rolle, ob der Verkauf „auf Borg“ durch den Verkaufsstellenleiter eine Straftat (Untreue) darstellt oder als Disziplinwidrigkeit zu betrachten ist. Hier müssen auch die Fälle einbezogen werden, daß der Verkaufsstellenleiter für sich selbst „borgt“, nämlich vorübergehend kleine Warenmengen ohne sofortige Bezahlung oder Geldbeträge für kleine Ausgaben (z. B. Zeitungsgeld, Versicherungsbeiträge, kleine Einkäufe in anderen Geschäften) entnimmt und nach verhältnismäßig kurzer Zeit begleicht. Grundsätzlich ist ein solches Verhalten nicht zu billigen. Es ist jedoch zu erwägen, ob solche Borggeschäfte unter Berücksichtigung des § 8 StEG überhaupt als kriminelle Handlungen zu beurteilen sind. Der dem Handelsbetrieb dadurch entstandene ökonomische Schaden, daß er zeitweise nicht über die entsprechenden, verhältnismäßig kleinen Geldbeträge verfügen kann oder insoweit für ihn ein geringer Zinsverlust entsteht, ist zweifellos geringfügig. Als Voraussetzung müßte allerdings gefordert werden, daß der Verkaufsstellenleiter über diese „Außenstände“ die Übersicht behalten hat, z. B. durch schriftliche Nachweise. Dann ist eine Ungewißheit über' die Vermögenslage und damit eine Gefährdung des sozialistischen Eigentums nicht eingetreten. Weiterhin dürfte nur eine Stundung von kurzer Dauer vorgenommen worden sein (meist geschieht es ohnehin nur bis zum nächsten Lohn- und Gehaltsempfang des Kunden bzw. seiner Familie). Das kann sich aber nur auf Waren des täglichen Bedarfs beziehen und darf den Rahmen des üblichen Umfangs soldier Gefälligkeiten gegenüber Kunden bzw. auch bei Eigenentnahmen nicht überschreiten. Bei höherwertigen Industrieerzeugnissen muß diese Rechtsanwendung wegen des in der Regel damit verbundenen Risikos für den Handelsbetrieb und der teilweise bestehenden Möglichkeit, staatlich genehmigte Teilzahlungsverträge abzuschließen, außer Betracht bleiben. Eine Straftat liegt u. E. auch nicht vor, wenn Mitarbeiter des Handels in Betrieben, in denen kein Bonsystem eingeführt ist (z. B. in Kaffee- oder Imbißstuben, an Büfetts und Bars), am Ende der Arbeitszeit das erhaltene Trinkgeld aus der Kasse bzw. statt dessen Waren entnehmen. Im Gegensatz zu den mit Bons arbeitenden Kellnern und Bedienungskräften, die bei Arbeitsschluß von vornherein nur den Gesamtbetrag an den Handelsbetrieb abrechnen, der sich aus der Addition der vorliegenden Bons ergibt, und die Trinkgelder behalten, kassieren die anfangs genannten Mitarbeiter vielfach ohne Bons oder Kassenleisten in ein als Kasse dienendes Behältnis. Sie sind zumeist infolge des durchgängigen Geschäftsbetriebes nicht in der Lage, erhaltene Trinkgelder nach jeder Verkaufshandlung auszusondern, bevor sie den empfangenen Geldbetrag in die Kasse legen. Daher muß ihnen die Möglichkeit zugebilt ligt werden, die ihnen von den Kunden zugedachten Trinkgelder an sich zu nehmen. Problematisch ist hierbei allerdings, die Höhe des insgesamt erhaltenen Trinkgeldes festzustellen. Diese Beweisschwierigkeiten können jedoch auf die rechtliche Beurteilung im Prinzip keinen Einfluß haben. Der 4. Strafsenat des Obersten Gerichts hat in einem Verfahren gegen ein Gaststättenleiterehepaar17, das täglich mit dem Verkaufserlös 10 bis 15 MDN Trinkgelder in der Kasse vereinnahmte und dafür Getränke und Zigaretten bis zur Höhe des täglichen Mindesttrinkgeldes von 10 MDN entnahm, entschieden, daß objektiv keine Verkaufsstellenleitern nur solche mit außergewöhnlich großem Verantwortungsbereich und selbständiger Tätigkeit (z. B. Leiter von Warenhäusern und Großgaststätten) dazu zu zählen sind 17 OG, Urteil vom 24. Mai 1963 - 4 Zst 4/63 (unveröffentlicht). Unterschlagung Vorgelegen hat (Untreue scheidet mangels einer Nachteilszufügung ohnehin aus). Die Handelsorgane sollten aber dort, wo bessere Lösungen nicht möglich sind, wenigstens Nachweise über die Höhe des täglich entnommenen Trinkgeldes führen lassen ebenso wie Merkbücher für eigene Einkäufe des Personals vorgeschrieben sind , um gewisse Anhaltspunkte für Vergleiche und Kontrollen zu haben. Begünstigende Umstände und Strafzumessung In vielen Verfahren ist die Frage aufgetaucht, welchen Einfluß die straftatbegünstigenden Umstände auf den Grad der Schuld des Täters und damit zugleich auf die Strafzumessung haben! Dabei ist besonders an die begünstigenden Umstände zu denken, die von der Leitung des Handelsbetriebes und deren Mitarbeitern verursacht oder geduldet worden sind, wie ungenügende erzieherische Einwirkung, fehlende Kontrolle, oberflächliche Inventuren, Unordnung und andere Mängel im Abrechnungswesen, Buchungsfehler, ungenügende Qualifikation oder Überlastung des Täters, durch die Leitung geförderte unkritische Atmosphäre, schlechter Einfluß des Kollektivs usw. Solche begünstigenden Umstände können den Grad der Schuld des Täters verringern und zu einer niedrigeren Strafe führen oder auch für die Anwendung der bedingten Verurteilung mit entscheidend sein, wenn ein erkennbarer Zusammenhang zwischen den begünstigenden Umständen und der Straftat besteht und das Verhalten des Täters durch ihren Einfluß bestimmt wurde18 19. Nutzt der Täter aber begünstigende Umstände zur Begehung seiner Straftat aus, so können diese Gesichtspunkte selbstverständlich keine Gültigkeit haben. Umstände, die sich der Täter selbst schafft, um sich die Begehung seiner Straftat zu erleichtern oder um deren Entdeckung zu erschweren oder zu verzögern, können dagegen den Grad der Schuld erhöhen und strafverschärfend wirken. Bei der Anwendung der Strafen kann festgestellt werden, daß in der Mehrzahl aller Verfahren richtig differenziert wird. Die notwendigen Abänderungen der Strafen im Rechtsmittelverfahren sind zumeist die Folge ungenügender Sachaufklärung oder unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die Gerichte wenden Freiheitsstrafen zutreffend dort an, wo dem gesellschaftlichen Eigentum ein hoher Schaden entstanden ist und in der Person des Täters sowie auf Grund der gesamten Tatumstände die Voraussetzungen für eine Erziehung ohne Freiheitsstrafe nicht gegeben sind. In bezug auf die .Anwendung der bedingten Verurteilung haben sich in den Vergangenen Monaten keine Anzeichen für eine ungerechtfertigte Ausweitung dieser Strafart gezeigt. Unbefriedigend ist hierbei jedoch noch immer die sehr ungenügende Wirksamkeit dieser Entscheidungen, so daß die erzieherische Einwirkung auf den Täter sowie das gleichzeitige politisch-ideologische Wachsen des Kollektivs, in welchem der Täter lebt und arbeitet, in vielen Fällen nicht gewährleistet ist111. Die Überwindung von geringfügigen Straftaten im Handel Unklarheiten bestehen bei einigen Gerichten noch hinsichtlich der richtigen Einschätzung der „kleinen Kri- 18 wir verweisen hier auf das in diesem Heft veröffentlichte Urteil 4 Ust 11 64 gegen den Inventurprüfer, der ohne persönlichen Vorteil Warenbestände fingierte, weil der Vorstand der Konsumgenossenschaft 'wegen der Spitzenstellung im Wettbewerb keinen Wert auf die Feststellung von Mankos legte. Vgl. auch das bereits zitierte Urteil des Obersten Gerichts vom 15. November 1963 gegen den Leiter von fünf Verkaufsstellen, der dadurch nicht in der Lage war, eine ordnungsgemäße Kontrolle auszuüben. 19 Vgl. hierzu die Ausführungen von Schlegel in diesem Heft. 683;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 683 (NJ DDR 1964, S. 683) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 683 (NJ DDR 1964, S. 683)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die erforderlichen Beweise in beund entlastender Hinsicht umfassend aufgeklärt und gewürdigt werden. Schwerpunkte bleiben dabei die Aufklärung der Art und Weise der Erlangung von Beweismitteln und deren Einführung in das Strafverfahren. Da in den Vermerken die den Verdachtshinweisen zugrunde liegenden Quellen aus Gründen der Gewährleistung der Konspiration inoffizieller und anderer operativer Kräfte, Mittel und Methoden Staatssicherheit in der Beweisführung im verfahren niederschlagen kann. Es ist der Fall denkbar, daß in der Beweisführung in der Untersuchungsarbeitdie absolute Wahr- heit über bestimmte strafrechtlich, relevante Zusammenhänge festgestellt und der Vvahrheitsivcrt Feststellungen mit Gewißheit gesichert werden kann, die Beweis führu im Strafverfahren in bezug auf die Fähigkeit der Schutz- und Sicherheitsorgane; die Sicherheit des Staatesund die Geborgenheit der Bürger zu gewährleisten, führen. Daraus folgt, daß für den Vollzug der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Sicherheit in den Unterau ohungshaftanstalten des Ministeriums fUr Staatssicherheit gefordert, durch die Angehörigen der Abteilungen eine hohe Sicherheit, Ordnung und Disziplin bei Transporten ist ausgehend vom Arbeitsgegenstand erstrangig und allen anderen Erfordernis sen vorangestellt. Dementsprechend ist in der Dienstanweisund Über den Vollzug der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Sicherheit in den Unter uchungshaf ans alten Staatssicherheit und den dazu erlassenen Ordnungen und Anweisungen des Leiters der Abteilung Staatssicherheit Berlin er faßt ist. Ausgenommen sind hiervon Verlegungen in das jfaft-kankenhaus des Aii Staatssicherheit , Vorführungen zu Verhandlungen, Begutachtungen oder Besuchen der Strafgefangenen. Durch den Leiter der Abteilung und den zuständigen Untersuchungsführer sind vor jeder Besuchsdurchführung die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen abzusprechen., Durchgeführte Besuche mit Inhaftierten sind zu registrieren.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X