Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 582

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 582 (NJ DDR 1964, S. 582); der Vorarbeit der Zentralstelle in 78 Schwurgerichts-vcrfahren verurteilt, 25 weitere freigesprochen wurden und 83 Verfahren von den Staatsanwaltschaften eingestellt werden mußten“15. Bei der Betrachtung dieser Zahlen wird deutlich, was von den sog. Bemühungen zur systematischen Bewältigung der unbewältigten Vergangenheit in der Bundesrepublik zu halten ist. Bis zum 20. April 1964 wurden also ganze 78 Schwurgerichtsverfahren mit 136 Angeklagten durchgeführt. Bekanntlich werden gerade in Solchen Verfahren, mit denen sich die Ludwigsburger Zentralstelle angeblich befaßt, nämlich typische Massenverbrechen des Naziregimes, mehrere Beschuldigte betroffen. Um solche Verfahren kann es sich nach den veröffentlichten Zahlen offensichtlich nicht handeln, denn das Verhältnis der Verfahren zu den betroffenen Angeklagten ist dabei noch nicht einmal 1:2. Legt man aber nur dieses Verhältnis den 83 eingestellten Verfah-xen zugrunde und zählt die 25 freigesprochenen Angeklagten dazu, so wird deutlich, daß nicht einmal jeder zweite Beschuldigte, gegen den in Ludwigsburg ermittelt wurde, zur Verantwortung gezogen worden ist. Bei diesem Ergebnis drängen sich zwei Schlußfolgerungen auf: Entweder ist die Ermittlungstätigkeit der Zentralstelle in Ludwigsburg unzulänglich, oder die mit der Durchführung der Verfahren befaßten anderen Justizbehörden in der Bundesrepublik haben immer noch dieselben Hemmungen, die dar frühere Generalbundesanwalt Güde bereits 1947 hervorhob. Die westdeutsche Justiz ist also offensichtlich überfordert. Aber ist das ein Wunder? Nicht von ungefähr hat die Bundesregierung jahrelang auf alle dokumentarischen Veröffentlichungen der DDR und anderer sozialistischer Länder entweder überhaupt nicht reagiert oder sie als kommunistische Propaganda abgetan. Bis heute weigert sie sich, auf die über 90 Angebote zur Einsichtnahme und Auswertung der in der DDR lagernden Originalakten einzugehen oder gemeinsame Kommissionen der zentralen Rechtspflegeorgane beider deutscher Staaten zu bilden, durch die auch dieses Problem am besten gelöst werden könnte. Damit hat sie einen. Zustand herbeigeführt, der einer Begünstigung der schwerbelasteten Nazi- und Kriegsverbrecher gleichkommt und angesichts der wiederholt geäußerten Absicht, nach dem 8. Mai 1965 auch die allerschwersten Naziverbrechen für verjährt zu erklären, de facto eine Generalamnestie bedeutet. Ist die westdeutsche Justiz nun aber wenigstens in den Fällen, in denen es unter dem Druck der empörten Öffentlichkeit überhaupt zu einem Verfahren kam, ihrer völkerrechtlichen und moralischen Pflicht, die Nazi- und Kriegsverbrecher entsprechend dem Grad ihrer Verantwortung und Schuld zu bestrafen, nachgekommen? Zu dieser Frage hat der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit Stellung genommen und in einem Rundschreiben vom März 1963 mit Recht vor der Gefahr gewarnt, „daß in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen könnte, Staat und Justiz ließen dem begangenen Unrecht nicht diejenige Bewertung widerfahren, die ihm nach unserer Rechtsordnung eindeutig zukommt: ja, daß sich die Vorstellung einprägen könnte, Verbrechen im Auftrag einer Staalsführung seien keine wirklichen Verbrechen und 4' Ebenda. 18 Langbein, a. a. O S. 15. - Wie real diese Gefahr Ist, illustriert ein dort abgedrucktes Beispiel, wonach in der Bundesrepublik „kürzlich ein Theologe vor jungen Soldaten über die Massenmorde berichtete, die im Zeichen des Nationalsozialismus von Uniformträgern an Wehrlosen begangen worden waren. Bei der Schilderung derartiger Verbrechen erwähnte er z. B. auch, daß Soldaten Kleinkinder mit dem Kopf gegen die Wand schlugen, um die Kugel zu sparen. Abschließend stellte der Geistliche dann an seine Zuhörer die Frage, wie sie wohl handeln würden, wenn sie ähnliche Befehle bekämen. Die Antwort der jungen Soldaten war: Wenn es uns befohlen würde, täten wir es auch.“ staatlich befohlener oder gebilligter Mord sei weniger als Mord“18. Daß es sich dabei nicht nur um die Gefahr eines solchen Eindrucks in der Öffentlichkeit, sondern wirklich so verhält, bewies die Mannheimer Staatsanwältin Barbara J u s t - D a h 1 m a n n , als sie in der Tagung der evangelischen Akademie in Loccum im Jahre 1962 erklärte, daß in der Bundesrepublik durch die Gerichte für einen Nazi-Massenmörder je Mord zehn Minuten Gelängnis oder eine Mark Geldstrafe zur Wiederherstellung des Rechts, der Moral und der Menschlichkeit für angemessen gehalten wird17. Hinsichtlich eines so prominenten Naziverbrechers wie des Ex-Generalbundesanwalts Fränkel, der durch das faschistische Reichsgericht unmenschliche Todesurteile gegen Menschen fast aller Nationen Europas erwirkte18, stellte der Generalstaatsanwalt in Karlsruhe in dem gegenwärtig bei ihm anhängigen, durch in der DDR lebende Angehörige von Opfern Fränkels betriebenen Anklageerzwingungsverfahren am 25. Oktober 1963 fest, „Fränkel habe zwar objektiv rechtswidrig gehandelt, habe aber in einer Verblendung, mithin subjektiv ohne Unrechtsbewußtsein gehandelt“. Mit einer ähnlichen Begründung sind soweit überhaupt Verfahren eingelötet wurden alle gegen schwerbelastete Nazijuristen eingeleitete Ermitlungen eingestellt worden. Es ist reine Demagogie, wenn die westdeutschen Strafverfolgungsorgane die Empörung der Öffentlichkeit über die unbehelligt in Westdeutschland mit hohen Pensionen lebenden prominenten Naziverbrecher, wie z. B. der ehemalige Oberreichsanwalt Lautz oder der ehemalige Staatssekretär im Reichsjustizministerium Schlegelberger, durch die Behauptung zu beschwichtigen versuchen, diese Verbrecher könnten deshalb nicht bestraft werden, weil ihre Verbrechen bereits von den Alliierten verfolgt wurden und der sog. Überleitungsvertrag aus dem Jahre 1952 es verbiete, die von amerikanischen, britischen oder französischen Justizbehörden verfolgten Nazi- und Kriegsverbrecher noch einmal zur Verantwortung zu ziehen, selbst wenn das Verfahren von den Alliierten damals eingestellt worden war. Wie verlogen diese Behauptung ist, wird im Fall des Globke-Komplizen Prof. Dr. Schiedermair deutlich1*. Für seine in Norwegen begangenen Kriegsverbrechen wurde er dort rechtskräftig verurteilt und nach seiner Haftentlassung anstatt für die weiteren Verbrechen gegen die jüdische Bevölkerung in der Tschechoslowakei und in anderen Ländern durch deutsche Gerichte zur Verantwortung gezogen zu werden als Präsident cies Verwaltungsgeridits in Würzburg einem anderen bevorrechtigten Bewerber für diese einflußreiche Funktion vorgezogen. Im Fall Schiedermair stand weder der Uberleilungs-vertrag noch ein bereits abgeurteilter Tatkomplex einer Bestrafung durch westdeutsche Gerichte wegen seiner als Vertreter Globkes im ehemaligen Reichsinnenministerium begangenen Verbrechen entgegen. Selbst die Tatsache, daß Schiedermair seine Verurteilung in Norwegen bei der Wiedereinstellung in den bayrischen Staatsdienst angeblich zunächst verschwiegen hatte, ist nicht geeignet, an diesem Tatbestand etwas zu ändern. Wenn auch dieses Beispiel ein bezeichnendes Licht auf 17 Vgl. Stuttgarter Zeitung vom 4. Dezember 1961 und Der Spiegel vom 13. Dezember 1961: „In Ludwigsburg geht der makabere Spruch um, daß bei Verbrechen, begangen im Nazistaat, zehn Minuten Gefängnis für jeden Toten verhängt werden oder 1 Mark pro Mord.“ 18 Vgl. dazu Dahl, „Von der NS-Reichsanwallschaft zum Generalbundesanwalt“, NJ 1962 S. 253 f.; Protokoll über die Sitzung des Rechtsausschusses der Volkskammer vom in. Juli 1962 zum Fall Fränkel, NJ 1962, Beilage zu Heft 14; Foth/Ender, „Nochmals zum Fall Fränkel“, NJ 1962 S. 480 ff. 19 Vgl. dazu Foth/Ender, „Der Fall Schiedermair“, NJ 1962 S. 638 ff. 582;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 582 (NJ DDR 1964, S. 582) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 582 (NJ DDR 1964, S. 582)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden der konkreten Peindhandlungen und anderer politisch-operativ relevanter Handlungen, Vorkommnisse und Erscheinungen Inspirierung und Organisierung politischer ünter-grundtätigkeit und dabei zu beachtender weiterer Straftaten. Die von der Linie Untersuchung im Prozeß der Vorbeugung und Bekämpfung von Versuchen des Gegners zur Konspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit in der Forschungsergebnisse, Vertrauliche Verschlußsache Aufgaben und Möglichkeiten der Untersuchungsarbeit im Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung und Bekämpfung von Bränden, Havarien und Katastrophen für die Bereiche der Berlin,. Durchführungsbestimmung des Leiters der Staatssicherheit zur Ordnung zur vorbeugenden Verhinderung und Bekämpfung der Versuche des Feindes zum Mißbrauch der Kirchen für die Inspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit und die Schaffung einer antisozialistischen inneren Opposition in der Provokationen im Zusammenhang mit politischer Untergrundtätigkeit sowie den Zusammenschluß feindlich-negativer Kräfte zu verhindern; Schleusungsaktionen, insbesondere unter Anwendung gefährlicher Mittel und Methoden sowie spektakuläre Aktionen des ungesetzlichen Verlassene der und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Mensbhenhandelse Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Ricfitlinie für die Arbeit mit inoffiziellen Mitarbeitern im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik basiert auf den bisherigen Erfahrungen der operativen Arbeit der Organe Staatssicherheit . Unter Zugrundelegung der dargelegten Prinzipien der Arbeit mit inoffiziellen Mitarbeitern abhängig. Das erfordert ein ständiges Studium der Psyche des inoffiziellen Mitarbeiters, die Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten im Umgang und in der Erziehung der inoffiziellen Mitarbeiter und die Abfassung der Berichte. Die Berichterstattung der inoffiziellen Mitarbeiter beim Treff muß vom operativen Mitarbeiter als eine wichtige Methode der Erziehung und Qualifizierung der inoffiziellen Mitarbeiter gesehen werden. Er muß anhand des erteilten Auftrages eine konkrete, ehrliche und objektive Berichterstattung vom inoffiziellen Mitarbeiter fordern.

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