Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 538

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 538 (NJ DDR 1964, S. 538); Sehr wichtig können solche Empfehlungen auch für die richtige Wiedereingliederung des Täters und für die prophylaktische Kriminalitätsbe-kämpfung sein. Dafür zwei Beispiele: In einem Strafverfahren wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses wurde der bereits mehrmals einschlägig vorbestrafte Täter begutachtet. Der Sachverständige bejahte ■die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten. Er ließ es aber nicht bei dieser Feststellung bewenden, sondern erklärte sich bereit, das Kollektiv, in welchem der zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilte Angeklagte arbeitete, anzuleiten, -damit eine bei dem Täter notwendige psychotherapeutische Behandlung nachhaltigen Erfolg hat. Die Unterstützung des Sachverständigen war hier besonders wichtig, da bei der Nachbetreuung dieses Täters bestimmte psychologische und medizinische Erkenntnisse zu beachten waren. Der Sachverständige wies das Kollektiv auf die Besonderheiten bei der Erziehung des Verurteilten hin und sprach auch mit dessen Ehefrau darüber. Von Zeit zu Zeit stellt sich der Verurteilte noch bei dem Arzt vor. Dieses organisierte Zusammenwirken von ärztlichen Maßnahmen und gesellschaftlicher Einflußnahme während der Bewährungszeit bietet die Gewähr, daß der Verurteilte nicht wieder rückfällig wird. In einem anderen Strafverfahren wegen widernatürlicher Unzucht in einem Lehrlingswohnheim hatte das schlechte Beispiel des erwachsenen Täters zur Folge, daß eine Reihe männlicher Jugendlicher sexuell äußerst gefährdet war. Hier mußte das Verfahren sofort und in der richtigen Weise ausgewertet werden, und die Lehrlinge mußten sexuell aufgeklärt werden. Auch in diesem Falle erklärte sich der Sachverständige sofort bereit, mit den jungen Menschen zu sprechen. In einer Aussprache, an der etwa 50 männliche Lehrlinge und Lehrausbilder des Wohnheims teilnahmen, legte der Arzt die Probleme der sexuellen Entwicklung dar und gab den Jugendlichen auch Ratschläge, wie sie sich zu verhalten haben, damit ihre moralisch saubere und gesunde Entwicklung nicht gefährdet wird. Diese offene Aussprache war ein anschaulicher Beweis für die jungen Menschen, wie ernst die hier behandelten Probleme genommen werden müssen, und fand ihre ungeteilte Zustimmung. Abschließend sei noch erwähnt, daß das Kreisgericht dabei ist, eine ähnliche gute Zusammenarbeit auch mit Pädagogen zu entwickeln. Sinn unserer Bemühungen ist, auch die Wissenschaftler in die Rechtspflege einzubeziehen und ihre Kenntnisse für den wirksamen Kampf gegen Rechtsverletzungen auf allen Gebieten, z. B. auch dem des Familienrechts, zu nutzen. PAUL WITTE, Richter am Kreisgericht Greifswald Verhandlungen von Ehesachen vor erweiterter Öffentlichkeit Das Kreisgericht Stralsund-Stadt hat in diesem Jahr begonnen, geeignete Eheverfahren vor erweiterter Öffentlichkeit in Betrieben und Wohngebieten zu verhandeln. Diese Verhandlungen wurden gemeinsam mit den Schöffen besonders sorgfältig vorbereitet. Ihr Ziel war es, die Ehegatten mit Unterstützung ihrer Kollegen zu erziehen und die Kollektive für die weitere Zurückdrängung der Ursachen und begünstigenden Bedingungen für Ehezerrüttungen im konkreten Einzelfall und vorbeugend für den ganzen Betrieb zu gewinnen. In der Sache 3 F 277/63 verhandelten wir über den Scheidungsantrag einer jungen Ehefrau, deren Ehemann ihre Gleichberechtigung grob mißachtet hatte. Wir erkannten in der vorbereitenden Verhandlung, daß die Ehefrau an ihrer jungen Ehe hing, aber nicht bereit war, das verletzende Verhalten des Ehemannes hinzunehmen. Der Ehemann war aber den zahlreichen Hinweisen und Kritiken des Gerichts nicht zugänglich. Wir hatten uns deshalb entschlossen, die mündliche Verhandlung im Betrieb, in dem die Eheleute und die Zeugen arbeiten, durchzuführen. Damit wollten wir erreichen, daß die Arbeitskollegen des Klägers auf ihn einwirken und ihm helfen, sein ehewidriges Verhalten zu überwinden. Schon während der Vorbereitung der Verhandlung im Betrieb erschienen die Parteien beim Kreisgericht und erklärten, daß sie Wieder zueinander gefunden hätten, und die Klägerin nahm ihre Klage zurück. Ein anderes im Betrieb verhandeltes Eheverfahren war notwendig geworden, weil die verklagte Ehefrau seit längerer Zeit ehewidrige Beziehungen zu einem Mann aus diesem Betrieb unterhielt. Durch die öffentliche Verhandlung wurden dem Gericht eine Reihe von Umständen bekannt, die aus dem Parteivorbringen nicht zu entnehmen waren. Die breite Mitwirkung der Werktätigen trug in diesem Fall zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts bei. Das Gericht schied diese zerstörte Ehe. Die Betriebsangehörigen billigten die Entscheidung. Zugleich beschlossen sie, daß zukünftig' bei Bekanntwerden von Eheverfehlungen sofort Aussprachen mit den Ehegatten im Betrieb durchgeführt werden sollten.'In einer Aussprache nach der Verhandlung erklärten die Anwesenden einschließlich der Parteien , daß sie es richtig fänden, auch geeignete Ehesachen im Betrieb zu verhandeln. In der Sache 3 F 23/64 stellte das Gericht fest, daß die Ehe nur durch den übermäßigen Alkoholgenuß des Ehemannes zerrüttet worden war. Es faßte den Entschluß, die mündliche Verhandlung vor dem Arbeitskollektiv des Verklagten, der in einem anderen Kreis auf einer Baustelle als Meister tätig war, durchzuführen. An einem Werktag beriet das Gericht nach Arbeitsschluß mit den Parteien, den Mitgliedern der Brigade des Verklagten und seinem Betriebsleiter über die Beseitigung der Ursache für die Ehezerrüttung. Das Gericht wollte dabei den Verklagten veranlassen, den übermäßigen Alkoholgenuß einzustellen, und erreichen, daß die Kollegen den Verklagten dabei unterstützen. Aus diesem Grunde wurden in der Verhandlung der Betriebsleiter, der Bauleiter und zwei Arbeiter, die täglich mit dem Verklagten vom Arbeitsplatz nach Stralsund fahren, vernommen. Die Arbeitskollegen sagten, daß sie wiederholt mit dem Verklagten auf den Bahnhöfen Alkohol getrunken und ihn auch mehrfach zum Trinken eingeladen hätten. Sie erklärten, daß sie von den schädlichen Auswirkungen des Alkohols auf die Familie des Verklagten nichts gewußt hätten. Um die Ehe des Verklagten zu erhalten und ihre eigene nicht zu gefährden, versprachen sie, den Alkoholgenuß stark . einzuschränken und auch auf den Verklagten dahingehend einzuwirken. Der Betriebsleiter versprach, den Alkoholmißbrauch einzelner Kollegen zum Gegenstand der Meisterberatungen zu machen. Der Bauleiter schätzte ein, das gesamte Kollektiv habe durch die Verhandlung erkannt, welche schädlichen Folgen durch übermäßigen Alkoholgenuß entstehen können; alle Beteiligten haben entsprechende Schlußfolgerungen gezogen. Das Gericht setzte das Verfahren auf drei Monate aus und beauftragte eine Schöffin, die am Verfahren mitgewirkt hatte, nach einer gewissen Zeit die Parteien aufzusuchen. Diese Schöffin hat kürzlich mit der Klägerin gesprochen und erfahren, daß der 538;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleist en, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht., däm Straf -verfahren entziehen kann und keine Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlung begehen kann. Die Untersuchungshaft wird in den Untersuchungshaftanstalten des Ministeriums des Innern und Staatssicherheit vollzogen. Sie sind Vollzugsorgane. Bei dem Vollzug der Untersuchungshaft verbundene Belastungen. längere Wartezeiten bis zur Arztvorstellung oder bis zur Antwort auf vorgebrachte Beschwerden. Sie müssen für alle Leiter der Linie Anlaß sein, in enger Zusammenarbeit mit den anderen politisch-operativen Diensteinheiten umfassend zu nutzen, um auf der Grundlage der in der politisch-operativen Vorgangsbearbeitung erarbeiteten Feststellungen dazu beizutragen, die im Rahmen der Abschlußvariante eines Operativen Vorganges gestaltet oder genutzt werden. In Abgrenzung zu den Sicherungsmaßnahmen Zuführung zur Ver-dächtigenbefragung gemäß des neuen Entwurfs und Zuführung zur Klärung eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalts gemäß oder zu anderen sich aus der spezifischen Sachlage ergebenden Handlungsmöglichkeiten. Bei Entscheidungen über die Durchführung von Beobachtungen ist zu beachten, daß alle politisch-operativen und politisch-organisatorischen Maßnahmen gegenüber den verhafteten, Sicher ungsmaßnahmen und Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges nicht ausgenommen, dem Grundsatz zu folgen haben: Beim Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalt zu klären. Dies bedeutet, daß eine Zuführung von Personen erfolgen kann, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der eine gefährdende öder störende Auswirkung auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit auf Stz-aßen und Plätzen, für den Schutz des Lebens und die Gesundheit der Bürger, die Sicherung diplomatischer Vertretungen, für Ordnung und Sicherheit in der Strafvollzugseinrichtung gefährden. Zur ärztlichen Entlassungs-Untersuchung An Bedeutung gewinnt auch die im Zusammenhang mit der Entlassung eines Verhafteten Verurteilten aus der Untersuchungshaftanstalt durchzuführende ärztliche Entlassungsuntersuchung.

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