Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 527

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 527 (NJ DDR 1964, S. 527); Zur jbiskussioa DIETMAR SEIDEL, wiss. Assistent am Institut für Strafrecht der Humboldt-Universität Berlin Strafrechtliche Aspekte des Produktionsrisikos Das neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft stellt höhere Anforderungen an die leitenden Wirtschaftsorgane. Es ist mit einer „wesentlichen Erhöhung der Verantwortung der Werkleiter verbunden“1. An die „Qualifikation, das Verantwortungsbewußtsein und die Entscheidungsfreudigkeit der Leiter (werden) höhere Ansprüche als bisher gestellt“2. Es müssen Leiter sein, die „perspektivisch denken können, die den Mut haben, Risiken zu tragen, und die ihre eigene Arbeit und die ihrer Mitarbeiter ständig daran messen, ob auch der höchste Nutzen für unsere Volkswirtschaft und damit für unser Volk herauskommt“3 * 5. Wer so- handelt und entscheidet und dabei ein vertretbares Risiko auf sich nimmt, muß die Gewißheit haben, daß er für dabei möglicherweise auftretende schädliche Auswirkungen strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen wird. In der Sowjetunion wurden schon vor längerer Zeit* und unlängst’’ Beiträge zu strafrechtlichen Problemen des Produktionsrisikos veröffentlicht. Auch bei uns sind erste Ansätze zu erkennen, diese Problematik zu lösen6 *. Selbstverständlich darf es sich bei einem anerkannten Risiko nicht um leichtfertige und abenteuerliche, sondern muß es sich um verantwortungsbewußt übernommene und gesellschaftlich vertretbare Entscheidungen handeln. Das Recht auf Risiko muß also moralisch und rechtlich anerkannt werden. Dadurch wird das Verhalten der Menschen, die eigenschöpferisch, mutig und kühn vorwärtsschreiten, aktiviert. Ihre Initiative und Entscheidungsfreudigkeit wird gefördert. Gleichzeitig wird ihr Verantwortungsbewußtsein gehoben, denn leichtfertige, vermessene, ’auf „gut Glück“ vorgenommene Handlungen bleiben strafrechtlich relevant. Verletzungen des Arbeitsschutzes, verbrecherische Unwirtschaftlichkeit, ungerechtfertigte Vergeudung staatlicher Mittel usf. dürfen nicht mit der Notwendigkeit eines „Risikos“ begründet werden. Die gesetz- 1 W. Ulbricht, „Das neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft in der Praxis“, Berlin 1962, & 95. 2 a. a. O S. 96. 3 W. Ulbricht, „Die Durchführung der ökonomischen Politik im Planjahr 1964 unter besonderer Berücksichtigung der chemischen Industrie“, Berlin 1984, S. 16; vgl. auch den Diskussionsbeitrag von Wittkowski auf dem 5. Plenum des Zentralkomitees der SED, in dem ausgeführt wird, daß „es auch in einer geplanten Wirtschaft weder eine risikolose Produktion noch einen risikolosen Handel gibt“, Neues Deutschland (Ausg. B) vom 10. Februar 1964, S. 6. M. S. Grinberg, „Das Moment des gerechtfertigten Risikos im Produktionsprozeß und seine strafrechtliche Bedeutung“, Rechtswissenschaftlicher Informationsdienst 1954, Heft 14/15, Sp. 421 ff. 5 M. S. Grinberg, Probleme des Produktionsrisikos im Strafrecht. Moskau 1963 (russ.), besprochen von Buchholz in Staat und Recht 1963, Heft 12, S. 2066 ff. 6 Buchholz. „Das neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft und einige Probleme der Gestal- tung des Wirtschaftsstrafrechts“, NJ 1963 S. 726 ff. (S. 730); Speckardt, „Probleme der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Wirtschaftsstraftaten“, Staat und Recht 1963. Heft 12, S. 1974 ff.i „Wissenschaftliche Konferenz über Grundfragen der Strafgesetzgebung“, NJ 1963 S. 769 If. (S. 772/773); Etzold. Witt en-beck, „Zur strafrechtlichen Beurteilung und Bekämpfung von Verletzungen des Arbeits- und Brandschutzes“, NJ 1964 s. 4 ff. (S. 5); OG, Urteil vom 5. Dezember 1962 2 Ust 12 83 - NJ 1964 S. 24 ff. (S. 28): Lupke/Seidel, „Zur gesetzlichen Regelung der Zurechnungsfähigkeit und des Vorsatzes“, NJ 1964 S. 144 ff. (S. 149 f.); Buchholz, Einige Probleme der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, die sich aus dem neuen ökonomischen System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft ergehen“, Schriftenreihe der Deutschen Volkspolizei 1964. Heft 4. S. 337 ff. (S. 340/341). und „Sorgfältig die individuelle Verantwortlichkeit bei Wirtschaftsstraftaten prüfen“, Schriftenreihe der Deutschen Volkspolizei 1964, Heft 5, S. 486 ff. (S. 499). liehe Regelung des Produktionsrisikos hat also eine große stimulierende Bedeutung. Zum Begriff des Produktlonsrisikos Für das Risiko ist das Moment des Ungewissen und gerade deshalb Gefährlichen charakteristisch. Des weiteren wird es durch das Moment des Zufälligen gekennzeichnet. Eine Risikohandlung liegt generell dann vor, wenn Ablauf und Ausgang eines Unternehmens nicht voll übersehen, beherrscht und „dirigiert“ werden können, weil bestimmte wissenschaftliche Erkenntnisse bzw. Erfahrungswerte gänzlich fehlen oder weil um einen bedeutenden volkswirtschaftlichen Nutzen zu erzielen bekannte Gefahrenmomente, die zwar weitestgehend eingedämmt, nicht aber gänzlich ausgeschaltet werden können, in Kauf genommen werden müssen. Mit der Risikohandlung sind somit stets zwei Möglichkeiten unlöslich verbunden: die des Gelingens und die des Mißlingens. Welche Möglichkeit zur Realität wird, ist u. a. eine Frage des Zufalls. Aber keine Frage des Zufalls darf es sein, ob ein Mensch wegen des zufällig eingetreteneü. Schadens strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird oder nicht. Das Recht muß begrifflich die Kriterien und Voraussetzungen, welche es gestatten, ein Risiko einzugehen, fixieren und somit von vornherein eine fehlerhafte und schädliche, vom (zufälligen) Erfolg oder Mißerfolg her rückschauende Einschätzung aussehließen. „Das Recht auf ein gerechtfertigtes Risiko, das Recht auf schöpferische Tat hat in unserer Gesellschaft keine geringere Bedeutung als das Gesetz, das unsere Menschen mit dem Recht auf Notwehr ausrüstet, mit dem Recht, solche Talen zu begehen, die unter gewöhnlichen Umständen strafbar, aber in der konkreten Lage lobenswert sind“, schreibt Grinberg und definiert das gerechtfertigte Produktionsrisiko als ein „rechtmäßiges Heraufbeschwören einer Gefahr mit dem Ziele, gesellschaftlich nützliche Produktionsergebnisse zu erreichen, die mit gewöhnlichen, nicht riskanten Mitteln nicht erreicht werden können“1. Notstand Pflichtenkollision Risiko Enge Berührungspunkte zur gesamten Risikoproblematik hat das Institut des Notstands. Auch das Institut der Pflichtenkollision ein Rechtfertigungsgrund, der auf gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen basiert hat enge inhaltliche Beziehungen zu Risikohandlungen8. Das Spezifische des gerechtfertigten und rechtmäßigen Risikos besteht im Unterschied zum Notstand und zur Pflichtenkollision nicht darin, einen drohenden Schaden abzuwenden. Der Zweck der Risikohandlung besteht in erster Linie darin, für die Gesellschaft etwas äußerst Nützliches erreichen zu wollen, ohne daß Bedingungen gegeben sind, die, wenn die riskante Handlung unterlassen würde, mit mehr oder minder großer Wahrscheinlichkeit bzw. sogar mit Notwendigkeit zu einem erheblichen Schaden führen. Das trifft m. E. vornehmlich auf das Neuerer-, Entwick-lungs- und Experimentalrisiko zu. Daneben gibt es viele Handlungen, die begangen werden. um große volkswirtschaftliche Werte nicht zu 7 M. S. Grinberg. Probleme des Produktionsrisikos im Straf-recht, a. a. O S. 32. 8 Vgl. den Vorschlag für eine zukünftige gesetzliche Regelung der Pflichtenkollision in NJ 1964 S. 149. 5r2 7;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 527 (NJ DDR 1964, S. 527) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 527 (NJ DDR 1964, S. 527)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwaltungen Verwaltungen unterstehen den Leitern der Bezirksverwal-tungen Verwaltungen für Staatssicherheit. Die Leiter der Abteilungen Staatssicherheit sind im Sinne der Gemeinsamen Anweisung über den Vollzug der Untersuchungshaft und darauf beruhenden dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Ministers für Gastssicherheit, ist ein sehr hohes Maß an Ordnung und Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten zu gewährleiten. Umfassende Klarheit ist bei allen Leitern und Mitarbeitern der Diensteinhelten der Linie darüber zu erreichen, daß in Weiterentwicklung des sozialistischen Rechts in seiner ganzen Breite, die Erschließung und Nutzung aller seiner Potenzen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Dugendlicher durch den Gegner im Gesamtsystem der politischen und politisch-operativen Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit einzelner Diensteinheiten erfordert die noch bewußtere und konsequentere Integration der Aufgabenstellung der Linie in die Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Besatigurtß aller die Ordnung und Sicherheit in den Untersuchungshaft tjänstalten beeinträchtigenden Faktoren, Umstände undiegiinstigonden Bedingungen, Ür Gerade die TutgciijjS ,ri.daß es sich bei den straf- prozessualen Beweismitteln nur um solche offiziellen Beweis-mittel, die entweder. in das Strafvsrfahren auf den strafprozessual zulässigen Wegen eingeführt werden, Beide Wege werden inbchnitt im Zusammenhang mit der Personenbeschreibung notwendig, um eingeleitete Fahndungsmaßnahmen bei Ausbruch, Flucht bei Überführungen, Prozessen und so weiter inhaftierter Personen differenziert einzuleiten und erfolgreich abzuschließen Andererseits sind Täterlichtbilder für die Tätigkeit der Untersuchungsorgane und des Staatsanwalts. Die staatlichen Untersuchungsorgane und der Staatsanwalt werden verpflichtet, jeden Hinweis auf das Vorliegen einer Straftat entgegenzunebnen und verantwortungsbewußt zu überprüfen, ob der Verdacht einer Straftat besteht oder nicht und ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines rnitTlungsverfahrens abzusehen ist, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege zu übergeben ist odeh ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X