Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 524

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 524 (NJ DDR 1964, S. 524); dem konkreten Fall auf die Möglichkeit der Benennung eines gesellschaftlichen Anklägers oder Verteidigers hinzuweisen. Es gibt Veranlassung, in diesem Zusammenhang aber auch vor einer undifferenzierten Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte in die Strafverfahren zu warnen. Einige Gerichte verstehen den Rechtspflegeerlaß in der Forderung nach erhöhter gesellschaftlicher Wirksamkeit der gerichtlichen Tätigkeit so, daß neben der Mitwirkung eines Vertreters des Kollektivs in fast allen Verfahren gesellschaftliche Ankläger bzw. Verteidiger, eine erweiterte Öffentlichkeit und umfangreiche Auswertungen durch das Gericht organisiert werden, ohne zu prüfen, ob das im richtigen Verhältnis zum Erfolg und zur notwendigen Erziehung des Angeklagten bzw. zur notwendigen Information der Öffentlichkeit steht5. Die Rechtspflegeorgane sollten dann auf die Teilnahme eines gesellschaftlichen Anklägers bzw. Verteidigers hinwirken, wenn dies im Interesse der Erziehung des Täters unbedingt erforderlich "ist und die Straftat die Öffentlichkeit in starkem Maße bewegt, wenn das Kollektiv, aus dem der Angeklagte kommt, unmittelbar berührt oder die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Tat, ihre Umstände und Auswirkungen gelenkt werden muß. Es ist aber falsch, wenn z. B. wegen eines, geringfügigen Diebstahls in einem Selbstbedienungsladen ein gesellschaftlicher Ankläger „organisiert“ wird, obwohl es sich um eine erstmalige Entgleisung des Bürgers handelt. Eine solche „Mobilisierung“ der Öffentlichkeit führt häufig zur Diskriminierung und Isolierung des Täters, aber nicht zu seiner sinnvollen Einbeziehung in die sozialistische Gemeinschaft. Diese Feststellungen treffen in gleichem Maße auf die öffentliche Auswertung von Verfahren vor einem erweiterten Fersonenkreis zu. Bedenklich erscheint mir die Forderung Schurs, daß der Staatsanwalt den gesellschaftlichen Ankläger und der Rechtsanwalt den gesellschaftlichen Verteidiger anleiten solle. Falls kein Verteidiger im konkreten Verfahren auftritt, sollte nach Meinung Schurs das Rechtsanwaltskollegium die Anleitung vornehmen6. Meines Erachtens verkennt Schur damit die Stellung des gesellschaftlichen Anklägers und Verteidigers. Es kommt doch nicht darauf an, den gesellschaftlichen Ankläger oder Verteidiger in allen Einzelheiten auf die Hauptverhandlung dergestalt vorzubereiten, daß ihm alle denkbaren Möglichkeiten erläutert werden, denen er sich bei seinem Auftreten vor Gericht gegenüber-gestellt sieht. Es geht vielmehr darum, dem gesellschaftlichen Ankläger oder Verteidiger die ihm mit dem Rechtspflegeerlaß übertragenen Aufgaben, Rechte und Pflichten zu erläutern. Was er im einzelnen zu den Ursachen oder begünstigenden Umständen der Straftat, zur Bestrafung und zum Strafmaß, zur Schwere der Tat, zu ihren Folgen und zum entstandenen Schaden, zur Schuld des Angeklagten und zu dessen Persönlichkeit Vorbringen will, entscheidet das beauftragende Kollektiv, aber nicht der Staatsanwalt oder Rechtsanwalt. Insoweit ist auch das Gericht in der Lage, den gesellschaftlichen Verteidiger oder Ankläger zu informieren. Dies verletzt nicht das Prinzip der Unabhängigkeit des Richters und stellt auch keine etwaige Vorwegnahme .der Beweisaufnahme dar. Auch die Möglichkeit, Beweisanträge zu stellen, erfordert keine besondere Anleitung durch den Vertreter der Staatsanwaltschaft oder durch den Rechtsanwalt. Eine andere Praxis würde im Ergebnis dazu führen, 6 Es ist hier nicht möglich, diese Fragen umfassend zu behandeln. Zum Teil ist Feistkorn in seinem Beilra.g „Verhandlung vor erweiterter Öffentlichkeit“ (NJ 1964 S. 101 ff.) darauf bereits eingegangen. 6 Schur, a. a. O., S. 367. diese gesellschaftlichen Kräfte in Hilfsorgane für den Staatsanwalt oder den Rechtsanwalt umzuwandeln. Zur Zulassung gesellschaftlicher Ankläger und Verteidiger Unklarheiten gibt es darüber, welches Kollektiv oder welcher Personenkreis einen gesellschaftlichen Ankläger oder Verteidiger benennen kann. Aus dem Rechtspflegeerlaß und dem Inhalt und Wesen der Funktion des gesellschaftlichen Anklägers und Verteidigers ergibt sich eindeutig, daß Organe der staatlichen Verwaltung, aber auch Betriebsleiter dazu nicht berechtigt sind. Ein gesellschaftlicher Ankläger oder Verteidiger kann im Betrieb entweder von einer Brigade, einer Abteilung, der Gesamtbelegschaft oder aber von einem entsprechenden gesellschaftlichen Organ der Werktätigen, z. B. der AGL, BGL, die dazu von der Gruppen- oder Mitgliederversammlung zu legitimieren ist, beauftragt werden. Es können auch andere gesellschaftliche Organisationen sein, z. B. die Mitgliederversammlung der DSF, deren Kassierer Beitragsgelder unterschlagen hat. In den LPGs sind die Vollversammlung, die Brigaden und die Spezialistengruppen solche Kollektive, die einen gesellschaftlichen Ankläger oder Verteidiger wählen können. Aber auch der Vorstand einer LPG kann nach vorheriger Beratung mit der Brigade, der der Angeklagte angehört, einen gesellschaftlichen Ankläger oder Verteidiger benennen7. Soweit es die Wohngebiete betrifft, kann z. B. bei einer die Interessen der Einwohner der Gemeinde besonders berührenden Straftat der Bürgermeister in einer Einwohnerversammlung der Nationalen Front oder von der Volksvertretung beauftragt werden, als gesellschaftlicher Ankläger oder Verteidiger aufzutreten. Auch Hausgemeinschaften können eines ihrer Mitglieder delegieren, ebenso Wohnbezirksausschüsse der Nationalen Front. Das muß allerdings in einer Haus-bzw. Wohnbezirksversammlung geschehen. Die von Lübchen / Naumann '/Oehmke vertretene Auffassung, daß u. a. „als sozialistische Kollektive im Sinne’ des Rechtspflegeerlasses solche Kollektive angesehen werden, die ehrlich die Tat verurteilen “, ist jedoch sehr einseitig, weil sie vorwiegend auf die Zulassung gesellschaftlicher Ankläger orientiert8. Die Teilnahme gesellschaftlicher Ankläger bzw. Verteidiger ist auch in Jugendstrafverfahren9 und Verfahren nach der VO über Aufenthaltsbeschränkung vom 24. August 1961 (GBl. II S. 343) möglich. Diese Verfahren unterliegen hinsichtlich der Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte keinen Besonderheiten, da deren Mitwirkung gerade in solchen Verfahren geeignet ist, die gesellschaftliche Wirksamkeit der gerichtlichen Tätigkeit zu erhöhen. Hat sich das Kollektiv entschieden, einen gesellschaftlichen Ankläger oder Verteidiger zu benennen, dann ist dies dem Gericht rechtzeitig, möglichst vor Durchführung der Hauptverhandlung, mitzuteilen. Das schließt nicht aus, daß das Gericht auch nach Eröffnung des Verfahrens und erst zu Beginn der Hauptverhandlung den Beschluß über die Zulassung eines Verteidigers oder Anklägers fassen kann. Für die Vorbereitung der Hauptverhandlung ist es jedoch ratsamer, rechtzeitig zu wissen, welche Person als gesellschaftlicher Ankläger oder Verteidiger vor Gericht auftreten soll. Das ist auch deshalb wichtig, damit der Angeklagte rechtzeitig darüber informiert werden kann, wer als 1 Vgl. hierzu Semler/Kern, a. a. O., S. 109 f. 8 Lübchen Naumann Oehmke. „Erste Erfahrungen über das Auf- treten gesellschaftlicher Ankläger und Verteidiger“, NJ 1963 S. 626. , 9 Vgl. hierzu Wachowitz/Wetzel, „Zur Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte in das Jugendstrafverfahren“, NJ 1964 S. 339 ff. und die hier angegebene Literatur. 524;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 524 (NJ DDR 1964, S. 524) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 524 (NJ DDR 1964, S. 524)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei Maßnahmen außerhalb der Untersuchunoshaftanstalt H,.Q. О. - М. In diesem Abschnitt der Arbeit werden wesentliche Erfоrdernisse für die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in wesentlichen Verantwortungsbereichen bezogen sein, allgemeingültige praktische Erfahrungen des Untersuchungshaftvollzuges Staatssicherheit und gesicherte Erkenntnisse, zum Beispiel der Bekämpfung terroristischer und anderer operativ-bedeutsamer Gewaltakte, die in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen festgelegt, auch an Leiter anderer Diensteinheiten herausgegeben. Diese Leiter haben die erhaltene in ihrer Planvorgabe zu verarbeiten. Es wird nach längerfristigen Planorientierungen und Jahresplanorientierungen unterschieden. Planung der politisch-operativen Arbeit in den Organen Staatssicherheit - Planungsrichtlinie - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers zur Weiterentwicklung und Qualifizierung der prognostischen Tätigkeit im Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Ordnung über die Rechte und Pflichten der Zivilbeschäftigten im Ministerium für Staatssicherheit. Disziplinarordnung -NfD. Anweisung über die Entlohnung der Zivilbeschäftigten im Ministerium für Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher durch den Gegner Vertrauliche Verschlußsache - Plache, Pönitz, Scholz, Kärsten, Kunze Erfordernisse und Wege der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und für das Erwirken der Untersuchungshaft; ihre Bedeutung für die weitere Vervollkommnung der Einleitungspraxis. Die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft in tatsächlicher Hinsicht: ihre effektive Nutzung in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit mit verwendet werden. Schmidt, Pyka, Blumenstein, Andratschke. Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingungen ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Anleitungs- und Kontrolltätigkeit in der Uritersuchungsarbeit, die auch in der Zukunft zu sichern ist. Von der Linie wurden Ermittlungsverfahren gegen Ausländer bearbeitet. Das war verbunden mit der Durchführung von VerdächtigenbefTagungen und Zuführungen zu diesem Zwecke sollten nach Auffassung der Autoren mit der Neufassung der nicht beseitigt, aber erweitert werden.

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