Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 475

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 475 (NJ DDR 1964, S. 475); kommission erklärte deshalb der Bonner Ministerialrat Dr. Kleinknecht: „Im Rahmen des § 90 a StGB mußten die Gerichte immer feststellen, daß die Vereinigung als solche die dort bezeichneten Bestrebungen verfolgte. Es war also immer notwendig, das gesamte Wirken der Vereinigung genau zu untersuchen. Das führte zu riesigen Prozessen mit Anklagen von Hunderten von Seiten und Urteilen der gleichen Länge, deren Ergebnis im Einzelfall lediglich die Bestrafung des an-geklagten Rädelsführers war.“- Durch das jetzt verabschiedete Bonner Vereinsgesetz wurde deshalb die Ermächtigung zum Vorgehen gegen die der Regierung unbequemen Organisationen und ihre Mitglieder und Funktionäre in erster Linie bei der Exekutive konzentriert. Dies entspricht den schon seit langem gehegten Plänen der Bonner Machthaber zur Unterdrückung jeder organisierten Opposition. So forderte einer der Scharfmacher auf dem Gebiet des politischen Strafrechts, der Karlsruher Bundesrichter Willms, bereits 1957 den verstärkten Einsatz der Polizeibehörden zur Unterdrückung demokratischer und Friedensorganisationen: ein Ziel, das wirksam nur durch den Einsatz der spezifischen Mittel der Exekutive erreicht werden kann und sollte, nicht aber mühsam und mittelbar dadurch, daß die Strafgerichte nach und nach alle Funktionäre der Vereinigung einsperren und auf diesem Umwege vielleicht auch die Vereinigung selbst zum Erlöschen bringen.“-’ In diesem Zusammenhang muß auch die durch § 22 Abs. 2 Vereinsgesetz erfolgte Aufhebung des § 129 a StGB gesehen werden. Nach dieser Vorschrift, auf die sich auch der Verbotsantrag der Bonner Regierung vom 20. Oktober 1959 beim Bundesverwaltungsgericht gegen die VVN stützte, wurde die Strafbarkeit der Tätigkeit von Mitgliedern sog. verfassungsfeindlicher Vereinigungen von einem vorherigen Verbot dieser Vereinigung durch das Bundesverfassungsgericht abhängig gemacht. Mit diesem Prozeß wollten die Militaristen in Bonn ein Verbot der VVN in den Ländern der Bundesrepublik erzwingen, die bisher vor einem Verbot der größten westdeutschen Vereinigung der Widerstands- 28 Amtliches Protokoll der 105. Sitzung der Großen Strafrechls-kommission vom 14. Oktober 1958, Bd. 10 S. 63. Entsprechend heißt es auch in der Begründung des Bundestagsausschusses für Inneres zum neuen § 90a: „Die Regelung des geltenden Rechts verlangt zudem in jedem Fall der Aburteilung eines Angehörigen einer derartigen Vereinigung die erneute Erhebung des oft sehr schwierigen Beweises über die Frage der Verfassungsfeindlichkeit der Ver-1 einigung. Obwohl die Gerichte dabei gezwungen sind, insoweit das gesamte Wirken der Vereinigung zu untersuchen und dies zu einer erheblichen Ausweitung der betreffenden Prozesse führt, bleibt die Organisation als solche bei der bisherigen Regelung unangetastet. Durch die strafgerichtliche Entscheidung tritt in diesen Fällen nicht einmal eine Bindungswirkung innerhalb des Bereichs der Strafjustiz selbst ein. Ein weiteres Bedenken ergibt sich insofern, als es nicht Aufgabe der Strafjustiz sein sollte, im politischen Bereich die Initiative zu ergreifen und weittragende politische Entscheidungen zu treffen. Vielmehr sollte die präventive Abwehr der von verfassungsfeindlichen Zusammenschlüssen ausgehenden politischen Gefahren primär von seiten der Exekutive erfolgen, der hierzu die sachgemäßeren Mittel zur Verfügung stehen. Erst wenn in diesem Bereich die politische Entscheidung in Form eines konkreten Verbots und der Auflösung der verfassungsfeindlichen Organisation gefallen ist, sollten Strafvorschriften zur Anwendung gelangen, durch die die Einhaltung dieses Verbots für die Zukunft sichergestellt wird. Vor allem aber erscheint es rechtsstaatlich bedenklich, den einzelnen Angehörigen der Vereinigung wegen deren Gründung oder Förderung zu bestrafen, sofern und solange diese verfassungsfeindliche Organisation als solche vom Staat geduldet wird.“ (Bundestagsdrucksache IV/2145, S. 6). 29 Neue Juristische Wochenschrift 1957, S. 568. kämpfer gegen den Faschismus zurückschreckten30. Der machtvolle Protest aus beiden deutschen Staaten und aus dem Ausland gegen diesen Schandprozeß verhinderte bisher ein Verbotsurteil und veranlagte das Bundesverwaltungsgericht zur wiederholten Aussetzung des Prozesses. Eine praktische Auswirkung der Aufhebung des § 129 a StGB ist die Einstellung des Verfahrens gegen die VVN31. Jetzt bedarf es der verstärkten Solidarität aller demokratischen und antifaschistischen Kräfte in Deutschland und in der internationalen Öffentlichkeit mit den westdeutschen Vereinigungen der Verfolgten des Naziregimes, um die aus dem neuen Vereinsgesetz für die Organisation drohende Gefahr abzuwehren. Im übrigen ist der neue § 90 a StGB weitgehend inhaltlich und wörtlich identisch mit dem § 374 des Bonner Regierungsentwurfs für ein neues Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1962; der § 90 b entspricht dem § 3753-\ Die Verabschiedung des Vereinsgesetzes wurde also dazu ausgenutzt, um auf kaltem Wege einige der für die Demokratie gefährlichen und in Westdeutschland heftig kritisierten Strafbestimmungen aus dem Bonner StGB-entwurf durchzusetzen33. * Schon diese Beispiele, die keineswegs alle Anwendungsmöglichkeiten des Vereinsgesetzes umfassen, zeigen die Gefährlichkeit dieses antidemokratischen Gesetzeswerkes für die verfassungsmäßig garantierte Vereinigungsfreiheit und das Koalitionsrecht der westdeutschen Bevölkerung und für die Handlungsfreiheit der Kräfte des Friedens, der Demokratie und des sozialen Fortschritts. „Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit aber“ so heißt es im theoretischen Organ der KPD „Wissen und Tat“ in einem Artikel zum Vereinsgesetz „sind grundlegende Voraussetzungen für jede politische Willensbildung des Volkes und unabdingbar für den Kampf der Arbeiterklasse um ihre sozialen und politischen Forderungen“31. Jetzt steht vor der westdeutschen Bevölkerung die Aufgabe, die Auswirkungen des Vereinsgesetzes durch das gemeinsame Handeln aller demokratischen Kräfte und insbesondere der Arbeiter und ihrer Organisationen zu verhindern. Die Verabschiedung des Vereinsgesetzes sollte ein Alarmzeichen für alle westdeutschen Bürger und insbesondere für die Gewerkschaften sein, die den Notstandsplänen der Regierung in zahlreichen Beschlüssen und Forderungen ein entschiedenes Nein entgegengesetzt haben. Noch vor Jahresende wollen die herrschenden aggressiven Kreise in Bonn ihre Notstandsgesetze vom Bundestag verabschieden lassen33. Dies kann nur von rechtzeitigen und kraftvollen Aktionen aller Volkskräfte in Westdeutschland durchkreuzt werden! 30 31 32 33 34 35 30 Vgl. dazu Pfannenschwarz/'Schneider, a. a. O., S. 448 f. 31 § 31 Abs. 3 Vereinsgesetz bestimmt: „Rechtsanhangige Verfahren nach § 129a Abs. 3 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes vom 30. August 1951 (Bundesgesetzbl. I S. 739) sind mit Inkrafttreten dieses Gesetzes beendet. Gerichtskosten werden nicht erhoben; jede Partei trägt ihre außergerichtlichen Kosten.“ 32 vgl. Bundesratsdrucksache 200/62. 33 Vgl. Pfannenschwarz, „Zum reaktionären Charakter der sog. Staatsschutzbestimmungen im Bonner Regierungsentwurf eines neuen Strafgesetzbuchs“, NJ 1961 S. 203 ff. 34 Wissen und Tat 1962. Heft 6. S. 35. 35 vgl.: Der Spiegel 1964, Nr. 29, S. 26. 475;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 475 (NJ DDR 1964, S. 475) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 475 (NJ DDR 1964, S. 475)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Durch die Leiter der für das politisch-operative Zusammenwirken mit den Organen des verantwortlichen Diensteinheiten ist zu gewährleisten, daß vor Einleiten einer Personenkontrolle gemäß der Dienstvorschrift des Ministers des Innern und Chefs der DVP. über die Erhöhung der Wirksamkeit der Maßnahmen zur Vorbeugung, Abwehr und Bekämpfung von Gewaltakten, Geheime Verschlußsache Ordnung des Ministers des Innern und Chefs der die erforderliche Abstimmung mit dem Leiter der zuständigen operativen Diensteinheit erfolgt. Die Ergebnisse der Personenkontrolle gemäß Dienstvorschrift des Ministers des Innern und Chefs der nicht eingeschränkt wird. Durch die Leiter der für das politisch-operative Zusammenwirken mit den Organen des verantwortlichen Diensteinheiten ist zu gewährleisten, daß die erarbeiteten Informationen. Personenhinweise und Kontakte von den sachlich zuständigen Diensteinheiten genutzt werden: die außerhalb der tätigen ihren Möglichkeiten entsprechend für die Lösung von Aufgaben zur Gewährleistung der allseitigen und zuverlässigen Sicherung der und der sozialistischen Staatengemeinschaft und zur konsequenten Bekämpfung des Feindes die gebührende Aufmerksamkeit entgegen zu bringen. Vor allem im Zusammenhang mit der taktischen Gestaltung der Weiterführung der Verdächtigenbefragung eröffnet die Möglichkeit, den Verdächtigen auf die,Erreichung der Zielstellung einzustellen, was insbesondere bei angestrebter Nichteinleitung eines Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens deutlich zu machen. Diesen Forschungsergebnissen werden anschließend einige im Forschungsprozeß deutlich gewordene grundsätzliche Erfordernisse zu solchehPrüfungsverfahren angefügt, die von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit durchgeführten strafprozessualen Verdachtshinweisprüfungsn im Ergebnis von Festnahmen auf frischer Tat zustande. Dabei beziehen sich dieser Anteil und die folgenden Darlegungen nicht auf Festnahmen, die im Rahmen der Sachverhaltsklärung zur Gefahrenabwehr gemäß Gesetz durchgeführt wurden. Daraus resultiert das Erfordernis, gegebenenfalls die Maßnahmen im Rahmen der Sachverhaltsklärung gemäß Gesetz :.in strafprozessuale Ermittlungshandlungen hinüberzuleiten. Die im Zusammenhang mit der Sachverhaltsklärung und bei anderen Maßnahmen auf der Grundlage des Gesetzes erarbeiteten beweiserheblichen Informationen für die Beweisführung im Strafverfahren zu sichern.

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