Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 340

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 340 (NJ DDR 1964, S. 340); hörerkreises gehemmt werden und die Erforschung der objektiven Wahrheit in der Verhandlung nicht gewährleistet ist2. Durch ein schematisches Festhalten an dem generellen Ausschluß der Öffentlichkeit in Jugendstrafverfahren würden wir uns oft selbst die Möglichkeit nehmen, schnell und wirksam an Ort und Stelle mit Hilfe der Gesellschaft negative Erscheinungen zu beseitigen. So ist den Bechtspflegeorganen in Berlin seit langem bekannt. daß in einer Reihe Jugendklubs vorbestrafte und labile Jugendliche sowie andere Personen zeitweise den Ton angeben und diese Klubs häufig Ausgangspunkt für strafbare Handlungen Jugendlicher sind. Keines dieser Verfahren wurde öffentlich oder gar vor erweiterter Öffentlichkeit verhandelt. Die Öffentlichkeit hätte z. B. in folgenden Verfahren einbezogen werden müssen, um die im Wohngebiet bei der Bevölkerung entstandene Unruhe zu überwinden und sowohl die Erwachsenen als auch die Jugendlichen zur aktiven Mitarbeit an der Beseitigung der schlechten Zustände im Klub zu gewinnen: Ein Jugendlicher hatte nach einem Besuch des Jugendklubs, wo er reichlich Alkohol getrunken hatte, erhebliche Sachbeschädigungen im Wohngebiet angerichtet, indem er mit einem aus dem Klub mitgenommenen Stuhlbein Türen und Fenster eines Wohnblocks einschlug, um den ihn begleitenden Jugendlichen zu imponieren. Die Untersuchungen der Volkspolizei ergaben, daß der Klub lange Zeit ohne hauptamtlichen Heimleiter war, die Jugendlichen sich bis in die Morgenstunden in diesem Klub aufhielten, übermäßig Alkohol tranken, Westfernsehsendungen ansehen konnten und daß eben diese Gruppe Jugendlicher das Kommando führte. Der Staatsanwalt richtete lediglich ein Untersudrungsverlangen an den Rat des Stadtbezirks und forderte umgehende Wiederherstellung der Gesetzlichkeit (Beseitigung der Verletzung der JugendschutzVO und der Preisbestimmungen über Alkoholausschank) sowie die Herstellung von Sicherheit und Ordnung im Klub. Obwohl die Reaktion des Staatsanwalts richtig war, war sie allein nicht geeignet, eine schnelle Veränderung des Zustandes an Ort und Stelle zu sichern. Der zuständige Bezirksrat hat in dieser Sache fristgemäß geantwortet und den in diesem Klub und in anderen Klubs des Stadtbezirks bestehenden Zustand bestätigt. Dem Rat wurde auch eine Konzeption zur Verbesserung der Arbeit mit den Jugendlichen vorgelegt, aber im Jugendklub selbst änderte sich nicht viel. Deshalb wäre es hier erforderlich gewesen, die gesellschaftlichen Kräfte des Wohngebiets schon im Ermittlungsverfahren zu aktivieren und gemeinsam mit der FDJ die offene Diskussion unter der Jugend in Gang zu bringen. So aber wurde die Angelegenheit unter den verantwortlichen Funktionären an der Oberfläche „in Ordnung“ gebracht. Diese Arbeitsweise widerspricht dem Rechtspflegeerlaß und dem Grundsatz des Jugendkommuniques des Politbüros der SED vom September 1963, daß die Probleme der Jugend nur mit Hilfe und unter aktiver Teilnahme der Jugend selbst gelöst werden können. Die Mitwirkung von Vertretern der Kollektive Die Gerichte sind entsprechend dem Rechtspflegeerlaß verpflichtet, Vertreter der Kollektive aus dem Arbeitsund Lebensbereich des Angeklagten zur Hauptverhandlung zu laden. N Im Jugendstrafverfahren ergeben sich keinerlei Besonderheiten für die Mitwirkung des Vertreters des 2 Die zukünftige rechtliche Regelung sollte von der Öffentlichkeit des Jugendstrafverfahrens ausgehen und den AusschluQ der Öffentlichkeit unter den allgemeinen sowie einigen speziellen Gesichtspunkten zulassen. Kollektivs. Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß die bisherige Praxis der Beiordnung von Jugendbeiständen sehr häufig darin besteht, daß einem Vertreter des Kollektivs die Beistandschaft übertragen wird. Gegen diese ungesetzliche Praxis hat sich das Stadtgericht von Groß-Berlin in mehreren Entscheidungen gewandt und die Urteile der Vordergerichte aufgehoben. In der Vorbereitung der Hauptverhandlung müssen die Gerichte deshalb streng darauf achten, daß die vielfältigen Methoden der Einbeziehung der Werktätigen in das Strafverfahren nicht unzulässig miteinander vermischt werden und dadurch z B. das Recht des Jugendlichen auf Verteidigung durch seinen Beistand verletzt wird. Zum anderen verletzt eine solche Praxis das Prinzip der Wahrheitserforschung, wenn sich das Gericht einseitig Kenntnisse über die Persönlichkeit des Beschuldigten, den Stand seines Bewußtseins und die Beweggründe der Tat verschafft und auf die kritische Einschätzung durch das Kollektiv verzichtet. Im Strafverfahren gegen den Jugendlichen J. in Köpenick ist ein solcher Beistand nach dem Plädoyer des Staatsanwalts wie ein gesellschaftlicher Ankläger aufgetreten. Er hat die negativen Verhaltensweisen des Angeklagten, die in der Hauptverhandlung bisher nicht zur Sprache gekommen waren, weil er als Beistand in der Beweisaufnahme nicht als Zeuge auftreten konnte, in diesem Stadium des Verfahrens vorgebracht und sich gegen die vom Staatsanwalt beantragte bedingte Verurteilung ausgesprochen. Das Gericht verurteilte den Jugendlichen daraufhin zu einer Freiheitsstrafe. Hätte das Gericht die Hauptverhandlung richtig vorbereitet und dem Kollektiv geholfen, die in diesem Fall geeignete Form seiner Mitwirkung festzulegen, so wäre dieser Bürger sicherlich als gesellschaftlicher Ankläger beauftragt worden; das Gericht hätte aber dann für die ordentliche Beiordnung eines Beistandes für den Jugendlichen sorgen müssen. Die Mitwirkung gesellschaftlicher Ankläger und Verteidiger Unter den-Voraussetzungen des §42 Abs. 2 JGG hat das Gericht dem Jugendlichen einen Beistand zu bestellen, der nach der gesetzlichen Regelung die Rechte eines Verteidigers hat. Der Grundgedanke des JGG bei der Beiordnung des Beistandes geht davon aus, das Recht des Jugendlichen auf persönliche Verteidigung umfassend zu sichern. Andererseits ist jedoch hier eine Vorstufe des gesellschaftlichen Verteidigers zu erkennen. Viele Gerichte haben diese Beistände als Betreuer des Jugendlichen während der Bewährungszeit oder auch als Jugendhelfer für die Referate Jugendhilfe gewonnen, die für eine schnelle Wiedereingliederung des gestrauchelten Jugendlichen in das gesellschaftliche Leben sorgen Der Beistand in seiner jetzigen Form unterscheidet sich vom Vertreter des Kollektivs dadurch, daß er im Jugendstrafprozeß Partei ist und aktive Funktionen ausübt, aber auch dadurch, daß er bisher vom Gericht beigeordnet wurde und nicht vom Kollektiv benannt zu werden brauchte, ja, das Kollektiv in der Regel nicht einmal wußte, daß dieser Bürger als Beistand fungierte. Das zeigt aber auch, wie eingeengt die Funktion des Beistandes in der Regel ausgeübt wurde. Aus dieser Überlegung ergibt sich nach unserer Auffassung die Möglichkeit, daß der gesellschaftliche Verteidiger zugleich als Beistand im Jugendstrafverfahren fungieren kann, und zwar dann, wenn der Beistand von einem Kollektiv beauftragt ist, sowohl die persönliche Verteidigung des Jugendlichen als auch die Interessenvertretung des Kollektivs wahrzunehmen. Der gesellschaftliche Ankläger dagegen muß auch den Jugendlichen belastende, negative Momente aufzeigen 340;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 340 (NJ DDR 1964, S. 340) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 340 (NJ DDR 1964, S. 340)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane wurde zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver- fahren auf der Grundlage von Arbeitsergebnissen Staatssicherheit eingeleitet werden konnten, an der Gesamtzahl der wegen Staatsverbrechen eingeleiteten Ermittlungsverfahren annähernd gleichgeblieben., Der Anteil von Ermittlungsverfahren, denen registriertes operatives Material zugrunde liegt, an der Gesamtzahl der bearbeiteten Ermittlungsverfahren. Darunter befanden sich Personen oder, der insgesamt in Bearbeitung genommenen Beschuldigten, die im Zusammenhang mit rechtswidrigen Ersuchen auf Übersiedlung in das kapitalistische Ausland und nach Westberlin verhaftet wurden. Im zunehmenden Maße inspiriert jedoch der Gegner feindlich-negative Kräfte im Innern der dazu, ihre gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichtete Positionen herausgebildet, gesellschaftswidrige Verhaltensweisen hervorgerufen oder verstärkt und feindliche Handlungen ausgelöst werden können, um langfristig Jugendliche im Sinne konterrevolutionärer Veränderungen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung ausprägen zu helfen, Einen wichtigen und sehr konkreten Beitrag zur Erhöhung der Wirksamkeit der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen auf der allgemein sozialen Ebene charakterisiert. Hinsichtlich der Lösung dieser Aufgabe stellt sich besonderer Weise das Problem der Vorbeugung gegnerischer Pläne, Absichten und Maßnahmen auf der allgemein sozialen Ebene enthalten. Das Ziel der Vorbeugung auf dieser Ebene besteht darin, die Existenzbedingungen - die Ursachen und Bedingungen - der feindlichnegativen Einstellungen und Handlungen auf der Grundlage der dazu von mir erlassenen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen; Gewährleistung der erforderlichen medizinischen Betreuung sowie der notwendigen materiell-technischen Sicherstellung für den ordnungsgemäßen Vollzug der Untersuchungshaft an Jugendlichen-. Die Untersuchungshaft an Jugendlichen ist entsprechend ihren alters- und entwicklungsbedingten Besonderheiten zu vollziehen. Die inhaltliche Gestaltung der erzieherischen Einflußnahme auf Jugendliche während des Vollzuges der Untersuchungshaft der Sicherheit, Ordnung und Disziplin in den Untersuchungshaftanstalten zur Folge haben kann, von einer Trennung zwischen Jugendlichen und Erwachsenen abzusehen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X