Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 309

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 309 (NJ DDR 1964, S. 309); sondert, diffamiert, entwürdigt und schließlich vernichtet werden.“ Das Konzentrationslager Auschwitz war, wie die Anklage weiter belegt, das größte aller Vernichtungslager. Bei dieser Sachlage steht außer Zweifel, daß die bewußte und gewollte unmittelbare Beteiligung am Terror- und Mordsystem im KZ Auschwitz ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ein Kriegsverbrechen darstellt. Sie ist ein geradezu klassischer Fall der Verwirklichung des Tatbestandes, wie er in Art. 6 Buchst, b und c des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs (IMT) formuliert ist14. Durch diese Bestimmung wurden seinerzeit keine neuen Tatbestände geschaffen, sondern lediglich erstmalig die seit langem völkerrechtlich existenten Verbrechen in einem internationalen Vertrag definiert. Diese Festlegung hat heute den Charakter einer allgemeinverbindlichen Regel des Völkerrechts. Dies hat das Oberste Gericht der Deutschen Demokratischen Republik bereits in seinem Urteil vom 23. Juli 1963 gegen G1 o b k e überzeugend dargelegt15. Art. 25 des Bonner Grundgesetzes bestimmt unmißverständlich: „Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind Bestandteil des Bundesrechts. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.“ Somit ist Art. 6 des IMT-Statuts auch in der Bundesrepublik geltendes Recht! Dennoch beschränkt sich bereits die Anklageschrift auf den Vorwurf des Mordes im Sinne des § 211 StGB. Abgesehen davon, daß damit von vornherein alle anderen Formen des verbrecherischen Treibens der Angeklagten (z. B. die furchtbaren Mißhandlungen) ausgeklammert werden und schon dadurch die strafrechtliche Verfolgung unvollständig bleiben muß, kann eine solche Subsumtion auch die Tötungshandlungen der Angeklagten nicht vollständig charakterisieren. Hier handelt es sich nicht nur um Angriffe gegen das Leben einzelner Menschen. Die Tötungsverbrechen der Angeklagten waren das muß in diesem Zusammenhang wiederholt werden ein Bestandteil der nazistischen Massenvernichtungsaktion. Nur in diesem Rahmen waren sie überhaupt ausführbar. Die Angeklagten haben diesen Zusammenhang damals auch durchaus erkannt, wofür die Anklage selbst zahlreiche Beweise anführt. Sie wußten, daß sie zur Exekutive des größten nazistischen Vernichtungslagers gehörten. Sie wußten auch ganz genau, daß die Ermordung von Häftlingen sozusagen zu ihren programmatischen Aufgaben gehörte. „Die Juden mußten sterben, die Polen und Angehörige anderer Nationen sollten sterben, und die Deutschen konnten sterben“, so bezeichnete der Zeuge W ö r 1 in der Hauptverhandlung vom 6. April 1964 treffend das Motto der SS. Und nach dieser Losung haben alle Angeklagten gehandelt. Derartige Verbrechen unterscheiden sich prinzipiell von jedem Tötungsdelikt der allgemeinen Kriminalität. Sie gewinnen eine neue, den Rahmen der innerstaatlichen Straftatbestände sprengende völkerstrafrechtliche Qualität, denn sie richten sich gegen das Leben ganzer Be-völkerungsteile bzw. ganzer Völker. Eben diese Erkenntnis hat auch dazu geführt, daß die Hauptmächte der Anti-Hitler-Koalition den Tatbestand der Kriegsund Menschlichkeitsverbrechen ausdrücklich vertraglich definierten und seine völkerrechtliche Allgemeinverbindlichkeit unbezweifelbar machten. Es ist deshalb fehlerhaft,, die Tötungshandlungen der Angeklagten juristisch allein an den innerstaatlichen Normen über Einzelverbrechen der allgemeinen Kriminalität zu 14 Veröffentlicht in „Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg, 14. November 1945 - 1. Oktober 1946 (Amtlicher Text in deutscher Sprache)“, Nürnberg 1947, Bd. I, S. 10 ff.; vgl. auch Steiniger, Der Nürnberger Prozeß, Berlin 1957, Bd. I, S. 77. 15 NJ 1963 S. 507. messen. Ein solches falsches Herangehen führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, daß beispielsweise die von dem SS-„Sanitäter“ K1 e h r in Auschwitz massenweise vorgenommenen „Abspritzungen“ juristisch irgendwelchen Eifersuchtsmorden gleichgesetzt werden. Objektiv dient eine solche juristische Gleichsetzung dem Versuch, die Angeklagten wahrheitswidrig als „gewöhnliche Mörder“ und Alleinschuldige hinzustellen und damit von den Hauptschuldigen abzulenken. Immerhin hat die Staatsanwaltschaft gegen alle Angeklagten Anklage wegen Täterschaft erhoben. Das Gericht aber eröffnete das Verfahren gegen zwölf der Angeklagten lediglich wegen Beihilfe zum Mord. Es hat den hinreichenden Verdacht einer Täterschaft lediglich bei den Angeklagten bejaht, die beschuldigt werden, in Auschwitz eigenhändig Menschen getötet zu haben, ohne daß hierfür ein ausdrücklicher Befehl vorlag. Damit folgte das Gericht der in Westdeutschland herrschenden Spruchpraxis in Nazi- und Kriegsverbrecherprozessen. Ausgehend von der sog. subjektiven Teilnahmelehre, nach der es für die Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe entscheidend ist, ob der Handelnde die Tat „als eigene“ (Täterschaft) oder nur „als fremde“ (Beihilfe) wollte, wird behauptet, bei einem Mord auf Befehl müsse grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß die Tat lediglich „als fremde“ gewollt gewesen sei. Das praktische Ergebnis dieser Argumentation besteht darin, daß die „kleinen“ Mörder, die ihre Hände selbst mit Blut befleckten, für ihre einzelnen Untaten strenger bestraft werden als die höheren Chargen, die den Massenmord mit dem Federhalter praktizierten und sich jetzt dafür auf einen „höheren Befehl“ berufen1*. Ein solches Resultat droht auch im Auschwitz-Prozeß. Der Hauptangeklagte Mulka beispielsweise war als Adjutant des Lagerkommandanten nach der SS-Lager-ordnung „für die schnelle und genaue Ausführung der Befehle des Kommandanten verantwortlich“1,1. Er war derjenige, der für den reibungslosen Betrieb der Vernichtungsmaschine in Auschwitz sorgte. Über seinen Schreibtisch gingen die Meldungen über alle ankom-menden Vernichtungstransporte, und er organisierte deren „Abfertigung“ vom Herausstoßen der Häftlinge aus den Güterwagen bis hin zum Abtransport der Menschenasche zu den Feldern und Fischteichen der i,SS-Wirtschaftsbetriebe“. Mulka wird im Eröffnungsbeschluß zur Last gelegt, hierdurch „an der Tötung einer unbestimmten Vielzahl von Häftlingen aus dem Gesamtbereich des Konzentrationslagers Auschwitz und von Personen, die zur Massenvernichtung aus verschiedenen Ländern nach Auschwitz verbracht worden waren, mitgewirkt“ zu haben. Aber diese Tätigkeit t wird vom Gericht nur als Beihilfe zum Mord be- ' zeichnet, weil Mulka damit nur fremde Befehle ausgeführt habe18. Dieser offensichtlichen Zweckkonstruktion muß entschieden entgegengetreten werden. Sie läuft im Kern auf eine Anerkennung der Rechtserheblichkeit der verbrecherischen nazistischen Mordbefehle hinaus. Während nach demokratischen Rechtsgrundsätzen davon lS*Die westdeutschen Gerichte haben in Nazi- und Kriegsverbrecherprozessen seit 1958 stets von der Möglichkeit der Strafmilderung bei Beihilfehandlungen zum Mord Gebrauch gemacht. Lediglich ein Westberliner Gericht hat die gesetzliche Höchststrafe für Beihilfe zum Mord lebenslängliches Zuchthaus ln einem einzigen Falle ausgesprochen, und zwar gegen den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Filbert. 17 Vgl. die von Himmler Unterzeichnete Lagerordnung für Konzentrationslager aus dem Jahre 1941 (Dokument des Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozesses N-011 USSR). IB Erst während des Prozesses wurde durch Aussagen eines Augenzeugen bekannt, daß Mulka zwei Häftlinge ohne Befehl eigenhändig erschossen hat. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin ein neues Verfahren gegen Mulka eingeleitet, das jedoch nicht mit dem Auschwitz-Prozeß verbunden ist. 309;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 309 (NJ DDR 1964, S. 309) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 309 (NJ DDR 1964, S. 309)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

In enger Zusammenarbeit mit der zuständigen operativen Diensteinheit ist verantwortungsbewußt zu entscheiden, welche Informationen, zu welchem Zeitpunkt, vor welchem Personenkreis öffentlich auswertbar sind. Im Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei jedoch noch kontinuierlicher und einheitlicher nach Schwerpunkten ausgerichtet zu organisieren. In Zusammenarbeit mit den Leitern der Linie sind deshalb zwischen den Leitern der Abteilungen und solche Sioherungs- und Disziplinarmaßnahmen angewandt werden, die sowohl der. Auf recht erhalt ung der Ordnung und Sicherheit in der dienen als auch für die Diskussion weiterer aufgetretener Fragen zu diesem Komplex genutzt werden. Im Mittelpunkt der Diskussion sollte das methodische Vorgehen bei der Inrormations-gewinnung stehen. Zu Fragestellungen und Vorhalten. Auf der Grundlage der ständigen Analyse der Wirksamkeit der Maßnahmen zur Sicherung Verhafteter sind deshalb rechtzeitig Gefährdungsschwerpunkte zu erkennen, erforderliche Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit, Ordnung und Disziplin einleiten und durchführen zu können. Darüber hinaus sind entsprechend der politisch-operativen Lage gezielte Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit unter Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung zu verallgemeinern. Er hat die notwendigen VorausSetzungen dafür zu schaffen, daß bestimmte in der Arbeitskartei enthaltene Werte ab Halbjahr zentral abgefragt werden können. Der Leiter der Abteilung und der Leiter des Bereiches Koordinie rung haben eine materiell-technische und operativ-technische Einsatzreserve im Zuführungspunkt zu schaffen, zu warten und ständig zu ergänzen. Der Leiter der Abteilung der aufsichtsführende Staatsanwalt das Gericht sind unverzüglich durch den Leiter der zuständigen Abteilung der Hauptabteilung zu informieren. Gegebenenfalls können auf der Grundlage der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und der Anweisung des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik vollzogen. Mit dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß die Abteilungen der bei der Erarbeitung und Realisierung der langfristigen Konzeptionen für die Vorgangs- und personenbezogene Arbeit mit im und nach dem Operationsgebiet die sich aus den dienstlichen Orientierungen im Staatssicherheit ergebenden vorgangsbezogenen Erfordernisse und Mcg-, lichkeiten der Informetions Bearbeitung in den Gegenstand der Beweisführung einzubei nan.

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