Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 306

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 306 (NJ DDR 1964, S. 306); DI Erzwingung des Prozesses durch antifaschistische Kräfte In der offiziellen und offiziösen westdeutschen Propaganda wird der Auschwitz-Prozeß oft und gern als ein Kronbeweis für den antifaschistischen Charakter des Bonner Staates und seinen ernsthaften Willen zur Bewältigung der Vergangenheit ausgegeben. Demgegenüber ist zunächst festzustellen, daß die Durchführung dieses Prozesses durchaus nicht etwa einer Initiative der westdeutschen Regierung oder Justiz zu verdanken ist, obwohl die Verbrechen von Auschwitz und die Namen zahlreicher Schuldiger durch Bekundungen ehemaliger Häftlinge, durch Kriegsverbrecherprozesse vor Gerichten der Alliierten und durch viele wissenschaftliche Publikationen seit Jahren bekannt waren-’ und obwohl die westdeutschen Staatsanwaltschaften nach dem Gesetz (§ 152 Abs. 2 StPO) verpflichtet sind, wegen aller gerichtlich strafbaren und verfolgbaren Handlungen einzuschreiten“. Bis zum Jahre 1958 lebten vielmehr alle Angeklagten unter ihrem richtigen Namen frei und unverfolgt in der Bundesrepublik. Der Hauptangeklagte Mulka, früher SS-Obersturmfiihrer und Adjutant des berüchtigten Auschwitz-Kommandanten H ö ß, war von einer Hamburger Entnazifizierungsspruchkammer sogar als „Entlasteter“ eingestuft worden. Er lebte als „ehrbarer“ Exportkaufmann in Hamburg. Der ehemalige SS-Ober-scharführer B o g e r , einer der berüchtigtsten Mörder der Lager-Gestapo von Auschwitz und Erfinder der „Boger-Schaukel“, auf der ungezählte Häftlinge zu Tode gefoltert wurden, wohnte nach seiner Flucht aus amerikanischer Auslieferungshaft (er sollte nach Polen ausgeliefert werden) seit 1949 unangefochten in der Nähe von Stuttgart. Dabei war seine Vergangenheit wohlbekannt. Er wurde sogar im Jahre 1949 für einige Wochen in Untersuchungshaft genommen, weil er beschuldigt wurde, als Gestapobeamter im Jahre 1936 einen Bauern mißhandelt zu haben. Dieses Verfahren wurde eingestellt und Boger wieder freigelassen! Der Leiter der SS-Apotheke von Auschwitz, Dr. C a -pesius, hatte es in Göppingen wieder zum Inhaber einer Apotheke und eines Kosmetik-Salons gebracht. Dieser Mann verwaltete in Auschwitz das Giftgas Zyklon B und hat bei den berüchtigten „Selektionen“-’ ungezählte Männer, Frauen und Kinder mit einer Daumenbewegung zur Vergasung in die Krematorien geschickt, weil sie ihm als Arbeitssklaven für die IG-Farbenindustrie zu schwächlich erschienen. 2 Es seien hier nur erwähnt: Urteil des Militärgerichts VI der Vereinigten Staaten im IG-Farben-Prozeß, verkündet am 29. und 30. Juli 1948 in Nürnberg. Abgedruckt in: Das Urteil im IG-Farben-Prozeß, Offen-bach/Main 1948. Urteil des Höchsten Nationalgerichtsholes in Warszawa vom 2. April 1947 gegen Höß. Urteil des Höchsten Nationalgerichtshofes in Krakow vom 22. Dezember 1947 gegen Liebehenschel und andere. Gerald Reitlinger. The Final Solution The Attempt to Exterminate the Jews of Europe 1939 1945, London 1953 (deutsch: Die Endlösung, Westberlin 1956). Leon Poliakov/Josef Wulf, Das Dritte Reich und die Juden, Westberlin 1955. In den folgenden Jahren erschienen zahlreiche weitere wissenschaftliche Publikationen über das faschistische Massenvernichtungslager Auschwitz, in denen ebenfalls detaillierte Beweise für die Schuld zahlreicher Personen enthalten sind, die sich heute in Westdeutschland aufhalten. Beispielhaft seien genannt: Jan Sehn, Konzentrationslager OSwiecim-Brzezinka, Warszawa 1957. ! Hefte von Auschwitz, 1-6. Wydanictwo Panstwowego Muzeum w Oswiedmiu, 1959 1961. Bruno Baum, Widerstand in Auschwitz, Berlin 1957 (2. Auf-* läge 1961). 3 So wurde die Aussonderung von Häftlingen durch die SS bezeichnet. Diese Selektionen fanden sowohl bei der Ankunft neuer Transporte auf der sog. Rampe (der eigens errichteten Entladestelle für Güterzüge) als auch im KZ selbst statt. Die ausgesonderten Häftlinge wurden anschließend durch Gas bzw. Phenol-Spritzen ermordet. Antikommunismus und kalter Krieg ließen den westdeutschen Behörden die Verfolgung dieser Verbrecher „unzeitgemäß“ erscheinen. Sie konnten sich wie viele Tausende anderer schwerbelasteter Kriegs- und Menschlichkeitsverbrecher im wiedererstandenen imperialistischen Herrschaftssystem ungehindert „resozialisieren“. Erst die fortlaufenden Enthüllungen aus der Deutschen Demokratischen Republik über die Durchsetzung des westdeutschen Staats- und Justizapparates mit schwerbelasteten Nazis, die zunehmende Empörung der Öffentlichkeit über die vielen ungesühnten Nazi- und Kriegsverbrechen und nicht zuletzt die wachsende Unruhe über die Bonner Rüstungs- und Revanchepolitik auch in den westeuropäischen Ländern ver-anlaßten die herrschenden Kreise zu einer gewissen Aktivität. Mit der Ende des Jahres 1958 erfolgten Bildung der „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen“ in Ludwigsburg und der Durchführung einer Anzahl von Nazi- und Kriegsverbrecherprozessen sollte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von dem aggressiven Charakter der westdeutschen Regierungspolitik abgelenkt und der Anschein hervorgerufen werden, als sei die Bewältigung der Vergangenheit das ernsthafte Anliegen des westdeutschen Staates und seiner Justiz. Auf diesem Hintergrund muß auch der Auschwitz-Prozeß gesehen werden. Daß es dem Bonner Staat bei der Verfolgung bestimmter Nazi- und Kriegsverbrecher tatsächlich nicht um eine echte Bewältigung der Vergangenheit geht, wird an diesem Verfahren sogar besonders deutlich’. Bezeichnend sind bereits die Umstände der Einleitung des Verfahrens: Ein westdeutscher Bürger, der seit Jahren vergeblich um die Durchsetzung seiner gesetzlichen Wiedergutmachungsansprüche wegen der ihm durch das Naziregime zugefügten Schäden kämpfte, unterhielt sich darüber mit einem Journalisten. Bei dieser Gelegenheit erwähnte der Bürger, daß er einige Dokumente besitze, die gegen Kriegsende aus den Fenstern des brennenden SS- und Polizeigerichts im damaligen Breslau geworfen wurden und die er aufgelesen habe. Auf die dringenden Vorstellungen des Journalisten hin wurden diese Dokumente der hessischen Staatsanwaltschaft übergeben: Es waren exakte Beweise für die Ermordung zahlreicher Häftlinge des KZ Auschwitz unter dem Vorwand einer „Erschießung auf der Flucht“. Angesichts dieses unwiderlegbaren Materials über das auch die Öffentlichkeit unterrichtet wurde bemühten sich nunmehr hessische Staatsanwälte um die Klärung der Zuständigkeit für die Aufnahme weiterer Untersuchungen. Erst nach längerem Hin und Her wurde schließlich vom Bundesgerichtshof der Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Main) die Erlaubnis erteilt, gegen die Verbrecher von Auschwitz ein Ermittlungsverfahren durchzuführen2 3 4 5. Bei der Aufspürung und Festsetzung der SS-Verbrecher trieben es verantwortliche Staats- und Justizorgane bis zur kaum noch verhüllten Obstruktion. Der Angeklagte 4 Das bedeutet nicht, daß allen an Nazi- und Kriegsverbrecher-Prozessen beteiligten westdeutschen Staatsanwälten und Richtern der gute Glaube oder der subjektiv ehrliche Wille abgesprochen werden kann, mit ihrer Tätigkeit zu einer echten Bewältigung der Vergangenheit in Westdeutschland beizutragen. Es gibt deutliche Hinweise für eine zunehmende Differenzierung auch unter den westdeutschen Juristen. Eine beachtenswerte Anzahl unter ihnen bemüht sich wenn auch olt noch zurückhaltend und innerhalb der durch die reaktionäre Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gezogenen engen Grenzen um die Aufklärung der Öffentlichkeit über das nazistische Mord- und Terrorsystem und um die schnelle und gerechte Bestrafung von Nazi- und Kriegsverbrechern. 5 vgl. „Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer zu den Naziverbrecher-Prozessen“, Stimme der Gemeinde (Frankfurt a. Main), Nr. 18/1963. 306;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 306 (NJ DDR 1964, S. 306) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 306 (NJ DDR 1964, S. 306)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit voraus, oder es erfolgte eine Übernahme der Bearbeitung des Verdächtigen von einem der anderen Untersuchungsorgane der aus dem sozialistischen Ausland. Weitere Möglichkeiten können die Anlässe zur Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens dar. Sie erfordern im besonderen Maße eine enge und kameradschaftliche Zusammenarbeit zwischen operativer Diensteinheit und der Untersuchungsabteilung, insbesondere unter dem Aspekt der Offizialisierung von inoffiziellen Beweismitteln bei der Bearbeitung und beim Abschluß operativer Materialien Vertrauliche Verschlußsache - Meinhold Ausgewählte Probleme der weiteren Qualifizierung der Zusammenarbeit der Abteilung mit anderen operativen Diensteinheiten sowie der Volkspolizei Vorkommnisse Vorkommnisse. Der Einsatz der genannten Referate erfolgte entsprechend zentraler Orientierungen und territorialer Schwerpunkte vorwiegend zur Klärung von Anschlägen gegen die Staatsgrenze der andere Gewaltakte mit folgenschweren Auswirkungen für die staatliche und öffentliche Ordnung und Sicherheit, aber auch - Morddrohung, Erpressungsversuche unter Vortäuschung von Ereignissen oder Straftaten, die ernsthafte Gefahren und Störungen für die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges zu begrenzen und die Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen sind und unter welchen Bedingungen welche Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind gegenüber Verhafteten nur zulässig, wenn auf andere Weise ein Angriff auf Leben oder Gesundheit oder ein Fluchtversuch nicht verhindert oder der Widerstand gegen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der eingeschränkt werden. Vor Anwendung der Sicherungsmaßnahme - Entzug des Rechts, eigene Bekleidung zu tragen gemäß Pkt. und Untersuchungshaftvollzugsordnung - ist diese zwischen dem Leiter der Abteilung in mündlicher oder schriftlicher Form zu vereinbaren. Den Leitern der zuständigen Diensteinheiten der Linie sind die vorgesehenen Termine unverzüglich mitzuteilen.

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