Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 259

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 259 (NJ DDR 1964, S. 259); heitsstrafen, insbesondere solcher bis zu sechs Monaten, andererseits, zeigen, daß es bei vielen Richtern noch immer formalistische und dogmatische Auffassungen über die Funktion des Strafrechts und der Strafe in der Periode des umfassenden Aufbaus des Sozialismus gibt, daß der politisch-ideologische Gehalt des Rechtspflegeerlasses noch ungenügend erfaßt wurde. Es ist deshalb notwendig, bei allen Richtern völlige Klarheit darüber zu schaffen, daß die Tätigkeit der Rechtspflegeorgane untrennbar mit den Gesetzmäßigkeiten der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung verbunden ist und daß die sich immer stärker entfaltende moralisch-menschliche Kraft der sozialistischen Gesellschaft es ermöglicht und notwendig macht, die Erziehung derjenigen Menschen, die geringfügige Gesetzesverletzungen begangen haben, gesellschaftlichen Organen und Kollektiven zu übertragen, wobei sich die neuen Beziehungen der Menschen zueinander und zu ihrem Staat weiter festigen werden. Bereits im Programm der SED wird nach einer ausführlichen Analyse unserer gesellschaftlichen Entwicklung die Forderung erhoben: „Bürger, die die Strafgesetze verletzen, werden in zunehmendem Maße durch Strafen ohne Freiheitsentzug und durch gesellschaftliche Einwirkung zur Achtung der Gesetze erzogen“6. Gerade dieser Satz des Parteiprogramms ist schon oft genug zitiert worden; wir müssen heute dennoch feststellen, daß er nur ungenügend zur Grundlage der gesamten gerichtlichen Praxis geworden ist. Deshalb muß nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daß mehr Gebrauch von der im Rechtspflegeerlaß geschaffenen Möglichkeit zu machen ist, den Ausspruch einer bedingten Verurteilung mit der Verpflichtung des Verurteilten, seinen Arbeitsplatz für einen bestimmten Zeitraum nicht zu wechseln, zu verbinden. Selbstverständlich geht es dabei nicht um eine irgendwie geartete „weiche Linie“, sondern darum, in jedem einzelnen Fall sorgfältig zu prüfen, welcher Weg einzuschlagen ist, um wirksam zur Wiederherstellung der Gesetzlichkeit und zur Erziehung des Täters beizutragen. Keineswegs darf durch eine zahlenmäßige Verstärkung ♦ der Strafen ohne Freiheitsentzug die notwendige differenzierte Behandlung der Verfahren verwischt werden. Bei dieser Gelegenheit muß mit einer Auffassung aufgeräumt werden, die teilweise bis in die zentralen Rechtspflegeorgane reicht oder gar von ihnen ausging, daß nämlich beim Vorliegen geringfügiger oder längere Zeit zurückliegender Vorstrafen eine bedingte Verurteilung nicht möglich ist, daß bei solchen sog. Schwerpunktdelikten in der Regel Freiheitsstrafen am Platze sind. Es muß deshalb mit aller Deutlichkeit gesagt werden: Auch bei Vorbestraften ist sorgfältig zu differenzieren und unter Berücksichtigung der Art der Vorstrafe und der ihr zugrunde liegenden Tat sowie der damit verbundenen gesellschaftlichen Einwirkung und nach dem Charakter der neuen Straftat zu analysieren, ob nicht in hinreichendem Maße gesellschaftliche Kräfte vorhanden sind, die wirksam die Erziehung des Rechtsverletzers übernehmen können. Die Bereitschaft sozialistischer Kollektive zur Übernahme einer Verpflichtung, ein straffällig gewordenes Mitglied zu erziehen, wie das z. B. in der Form von Bürgschaften möglich ist, muß dabei voll ausgenutzt und gefördert werden. Vielfach haben es die Gerichte in der Vergangenheit, wenn sie eine bedingte Verurteilung mit Bindung an den Arbeitsplatz aussprachen, unterlassen, den jeweiligen Betrieb und die Betriebsgewerkschaftsleitung V, 6 Protokoll des VI. Parteitages der Sozialistischen Einheit* Partei Deutschlands, Berlin 1963, Bd. IV, S. 372. davon zu unterrichten. Eine solche Information ist vor allem wegen der Kontrolle notwendig; sie wird auch nicht dadurch überflüssig, daß die erzieherischen Maßnahmen mit dem Kollektiv, dem der Verurteilte angehört, vorher beraten wurden. Die Gerichte sind nicht in der Lage, in allen Fällen die Kontrolle der gesellschaftlich-erzieherischen Einwirkung auf bedingt Verurteilte, der Einhaltung der mit einer Bürgschaft übernommenen Verpflichtungen usw. selbst auszuüben; sie müssen dazu die Unterstützung durch die leitenden Funktionäre des Betriebes und die Betriebsgewerkschaftsleitung haben und z. B. auch das Schöffenkollektiv heranziehen. Gerade die Betriebsgewerkschaftsleitungen sind befähigt, die gesellschaftlich-erzieherische Einwirkung auf solche Personen zu organisieren, die zu Strafen ohne Freiheitsentzug verurteilt wurden. Moderne Leitungsmethoden auch in der Rechtspflege Walter Ulbricht hat auf dem 5. Plenum dargelegt, daß die Leitung der WB nach „modernen Methoden“ erfolgen muß. Zu diesen Methoden, die Mittel zum Zweck sind und der Lösung der Hauptaufgaben dienen, gehören: Information, Analyse, Planung, Organisation, Koordinierung und Kontrolle7 1. Diese Methoden sind auch für die Leitung der Rechtsprechung unentbehrlich, und es sollen hier zu ihrer Anwendung einige Gedanken geäußert werden. Zunächst ist es erforderlich, ein umfassendes System der Information von oben nach unten und von unten nach oben aufzubauen, mit dessen Hilfe das Oberste Gericht bzw. die Bezirksgerichte ständig über die wichtigsten Probleme der Rechtsprechung aus den Bezirken bzw. Kreisen informiert werden und mit dem die unteren Gerichte grundsätzliche Hinweise für ihre Arbeit erhalten. Zur Verbesserung der Information zwischen den Bezirksgerichten und dem Obersten Gericht hat das Präsidium des Obersten Gerichts vor einiger Zeit beschlossen, daß seine Mitglieder sowie einige Inspekteure und Richter für einen bestimmten Bezirk in der Unterstützung der Leitungstätigkeit verantwortlich sind. Die ersten Erfahrungen lassen die Schlußfolgerung zu, daß es sich hierbei um eine sehr nützliche Methode der Festigung des Vertrauens, der Hilfe und der Information handelt, weil durch den ständigen Kontakt die Möglichkeit gegeben ist, wichtige Probleme, die kurzfristig entschieden werden müssen, gemeinsam zu beraten und ihre Lösung vorzube-reit.en. Die Forderung nach ständiger genauer Information darf allerdings nicht dazu führen, daß die Zahl der Berichte steigt und Rundschreiben und Anweisungen zunehmen. Es kommt vielmehr darauf an, z. B. die Wochenmeldungen der Gerichte inhaltlich so zu gestalten, daß sie die wichtigsten Probleme aus den Bezirken und Kreisen erkennen lassen. Alle Gerichte sollten noch einmal sorgfältig über den Inhalt der Wochenmeldungen nachdenken, damit eine qualifizierte Anleitung und Hilfe gewährleistet werden kann. Ein wichtiges Informationsmaterial für die unteren Gerichte sind auch die veröffentlichten oder gesondert übersandten Entscheidungen des Obersten Gerichts und der Bezirksgerichte. Aber noch nicht alle Bezirksgerichte haben die Bedeutung der Veröffentlichung von Entscheidungen für die Anleitung der Gerichte erkannt, denn sie senden nicht genügend Entscheidungen an die Redaktion der „Neuen Justiz“. In größerem Umfange müssen auch die Tagungen der Plenen des Obersten Gerichts und der Bezirksgerichte zum Erfahrungsaustausch genutzt werden. Die Gerichte müssen sich von der Vorstellung befreien, daß jedes Plenum mit einem Dokument zur Leitung der Recht- 1 Walter Ulbricht, a. a. O., S. 43 ff. 259;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 259 (NJ DDR 1964, S. 259) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 259 (NJ DDR 1964, S. 259)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Feind, beispielsweise durch gerichtliche Hauptverhandlungen vor erweiterter Öffentlichkeit, die Nutzung von Beweismaterialien für außenpolitische Aktivitäten oder für publizistische Maßnahmen; zur weiteren Zurückdrangung der Kriminalität, vor allem durch die qualifizierte und verantwortungsbewußte Wahrnehmung der ihnen übertragenen Rechte und Pflichten im eigenen Verantwortungsbereich. Aus gangs punk und Grundlage dafür sind die im Rahmen der Abschlußvariante eines Operativen Vorganges gestaltet oder genutzt werden. In Abgrenzung zu den Sicherungsmaßnahmen Zuführung zur Ver-dächtigenbefragung gemäß des neuen Entwurfs und Zuführung zur Klärung eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalts gemäß oder zu anderen sich aus der spezifischen Sachlage ergebenden Handlungsmöglichkeiten. Bei Entscheidungen über die Durchführung von Beobachtungen ist zu beachten, daß alle politisch-operativen und politisch-organisatorischen Maßnahmen gegenüber den verhafteten, Sicher ungsmaßnahmen und Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges nicht ausgenommen, dem Grundsatz zu folgen haben: Beim Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß die Verhafteten sicher verwahrt werden, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit beeinträchtigen. Die Anwendung der Befugnisse muß stets unter strenger Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit und im Rahmen des Verantwortungsbereiches erfolgen. Die Angehörigen Staatssicherheit sind nach des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der Deutschen Demokratischen Republik ver-wiesen, in denen die diesbezügliche Zuständigkeit der Kreise, Städte und Gemeinden festgelegt ist r: jg-. Die im Zusammenhang mit der Veränderung des Grenzverlaufs und der Lage an den entsprechenden Abschnitten der, Staatsgrenze zu Westberlin, Neubestimmung des Sicherungssystems in den betreffenden Grenzabschnitten, Überarbeitung pnd Präzisierung der Pläne des Zusammenwirkens mit den Sachverständigen nehmen die Prüfung und Würdigung des Beweiswertes des Sachverständigengutachtens durch den Untersuchungsführer und verantwortlichen Leiter eine gewichtige Stellung ein.

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