Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 173

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 173 (NJ DDR 1964, S. 173); Zur Anwendung mildernder Umstände Die Überprüfung der wegen Raubes verhandelten Verfahren hat ergeben, daß in der gerichtlichen Praxis die Fälle des einfachen Raubes nach § 249 StGB außerordentlich selten sind. Soweit die Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Ziff. 1, 2, 4 oder 5 StGB vorliegen, sind die Entscheidungen der Gerichte in der rechtlichen Beurteilung nicht zu beanstanden. Probleme entstehen aber dann, wenn der Raub auf einem öffentlichen Wege, einer Straße usw. begangen wurde (§ 250 Abs. 1 Ziff. 3 StGB). Das Gesetz droht in diesem Fall eine Mindeststrafe von fünf Jahren Zuchthaus an, soweit nicht mildernde Umstände vorliegen. Diese Mindeststrafe ist im Verhältnis zur Gefährlichkeit der konkreten Tat oft zu hoch. Deshalb wenden die Gerichte in solchen Fällen die Bestimmung über mildernde Umstände auch dann an, wenn objektive oder subjektive Umstände vorliegen, die sich nicht unmittelbar auf die Strafe beziehen. Nach einer Einschätzung des Bezirksgerichts Magdeburg sind die Gerichte dieses Bezirks in den weitaus meisten Fällen gerechtfertigt unter der Mindeststrafe geblieben, obwohl sie die mildernden Umstände entweder überhaupt nicht oder nur unzutreffend begründet haben. Das Kreisgericht Ueckermünde hat das Problem offensichtlich damit zu lösen versucht, daß es nicht wegen schweren Raubes, sondern wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl verurteilt hat. Das Stadtbezirksgericht Friedrichshain hat dagegen eine Zuchthausstrafe von fünf Jahren gegen eine Ehefrau ausgesprochen, die lediglich auf die Aufforderung ihres Ehemannes hin, dem sie hörig war, dem Geschädigten die Geldbörse weggenommen hatte5. Diese Verfahren zeigen, daß eine eingehende Untersuchung und Erörterung der Kriterien, die die Zubilligung mildernder Umstände rechtfertigen, notwendig ist. Dabei ist von der Feststellung im Beschluß des Obersten Gerichts auszugehen, daß mildernde Umstände nur solche objektiven und subjektiven Umstände sind, die sich unmittelbar auf die Straftat beziehen6. In der Regel rechtfertigt die vom Täter aufgewendete geringe verbrecherische Intensität die Anwendung des § 250 Abs. 2 StGB. Obwohl im Beschluß des Plenums des Obersten Gerichts vom 30. Juli 1963 ausdrücklich dargelegt worden ist, daß solche Umstände wie gesellschaftliche Aktivität, Handeln unter Einfluß von Alkohol, sexuelle Unaufgeklärtheit und verminderte Zurechnungsfähigkeit bei Sittlichkeitsverbrechen die Anwendung des Abs. 2 der §§ 176, 177 StGB nicht rechtfertigen können, werden insbesondere von Kreisgerichten im Bezirk Potsdam solche Faktoren noch als mildernde Umstände angesehen. Diese Praxis verstößt gegen den Beschluß des Plenums. Andererseits lassen einige Urteile erkennen, daß die Hinweise des Beschlusses so verstanden worden sind, daß mildernde Umstände grundsätzlich zu versagen seien. Das ist keineswegs das Anliegen des Beschlusses. Mildernde Umstände können z. B. gegeben sein wie das Oberste Gericht bereits ausgesprochen hat , wenn die unsittlichen Berührungen nur oberflächlich bzw. flüchtig waren, der Täter auch nur solche flüchtig begangenen Handlungen wollte und er, ohne daß er durch andere Personen gehindert worden ist, von weiteren Handlungen Abstand genommen hat. Danach ist insbesondere der Grad der aufgewendeten verbrecherischen 6 Vgl. dazu das Urteil vom 27. Mai 1963 - 41 S 26/63 - und die Anmerkung von Griebe in diesem Heft. Den von Griebe herausgearbeiteten Merkmalen für die Anwendung mildernder Umstände gern. § 250 Abs. 2 StGB kann grundsätzlich zugestimmt werden 0 NJ 1963 S. 540. Intensität für die Zubilligung mildernder Umstände bedeutsam. Die gesellschaftliche Wirksamkeit der Verfahren erhöhen Es ist festzustellen, daß die Gerichte zwar in vielen Verfahren Vertreter der Arbeitskollektive, des Wohnbezirks, gesellschaftlicher Organisationen, Institutionen, gesellschaftlicher Organe u. a. zur Persönlichkeit des Angeklagten gehört, nicht aber mit Hilfe dieser Kollektive die Ursachen der Tat und die sie begünstigenden Bedingungen erforscht haben. Verfahren, in denen es den Gerichten unter Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte gelungen ist, die straftatbegünstigenden Umstände herauszuarbeiten und auf der Grundlage des gerichtlichen Verfahrens die Entscheidungen gesellschaftlich wirksam zu machen, sind immer noch Einzelbeispiele. Es ist bisher noch nicht gelungen, die guten Erfahrungen zu verallgemeinern. Ansätze dazu gibt es beim Bezirksgericht Rostock. In einem Verfahren wegen fortgesetzten Raubes und schwerer Körperverletzung hatte das Bezirksgericht Vertreter des Rates des Bezirks, des Rates der Stadt Rostode und weitere gesellschaftliche Kräfte zur Hauptverhandlung geladen. Nach der Urteilsverkündung wurde eine Auswertung mit etwa 60 Gaststättenleitern vorgenommen, um den übermäßigen Ausschank von alkoholischen Getränken einzudämmen und die Zusammenrottung von Jugendlichen in Lokalen zu verhindern. Dem Amt für Arbeit des Bezirks gab das Gericht Hinweise, damit es dafür sorgen konnte, daß junge Menschen in ein festes Arbeitsverhältnis gebracht werden. Schließlich wertete das Gericht in enger Zusammenarbeit mit dem Bezirksausschuß der Nationalen Front und der Bezirksleitung der FDJ das Verfahren in den Wohnbereichen und unter der Jugend aus. Außerdem hat es seine im Verfahren gesammelten Erfahrungen den Kreisgerichten in zwei Stützpunktbesprechungen vermittelt. Das Kreisgericht Greifswald hat die Hinweise des Bezirksgerichts aufgegriffen und die von ihm in mehreren Verfahren festgestellten begünstigenden Umstände (häufiger Alkoholgenuß in bestimmten Lokalen, Gelegenheitsarbeit der Täter im Hafen und in Saisonbetrieben u. ä.) zusammengefaßt, analysiert und dem Rat des Kreises darüber berichtet. Auf der Grundlage dieses Berichts veranlagte der Rat, daß ein Teil der gefährdeten jungen Menschen in feste Arbeitsstellen vermittelt wurde. Das Bezirksgericht Frankfurt (Oder) hat in einem Rechtsmittelverfahren die vom Kreisgericht versäumte Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte nachgeholt und dadurch sowie durch eine anschließende Auswertung des Verfahrens im Arbeitsbereich des Verurteilten gemeinsam mit Betriebsfunktionären erreicht, daß in der Abteilung die Fehlstunden aufhörten und sich die Brigade, in der der Verurteilte arbeitet, vornahm, um den Titel „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ zu kämpfen. Nach der Einschätzung der Betriebsfunktionäre gibt es seit diesen Auseinandersetzungen eine sichtbare Aufgeschlossenheit aller Kollegen. Auch das Kreisgericht Pößneck hat es in mehreren Verfahren wegen Sittlichkeitsverbrechen verstanden, die Werktätigen der Stadt dafür zu mobilisieren, daß sie selbst mit zur Einhaltung von Ordnung und Sicherheit beitragen und daß Eltern sich mit ihren heran-wachsenden Kindern über Sexualprobleme aus-sprechen7. s Diesen guten Beispielen der Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte in die Bekämpfung der Gewalt- und 7 Vgl. Feistkorn, „Verhandlung vor erweiterter Öffentlichkeit“, NJ 1964 S. 102. 173;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 173 (NJ DDR 1964, S. 173) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 173 (NJ DDR 1964, S. 173)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen schenhande angefallenen Bürger intensive Kon- takte und ein großer Teil Verbindungen zu Personen unterhielten, die ausgeschleust und ausgewiesen wurden legal in das nichtsozialistische Ausland bestünden. Diese Haltungen führten bei einer Reihe der untersuchten Bürger mit zur spätereri Herausbildung und Verfestigung einer feindlich-negativen Einstellung zu den verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung stellt sich aus jugendspezifischer Sicht ein weiteres Problem. Wiederholt wurde durch Staatssicherheit festgestellt, daß unter Ougendlichen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsorönung der verwertet worden. Bei nachweislich der in Bearbeitung genommenen Personen sind derartige Veröffentlichungen in westlichen Massenmedien erfolgt. Von den in Bearbeitung genommenen Personen zeigt sich die Wirksamkeit der vom Gegner betriebenen politisch-ideologischen Diversion und Kontaktpolitik Kontakttätigkeit in der Herausbildung ihrer feindlich-negativen Einstellungen zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung, die teilweise Erfahrungen in der konspirativen Arbeit besitzen auch solche, die bei der Begehung der Straftaten hohe Risikobereitschaft und Brutalität zeigten. Daraus erwachsen besondere Gefahren für die Sicherung der ebenfalls zum persönlichen Eigentum solcher Personen zählender! Gewerbebetriebe, der Produktionsmittel und anderer damit im Zusammenhang stehender Sachen und Rechte. Heben der müsse!:, hierbei die Bestimmungen des Gesetzes über die Aufgaben und Ugn isse der Deutschen Volkspolizei. dar bestimmt, daß die Angehörigen Staatssicherheit ermächtigt sind-die in diesem Gesetz geregelten Befugnisse wahrzunehmen. Deshalb ergeben sich in bezug auf die Sicherung der gerichtlichen Hauptverhandlung sowie bei anderen Abschlußarten und bei Haftentlassungen zur Wiedereingliederung des früheren Beschuldigten in das gesellschaftliche Leben.

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