Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 157

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 157 (NJ DDR 1964, S. 157); § 1 StEG. Vorstrafen führen nicht notwendig zum Ausschluß einer bedingten Verurteilung. Vielmehr ist sorgfältig zu prüfen, in welcher Beziehung die bisherigen Straftaten, für die die Vorstrafen ausgesprochen wurden, zu der erneuten Straftat stehen. Das ist besonders dann erforderlich, wenn Vorstrafen von westdeutschen Gerichten verhängt wurden. BG Halle, Urt. des Präsidiums vom 14. Januar 1964 Kass. S 8/63. In der Hauptverhandlung vom 26. Juni 1963 hat die Strafkammer folgenden Sachverhalt als erwiesen angesehen: Der Angeklagte ist als Lokführer beim VEB T. beschäftigt. Er arbeitete am 12. Februar 1963 gemeinsam mit dem Verurteilten Th. von 14 bis 22 Uhr in einer Schicht. Während dieser Zeit hatte der Angeklagte acht beladene Waggons innerhalb des Betriebsgeländes zum Entladen zu rangieren. Angesichts des starken Gefälles der Rangierstrecke dürfen gemäß § 59 der Betriebsordnung für Anschlußbahnen (BOA) nur zehn Achsen zugleich rangiert werden. Deshalb wäre es erforderlich gewesen, diese acht Waggons in zwei Abteilungen zu rangieren. Der Angeklagte entschloß sich aber, alle acht Waggons in einer Fahrt zu rangieren, weil es sich nur um kleine Waggons handelte. Der als verantwortlicher Rangierleiter tätige Verurteilte Th. hatte zwar angeordnet, zweimal zu fahren, war aber schließlich mit dem Angeklagten einverstanden, nur einmal zu fahren. Zwischen beiden wurde vereinbart, vorsichtshalber zwei Hemmschuhe zu legen, um die große Abteilung rechtzeitig zum Halten zu bringen. Durch die übermäßige Last der auf einmal rangierten acht Waggons war es dem Angeklagten nicht mehr möglich, auf dem starken Gefälle eine ausreichende Bremswirkung zu erzielen. Die Rangierabteilung nahm ein immer schnelleres Tempo an. Die gelegten Hemmschuhe blieben wirkungslos. Die Rangierabteilung prallte auf den Prellbock, der durch den Anstoß zerstört wurde Der erste Waggon fuhr über das Gleisende hinaus ins Erdreich und in den dort lagernden Schrott. An diesem Waggon entstand ein Schaden in Höhe von 449,30 DM. Auf Grund dieser Feststellungen hat die Strafkammer den Angeklagten wegen fahrlässiger Transportgefährdung zu drei Monaten Gefängnis und zum Ersatz des entstandenen Schadens verurteilt. Gegen diese Entscheidung richtet sich der zugunsten des Angeklagten eingelegte Kassationsantrag des Bezirksstaatsanwalts, mit dem eine bedingte Verurteilung des Angeklagten begehrt wird. Der Kassationsantrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: Die Strafkammer hat die unbedingte Verurteilung des Angeklagten einseitig darauf gestützt, daß er viermal vorbestraft ist. Sie hat dabei aber weder die Vorakten beigezogen noch die einzelnen Vorstrafen analysiert. Die vom Staatsrat geforderte allseitige Prüfung der Täterpersönlichkeit schließt aber ein, eventuelle Vorstrafen gründlich zu analysieren. Das wäre in diesem Fall um so notwendiger gewesen, als drei der vier Vorstrafen in Westdeutschland ausgesprochen worden sind; den# für die Wirksamkeit von Vorstrafen sind in entscheidendem Maße die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmend, unter denen sie ausgesprochen worden sind. In Westdeutschland ausgesprochene Vorstrafen dürfen daher nicht schematisch mit in der DDR ausgesprochenen Vorstrafen hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Wirksamkeit gleichgesetzt werden. Besonders sorgfältig sind aber auch die Ursachen von in Westdeutschland begangenen Straftaten einzuschätzen. Kann das nicht durch Beiziehung der Akten geschehen, dann muß eine eingehende Befragung des Angeklagten darüber in der Hauptverhandlung erfolgen. Das hat aber die Strafkammer unterlassen. Auch diese Arbeitsweise widerspricht dem Rechtspflegeerlaß des Staatsrates. Die Strafkammer hat weiterhin nicht geprüft, inwieweit das Verhalten des Angeklagten, das zu den vier Vorstrafen geführt hat, in Beziehung zu der neuen Straftat steht und inwieweit damit ein negatives Gesamtverhalten des Angeklagten zum Ausdruck kommt. Eine Analyse der Vorstrafen ergibt, daß der Angeklagte 1950 durch das Amtsgericht Di. wegen Unterschlagung zu zwei Wochen Gefängnis, 1956 durch das Amtsgericht H. wegen Trunkenheit am Steuer zu einer Woche Haft, 1957 durch das Amtsgericht Do. wegen Unterschlagung und Betrugs zu einem Monat und zwei Wochen Gefängnis mit Bewährung Widerruf vom 29. September 1958 und 1960 durch das Kreisgericht A. wegen fortgesetzter Unterschlagung von Volkseigentum zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Drei der Vorstrafen betreffen also Eigentumsdelikte. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die in Westdeutschland unter kapitalistischen Bedingungen begangenen zwei Eigentumsdelikte äußerst geringfügig waren und daß über die Art und Weise ihrer Begehung und ihrer Ursachen nichts festgestellt wurde, was für die erneute Straftat erschwerend ins Gewicht fällt. Sie stehen zur erneuten Straftat auch in keiner Beziehung. Ebenso kann auch die in Westdeutschland im Jahre 1956 erfolgte Verurteilung wegen Trunkenheit am Steuer nicht erschwerend wirken. Unter den in Westdeutschland herrschenden gesellschaftlichen Bedingungen bleibt die Wirksamkeit dieser gegen den Angeklagten ausgesprochenen Vorstrafen fraglich, weil hierfür keinerlei gesellschaftliche Bedingungen gegeben sind und die Strafe ausschließlich Sühhecharakter trägt. Von ihrer Wirksamkeit her kann daher in diesem Fall von diesen Strafen nicht die Notwendigkeit einer unbedingten Verurteilung abgeleitet werden, wie das die Strafkammer getan hat. Aber auch aus der letzten Vorstrafe wegen Unterschlagung von Volkseigentum kann nicht zwingend gefolgert werden, daß deswegen bei der erneuten Tat des Angeklagten nur eine unbedingte Strafe in Frage kommt. Diese Strafe hat der Angeklagte in der DDR verbüßt. Er wurde wegen guter Führung vorzeitig entlassen. Wie sein folgendes Leben zeigt, hat er daraus Schlußfolgerungen gezogen. Die in der Beweisaufnahme aufgetretenen gesellschaftlichen Kräfte haben ihn in seiner jetzigen Tätigkeit gut beurteilt. Er hat sich vom Kohlelokführer zum Diesellokführer qualifiziert. In seinem Wohnort führt er einen ordentlichen Lebenswandel. Schon aus diesem Grunde durfte die Strafkammer für die erneute Straftat nicht schlechthin die Möglichkeit der bedingten Verurteilung ablehnen. Die Vorstrafen stehen aber auch in keinerlei Beziehung zur jetzigen Straftat, bei der es sich um eine fahrlässige Tat handelt. Das Motiv des Angeklagten zur Handlung bestand darin, die Rangierarbeiten möglichst schnell zu bewältigen, da eine Abteilung der Reichsbahn schon auf die weitere Abfertigung über die vom Verurteilten zu benutzenden Betriebsgeleise wartete. Das hat die Strafkammer nicht untersucht und gewürdigt. Zwar steht die an sich gute Absicht des Angeklagten in krassem Widerspruch zu den Forderungen nach Sicherheit im Werkbahnbetrieb, sie zeigt aber die positive Grundeinstellung des Angeklagten zu seiner Arbeit. In diesem Zusammenhang ist auch beachtlich, was der Vorsitzende der Konfliktkommission als Vertreter des Kollektivs (fälschlich von der Strafkammer als Leumundszeuge bezeichnet) vorgetragen hat: „Die Wiese ist die größte Gefahrenquelle für uns Rangierer. Es ist dabei vieles zu berücksichtigen. Auf diesem Gleis sind bei nassem Wetter fünf Wagen schwer unterzu- \ 157;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

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