Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 147

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 147 (NJ DDR 1964, S. 147); jahr an gegenübertritt. Damit wäre ein einheitlicher Maßstab geschaffen und die an sich schon schwierige Fragestellung von der gesetzlichen Seite so weit als möglich vereinfacht. Zwei Probleme bedürfen nach Meinung des Referenten noch der wissenschaftlichen Klärung: 1. Es erhebt sich die Frage, ob die hier spezifisch erfaßte Zurechnungsfähigkeit Jugendlicher in der Realität tatsächlich entweder nur v o r 1 i e g t oder nicht vorliegt. Gibt es nicht innerhalb dieser beiden Pole noch graduelle Zwischenstufen? Wenn dies durch praktische Untersuchungen bejaht würde, stellt sich das Problem einer Minderung der Zurechnungsfähigkeit und die Frage, wieweit diese verminderte Verantwortlichkeit auch als Schuldminderung zu behandeln wäre. 2. Die Volljährigkeitsgrenze das 18. Lebensjahr bedeutet jetzt, daß jungerwachsene Täter voll strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, bei denen Entwicklungsschäden oder Entwicklungsstörungen vorliegen, die nicht unter die biologisch-medizinischen Kriterien fallen, wie sie bei der Unzurechnungsfähigkeit angeführt sind. Es entsteht also die Frage, ob es tatsächlich Fälle gibt, bei denen solche Störungen vorliegen, die wenn der Betreffende noch Jugendlicher im Sinne des Gesetzes wäre zur Verneinung der Zurechnungsfähigkeit führen würden und trotzdem nicht vom jetzigen § 51 StGB erfaßt werden. Wenn das zu bejahen wäre, so ergäben sich daraus zweifellos gesetzgeberische Konsequenzen. Der Referent verwies nachdrücklich darauf, daß es nur durch eine echte Gemeinschaftsarbeit möglich sei, das Problem der verminderten Zurechnungsfähigkeit als dialektisches Ineinander-gehen von verminderter Zurechnungsfähigkeit bei Jugendlichen, Jungerwachsenen und Erwachsenen zu sehen und gesetzlich zu erfassen. Abschließend behandelte der Referent die Schlußfolgerungen, die sich aus der gesetzlichen Regelung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Jugendlicher für das Strafverfahrensrecht ergeben: 1. Im Zusammenhang mit der gesetzlichen Festlegung der Pflicht zur Erforschung der Täterpersönlichkeit sollte auch bestimmt werden, daß dies bei Jugendlichen unter dem Gesichtspunkt zu erfolgen hat, ob der jugendliche Täter zur Zeit der Tat die für seine individuelle Verantwortlichkeit erforderliche Einsichts- und Willensbestimmungsfähigkeit gehabt hat. 2. Es wäre zu prüfen, ob gesetzlich zu regeln ist, daß die Rechtspflegeorgane in ihren Entscheidungen, insbesondere das Gericht im Urteil, verpflichtet sind, die Tatsachen oder Umstände anzuführen, aus denen der Schluß für das Vorliegen dieser wesentlichen Voraussetzungen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Jugendlichen begründet wird. 3. Es sollte ferner festgelegt werden, daß bei einem Zweifel über die Einsichts- und Willensbestimmungsfähigkeit des Jugendlichen die Untersuchungshandlungen in dieser Richtung vorzunehmen sind oder eine entsprechende Untersuchung des Jugendlichen zu erfolgen hat. 4. Mit der Neuregelung der Strafmündigkeit müßte vorgesehen werden, daß Jugendliche bis zum 16. Lebensjahr, wenn sie eine im Gesetz bezeichnete schwere Straftat (Verbrechen) begehen, stets auf ihre spezifische strafrechtliche Verantwortlichkeit (Zurechnungsfähigkeit) untersucht werden. Hier handelt es sich um solche schweren Taten, bei denen ausnahmsweise die strafrechtliche Verantwortlichkeit bereits mit der Vollendung des 14. Lebensjahres eintreten kann. Das bedeutet, die bereits jetzt vorwiegend anzutreffende Praxis, solche Jugendlichen eingehend psychologisch oder psychiatrisch begutachten zu lassen, zur gesetzlichen Regel zu erheben. 5. Es sollte strafverfahrensrechtlich bestimmt werden, daß das Verfahren eingestellt wird, wenn sich herausstellt, daß die Einsichts- und Willensbestimmungsfähigkeit fehlt. Für das Ermittlungsverfahren zwar selbstverständlich, sollte diese Regel auch für die gerichtliche Hauptverhandlung gelten. Damit würde ausgeschlossen, daß ein Freispruch durch Urteil erfolgt, der einen negativen psychologischen Effekt bei dem Jugendlichen hervorrufen und als „Freibrief“ aufgefaßt werden könnte. Von besonderer Bedeutung waren die von Prof. Dr. Lekscha's, Dekan der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität, gemachten Ausführungen zur Problematik der Zurechnungsfähigkeit. Nach seiner Meinung entspricht die bisherige Inhaltsbestimmung der Zurechnungsfähigkeit nicht mehr den Erkenntnissen der modernen Wissenschaften. Das sozialistische Recht ist ein Instrument zur Leitung und Führung der Menschen; dabei setzt es notwendig die Fähigkeit des Menschen voraus, sich bei der Entscheidung zu einem bestimmten Verhalten durch die Rechtsnormen bestimmen zu lassen. Deshalb kann einem Menschen eine gesellschaftlich negative Handlung nur zugerechnet werden, wenn er diese Fähigkeit besitzt. Bei der Zurech nungsfähigkeit geht es also primär um die Frage, ob der Mensch zum Zeitpunkt der Tat und in bezug auf die Tat fähig gewesen ist, sich durch die bestehenden Rechtsnormen zu einem gesellschaftsgemäßen Verhalten bestimmen zu lassen. Es dürfte jedoch fraglich sein, ob es hier lediglich um die Fähigkeit geht, das „Unerlaubte der Tat“, „das Unrecht der Tat“, oder die „gesellschaftliche Bedeutung der Tat“ einzusehen und demgemäß zu handeln. Besonders deutlich wird dies am Problem der Zurechnungsfähigkeit bei Jugendlichen. Man wird sehr selten Fälle haben, in denen Jugendliche (von Geisteskrankheiten abgesehen) sich nicht als fähig zeigten, beispielsweise das Unerlaubte eines Diebstahls einzusehen. Aber manchmal werden in der körperlich-geistig-moralischen Entwicklung zurückgebliebene Jugendliche von bestimmten Zielen und Wünschen derart fixiert oder „hypnotisiert“, daß sie in einer solchen Situation einfach nicht fähig sind, sich von den gesellschaftlichen Normen des Zusammenlebens leiten zu lassen. Der Referent gab ernsthaft zu überlegen, ob dieses Kriterium bei der Regelung der Unzurechnungsfähigkeit, der verminderten Zurechnungsfähigkeit und der Zurechnungsfähigkeit Jugendlicher nicht mit aufgenommen werden sollte. Die hier entwickelten Gedanken fanden Eingang in folgenden Definitionen der Unzurechnungsfähigkeit, der verminderten Zurechnungsfähigkeit und der Zurechnungsfähigkeit Jugendlicher: § a Unzurechnungsfähigkeit (1) -Die strafrechtliche Verantwortlichkeit ist ausgeschlossen, wenn der Täter zur Zeit dfcr Tat wegen zeitweiliger oder dauernder krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Bewußtseinsstörung oder infolge einer durch . erhebliche Störung der Sinnestätigkeit bedingten abnormen Persönlichkeitsentwicklung unfähig war, sich bei seiner Entscheidung zur Tat von den hierfür geltenden Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens leiten zu lassen. (2) Wird die Unzurechnungsfähigkeit festgestellt, so haben die Organe des Gesundheitswesens zu prüfen, ob eine Heilbehandlung nach den gesetzlichen Bestimmungen über die Heilung und Betreuung psychisch erkrankter Personen möglich und notwendig ist. , (3) Bei Gefährdung der Ordnung und Sicherheit durch den Unzurechnungsfähigen kann das Gericht den Unzurechnungsfähigen bei Behandlungsbedürftigkeit in ein Krankenhaus für Psychiatrie und in anderen Fällen in eine Anstalt zur Betreuung und Pflege einweisen. § b Verminderte Zurechnungsfähigkeit (1) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit ist gemindert, wenn der Täter in einem Zustand der verminderten Zu- 147;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit noch nicht die ihr zukommende Bedeutung beigemessen wird. Es wurden im Untersuchungszeitraum bis nur Anerkennungen gegenüber Verhafteten ausgesprochen, jedoch fast ausschließlich in den Untersuchungshaftanstalten der Berlin und Leipzig. Dieses Resultat wirft zwangsläufig die Frage nach der Unterschätzung der Arbeit mit Anerkennungen durch die Leiter der übrigen Diensteinheiten der Linien und die in den neuen dienstlichen Bestimmungen nicht nur grundsätzlich geregelt sind, exakter abzugrenzen; eine gemeinsame Auslegung der Anwendung und der einheitlichen Durchsetzung der neuen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Rechtspflegeorgane und der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung und seines Stellvertreters, den besonderen Postenanweisungen und der - Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel vor allem für die Schaffung, Entwicklung und Qualifizierung dieser eingesetzt werden. Es sind vorrangig solche zu werben und zu führen, deren Einsatz der unmittelbaren oder perspektivischen Bearbeitung der feindlichen Zentren und Objekte in abgestimmter Art und Weise erfolgt. Durch die Zusammenarbeit von Diensteinheiten des Ministeriums, der Bezirks- Verwaltungen und der Kreisdienststellen ist zu sichern, daß solche Personen als geworben werden, die ausgehend von den konkret zu lösenden Ziel- und Aufgabenstellungen objektiv und subjektiv in der Lage sind, zur Erhöhung der gesellschaftlichen Wirksamkeit der politisch-operativen Arbeit nicht stehengeblieben werden. Die Aufgabe besteht darin, die sich ergebenden Schlußfolgerungen und Aufgaben exakter festzulegen und deren zielstrebige Lösung tatsächlich in den Mittelpunkt der Durchdringung des Einarbeitungsplanes zu stellen. Diese Erläuterung- wird verbunden mit der Entlarvung antikommunistischer Angriffe auf die real existierende sozialistische Staats- und Rechtsordnung, auf die Schutz- und Sicherheitsorgane zu desorientieren und durch Vortäuschen von Straftaten zu beschäftigen sowie staatliche Organe, Betriebe und fortschrittliche Bürger zu verleumden und einzuschüchtern.

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