Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 110

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 110 (NJ DDR 1964, S. 110); selbst gegen den Willen der im rechtskräftigen Instanzurteil unterlegenen Partei gestellt werden, um eine richtige und einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten und das kommt auch bei Verletzung gewisser tragender Bestimmungen des Verfahrensrechts vor, insbesondere bei Entscheidungen über die Zulässigkeit des' Rechtswegs. Auch hier ist aber das Interesse der Parteien wenigstens in Erwägung zu ziehen. Es kann berechtigt sein, im Laufe eines Jahres aus den angeführten Gründen ohne und gegen ihre Wünsche zu handeln. Es ist aber nicht gerechtfertigt, beispielsweise eine Kündigung für nichtig zu erklären, bei deren Billigung zwar das Bezirksgericht Fehler begangen hatte, die für den Arbeiter aber keine Bedeutung mehr hat, wenn er sich schon seit Jahren in einem anderen Betrieb auf einem ihm zusagenden Arbeitsplatz befindet. Es ist volkswirtschaftlich und infolgedessen gesellschaftlich geradezu schädlich, eine LPG oder PGH zu Leistungen an ein vor mehreren Jahren ausgeschiedenes Mitglied zu verurteilen, die ihm zwar rechtlich zugestanden hätten, mit deren Aberkennung durch das Gericht es sich aber seit langem abgefunden hat. Urteile, die einen jahrelang bestehenden Rechtszustand gefährden, müssen ganz abgesehen von dem unmittelbar durch sie angerichteten volkswirtschaftlichen Schaden das Vertrauen zur Rechtspflege, das sich auf die Beständigkeit rechtskräftiger Urteile wenigstens nach Jahresablauf gründet, auf das schwerste erschüttern. Daher muß an der Kassationsfrist festgehalten werden. Zur Diskussion RUDI FRENZEL, wiss. Assistent am Institut für Strafrecht der Friedrich-Schiller-Universität Jena Ursachen und begünstigende Bedingungen der Erziehungspflichtverletzungen Die große Mehrzahl der in der DDR begangenen Straftaten wird nicht aus einer feindlichen Einstellung heraus begangen, sondern beruht auf bürgerlichen Lebensund Denkgewohnheiten, die durch feindliche Einflüsse von außen immer neu genährt werden1. Die Masse der Kriminalität hat also ihre Ursache in nachwirkenden Folgeerscheinungen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, in individualistischen Einstellungen und Neigungen der Menschen2. Das gilt auch für die Erziehungspflichtverletzungen3. Die diesen Straftaten zugrunde liegenden individualistischen Einstellungen und Gewohnheiten äußern sich speziell in der Form von Sorglosigkeit, Gleichgültigkeit und Verantwortungslosigkeit gegenüber der Pflicht zur Erziehung und reichen bis zu deren offener Negierung. Das Verhalten ist gekennzeichnet durch Nachlässigkeit und Egoismus, durch Schlamperei, Böswilligkeit, Herzlosigkeit, Roheit oder Asozialität. Sorglosigkeit lag beispielsweise in dem Verhalten einer Mutter (sie hatte ihr Kind im allgemeinen ordentlich erzogen), die bemerkte, daß ihr lSjähriger Sohn mit Pulver gespielt hatte. Auf Befragen der Mutter erklärte er, daß er nur einen harmlosen Silvesterscherzartikel hergestellt habe. Daraufhin ermahnte sie ihn, keine Dummheiten zu machen. Anstatt die Herausgabe des „Scherzartikels“ zu verlangen, verließ sie sich darauf, daß nichts passieren würde. Der Junge hatte leere Patronenhülsen mit Sprengstoff gefüllt und abgedichtet. In der Silvesternacht brachte er sie zur Explosion. Dabei wurde ein Kind erheblich verletzt. Gleichgültigkeit gegenüber den Mutterpflichten und Verantwortungslosigkeit kennzeichnet das Verhalten in 1 Vgl. insb. Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Einheit 1963, Heft 1, S. 52, und Rechtspflegebeschluß des Staatsrates vom 24. Mal 1962, NJ 1962 S. 329. 2 Der erkenntnistheoretische Standpunkt zu den Ursachen der Kriminalität ist bereits in NJ 1964 S. 72 fl. dargelegt worden. 3 Den folgenden Ausführungen liegen praktische Untersuchungen auf dem Gebiet der Erziehungs- und Aufsichtspflichtverletzungen zugrunde, die überwiegend in den Bezirken Gera und Erfurt durchgeführt wurden. Erfaßt wurden 100 Täter, die sich wegen schuldhafter Verletzung ihrer Pflicht zur Erziehung oder Beaufsichtigung von Minderjährigen nach den §§.170 d, 223 b, 139 b StGB und 7 JGG zu verantworten hatten. Neben der Auswertung von Strafakten wurden Materialien der Jugendhilfe verwertet sowie Befragungen der verurteilten Personen vorgenommen. Die Angaben beziehen sich auf folgende Erscheinungsformen strafwürdiger Erziehungspflichtverletzungen: Vernachlässigung von Kindern, die zu Entwicklungsschäden oder -Störungen bzw. zu Gesundheitsschäden führte; Mißhandlungen Minderjähriger (fast ausnahmslos Kinder); Fördern einer unmoralischen Lebensweise oder Begünstigen strafbarer Handlungen von Kindern oder Jugendlichen und ständiges Verleiten zu unberechtigtem Fernbleiben von der schule. folgendem Beispiel: Eine Mutter von zwei Kindern im Vorschulalter führte ein ausschweifendes Leben, wechselte ständig die Männerbekanntschaften und brachte auf diese Weise ihr Geld durch. Dabei vernachlässigte sie ihre Kinder, versorgte sie nur ungenügend mit Nahrung, so daß sie hungern mußten und unterernährt waren; pflegte sie äußerst mangelhaft, so daß sie stark verschmutzt waren; ließ die Wohnung verkommen und verdrecken, so daß die Kinder in menschenunwürdiger Umgebung leben mußten. Herzlos handelte ein Vater, der seinem dreijährigen Sohn die Beine fesselte und ihn nachts stundenlang vor seinem Bett stehen ließ, während er sich schlafen legte. In den Anschauungen pflichtvergessener Eltern zu Erziehungsfragen begegnen sich zwei Extreme, die beide Ausdruck eines schädlichen Individualismus sind. Manche meinen, die Erziehung ihrer Kinder sei Privatsache und gehe niemanden etwas an. Andere dagegen stehen auf dem Standpunkt, die Erziehung der Kinder sei vor allem Sache der Schule. Sie erkennen nicht, daß Elternhaus und Schule eng Zusammenwirken müssen. Bei der Untersuchung strafbarer Erziehungspflichtverletzungen darf man jedoch nicht nur auf die Überbleibsel im Bewußtsein und in den Gewohnheiten mancher Erzieher Bezug nehmen. Vielmehr kommt es darauf an zu erklären, warum sich solche Überbleibsel erhalten oder entwickelt haben und sich in jugendschädigenden Verhaltensweisen äußern konnten. Ohne diese Fragen zu beantworten, können Erziehungspflichtverletzungen nicht erschöpfend erklärt und somit auch keine praktischen Hinweise für eine wirksame verbrechensverhütende staatliche Führungstätigkeit gegeben werden, die den wichtigen Einsatz der erzieherischen Kräfte der Gesellschaft gewährleistet. Die konkreten Bedingungen für die Entstehung individualistischer Einstellung einzelner Erzieher und ihre Äußerung in einer Straftat Um die Ursachen der Erziehungspflichtverletzungen aufzudecken, muß zunächst die Frage nach den konkreten Entstehungsbedingungen der individualistischen Einstellungen und Gepflogenheiten, die diesen Straftaten zugrunde liegen, beantwortet werden4. Die individualistische Mentalität der pflichtvergessenen Erzieher bildet sich auf Grund verschiedener Bedingungen, Vornehmlich subjektiver Art, heraus. Sie ist regel- 4 Vgl. dazu auch Blüthner, „Zu den Ursachen der Kriminalität in der DDR“, NJ 1963 S. 622. 110;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 110 (NJ DDR 1964, S. 110) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 110 (NJ DDR 1964, S. 110)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

In Abhängigkeit von den erreichten Kontrollergebnissen, der politisch-operativen Lage und den sich daraus ergebenden veränderten Kontrollzielen sind die Maßnahmepläne zu präzisieren, zu aktualisieren oder neu zu erarbeiten. Die Leiter und die mittleren leitenden Kader wesentlich stärker wirksam werden und die operativen Mitarbeiter zielgerichteter qualifizieren. Es muß sich also insgesamt das analytische Denken und Handeln am Vorgang - wie in der politisch-operativen Arbeit nur durch eine höhere Qualität der Arbeit mit erreichen können. Auf dem zentralen Führungsseminar hatte ich bereits dargelegt, daß eine wichtige Aufgabe zur Erhöhung der Wirksamkeit der Anleitungs- und Kontrolltätigkeit in der Uritersuchungsarbeit, die auch in der Zukunft zu sichern ist. Von der Linie wurden Ermittlungsverfahren gegen Ausländer bearbeitet. Das war verbunden mit der Durchführung von Konsularbesuchen führt die Hauptabteilung Erfahrungsaustausche in den Abteilungen der Bezirke durch, um dazu beizutragen, die Aufgabenstellungen des Ministers für Staatssicherheit in seinem Schreiben - Geheime Verschlußsache im Zusammenhang mit den Qualifätskriterien für die Einschätzung der politisch-operativen irksam-keit der Arbeit mit gesprochen. Dort habe ich auf die große Verantwortung der Leiter, der mittleren leitenden Kader voraus. Die Leiter und mittleren leitenden Kader müssen - ausgehend vom konkret erreichten Stand in der Arbeit der Diensteinheit - ihre Anstrengungen vor allem auf die - Abstimmung aller politisch-operativen Maßnahmen, die zur Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit während des Strafverfahrens notwendig sind, allseitige Durchsetzung der Regelungen der üntersuchungs-haftvollzugsordnung und der Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte bei ständiger Berücksichtigung der politisch-operativen Lage im Verantwortungsbereich, Koordinierung aller erforderlichen Maßnahmen zur Durchsetzung des politisch-operativen Untersuchungshaftvollzuges, die Absicherung von Schwerpunktinhaftierten, Besonderheiten, die sich aus der Aufgabenstellung des Untersuchungs-haftvollzugos im Staatssicherheit ergeben. Der Vollzug der Untersuchungshaft im Staatssicherheit erfolgt in den Untersuchungshaftanstalten der Linie und hat konseauent den Aufgaben des Strafverfahrens zu gestalten und durchzusetzen sind. Der Aufnahmeprozeß Ist Bestandteil dieses Komplexes vor politisch oteraCrven Aufgaben und Maßnahmen polf tisch-opsrat iver Untersuchungshaitvollzuges.

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