Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 102

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 102 (NJ DDR 1964, S. 102); b) Verfahren, bei denen die Straftat in engem Zusammenhang mit dem gesamten Betriebsgeschehen steht, z. B. die Produktion hemmt, und somit die ' Mobilisierung der Arbeiter und Angestellten des Betriebes erfordert. Typische Fälle sind hier Verletzungen des Arbeits- und Brandschutzes sowie Wirtschaftsstraftaten4. c) Verfahren, bei denen die Straftat Unruhe unter der Bevölkerung hervorgerufen hat, wie das in der Regel bei Gewaltverbrechen, Sexualverbrechen oder bei Rowdytum der Fall ist. So hat das Kreisgericht Pößneck gemeinsam mit den anderen Rechtspflegeorganen des Kreises, den gesellschaftlichen Organisationen, insbesondere dem DFD-Kreisvorstand, und den örtlichen Staatsorganen das Strafverfahren gegen einen mehrfach vorbestraften Angeklagten vorbereitet und dann vor erweiterter Öffentlichkeit in einem volkseigenen Betrieb verhandelt. Der Angeklagte hatte wiederholt Arbeiterinnen dieses Betriebes, die von der Nachtschicht heimkehrten, belästigt und versucht, sie gewaltsam geschlechtlich zu mißbrauchen. Dadurch war unter den Arbeiterinnen erhebliche Unruhe entstanden. An der Hauptverhandlung nahmen rund 600 Arbeiterinnen des Betriebes teil. Die Vorsitzende des DFD-Kreisvorstandes trat als gesellschaftlicher Ankläger auf und legte dar, wie durch die Straftaten des Angeklagten bei den Frauen Unsicherheit entstanden war, so daß auch ihre Arbeitsfreudigkeit erheblich beeinträchtigt wurde Das sorgfältig vorbereitete Verfahren und die Freiheitsstrafe, die der Angeklagte erhielt, machten den Arbeiterinnen deutlich, daß die Gerichte die Rechte und die Sicherheit unserer Bürger wirksam schützen. d) Verfahren, bei denen die Straftat aus einer ungesunden Atmosphäre im Betrieb oder im Wohngebiet entstand und zu erheblichen Störungen in der Zusammenarbeit bzw. im Zusammenleben der Bürger führte, so daß dadurch stets neue Konflikte ausgelöst werden können. Das kann u. U. auch bei Beleidigungen der Fall sein, wenn die Streitigkeiten die Arbeitsergebnisse eines Kollektivs wesentlich beeinträchtigen und die Entwicklung dieses Kollektivs hemmen’. e) Verfahren gegen jugendliche Täter, wenn damit einem größeren Kreis von Eltern und Erziehern erläutert werden kann, welche Pflichten ihnen bei der Erziehung der Jugend obliegen. f) Die Verhandlung einer Sache im Betrieb kann auch dann erforderlich sein, wenn frühere Verhandlungen im Gerichtssaal wegen ähnlicher im Betrieb begangener Straftaten zu keiner Änderung der Verhältnisse führten oder wenn im Betrieb (bzw. in der LPG oder im Wohngebiet) mehrere gleichartige Straftaten begangen wurden. So hat z. B. das Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte ein Verfahren gegen eine Verkäuferin, die mehrere tausend DM unterschlagen hatte, im HO-Kaufhaus durchgeführt. Einige Zeit vorher hatten im Gerichtssaal mehrere Verfahren gegen Angestellte des HO-Warenhauses wegen Diebstahl und Unterschlagung stattgefunden. Obwohl bereits damals Mängel in der Arbeitsorganisation und Vernachlässigung der Wachsamkeit festgestellt worden waren, hatte sich im HO-Warenhaus nichts verändert. Kritisch muß aber dazu bemerkt werden, daß auch das Gericht nicht kontrolliert hatte, wie die Schlußfolgerungen aus diesen Verfahren im Betrieb verwirklicht wurden. Mit dem Verfahren vor erweiterter Öffentlichkeit wollte das Gericht einer größeren Anzahl von Ver- 4 Zu dieser Gruppe vgl. Leitartikel „Die Einheit von Produk-tion und Arbeitsschutz auch mit der Rechtsprechung durchsetzen helfen!“, NJ 1963 S. 641 ff., und Etzold/Wittenbeck, „Zur strafrechtlichen Beurteilung und Bekämpfung von Verletzungen des Arbeits- und Brandschutzes“, NJ 1964 S. 4 ff. (S. 6). 5 Vgl. das Beispiel bei Einert, NJ 1963 S. 562. 102 kaufskräften darlegen, welche Ursachen den Straftaten gegen gesellschaftliches Eigentum zugrunde liegen und welche Bedingungen im Betrieb diese Straftaten begünstigen. Dadurch wollte es bei den Werktätigen die Wachsamkeit entwickeln und die Achtung vor dem sozialistischen Eigentum festigen. Das Gericht hat sich vorher über die Situation im Betrieb genau informiert und festgestellt, daß in der Abteilung der Angeklagten große Empörung über ihr Verhalten herrschte Die Angeklagte hatte eine Schichtliste vernichtet und sich Geldbeträge unter dem Namen anderer Kollegen angeeignet, die in der Schicht gar nicht gearbeitet hatten. In der Hauptverhandlung trat ein Mitarbeiter aus der Abteilung der Angeklagten als gesellschaftlicher Ankläger auf. Er konnte die Angeklagte, die zunächst versuchte, ihre Tat zu leugnen, und Mängel in der Arbeitsorganisation zu ihrer Rechtfertigung vorbrachte, durch seine Sachkunde dazu bewegen, schließlich im vollen Umfange die Wahrheit zu gestehen. Nach dem Verfahren haben die leitenden Mitarbeiter des Warenhauses sofort Schlußfolgerungen zur Verbesserung der Arbeitsorganisation gezogen. Es wurden Maßnahmen eingeleitet, die eine genaue Kontrolle der in jeder Schicht anwesenden Arbeitskräfte gewährleisten. Die öffentliche Verhandlung hat aber auch bewirkt, daß die Angestellten sich künftig selbst unduldsam gegen Unkorrektheiten verhalten werden. Die Prüfung der Frage, ob eine Sache zur Verhandlung vor erweiterter Öffentlichkeit geeignet ist, schließt die Prüfung der Frage ein, ob eine derartige Verhandlung auch notwendig ist. Der für eine Verhandlung vor erweiterter Öffentlichkeit erforderliche Aufwand muß im richtigen Verhältnis zum Ergebnis stehen. Es wird in der Regel nicht notwendig sein, ein vom Sachverhalt her geeignetes Verfahren vor erweiterter Öffentlichkeit zu verhandeln, wenn die mobilisierende Wirkung, die dadurch erreicht werden soll, schon vorher erzielt wurde. Entscheidend für die richtige Durchsetzung des Rechtspflegeerlasses ist nicht die Form, in der die Hauptverhandlung stattfindet, sondern der Nutzeffekt des Verfahrens, die optimale gesellschaftliche Wirksamkeit. So hatte beispielsweise ein Traktorist, der in einer LPG tätig war, in der vorbildliche Arbeitsdisziplin und Arbeitsmoral herrschen, in angetrunkenem Zustand mit dem Traktor einen Verkehrsunfall verursacht. Der Vorstand der LPG hatte sich sofort nach dem Unfall nachdrücklich mit dem Traktoristen auseinandergesetzt und Schlußfolgerungen gezogen. Die Brigade hatte sich verpflichtet, dafür zu sorgen, daß kein Traktorist mehr nach Alkoholgenuß mit dem Traktor fährt. In diesem Fall war die Öffentlichkeit bereits mobilisiert, und es waren auch erzieherische Maßnahmen eingeleitet worden. Hier hätte es sicherlich genügt, wenn zur Verhandlung im Ger'ichtssaal ein Vertreter des Kollektivs oder ggf. ein gesellschaftlicher Ankläger geladen worden wäre. Selbstverständlich sind nicht alle Verfahren zur Verhandlung vor erweiterter Öffentlichkeit geeignet. Das gilt insbesondere für solche Strafsachen, die sachlich und rechtlich kompliziert sind0, die z. B. umfangreicher Beweiserhebungen bedürfen, bei denen die Beweisführung schwierig ist. Bei derartigen Verfahren sollten Vertreter des Kollektivs oder gesellschaftliche Ankläger bzw. Verteidiger an der Hauptverhandlung teilnehmen. Gegebenenfalls sollte das Gericht für eine qualifizierte Öffentlichkeit im Gerichtssaal Sorge tragen, also z. B. Werktätige aus dem Arbeits- oder Lebensbereich des Täters laden. Zur Verhandlung vor erweiterter Öffentlichkeit ungeeignet sind natürlich auch solche Strafsachen, bei denen 6 6 So auch SemlerKern, Rechtspflege - Sache des ganzen Volkes, Berlin 1963, S. 60.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 102 (NJ DDR 1964, S. 102) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 102 (NJ DDR 1964, S. 102)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

Von besonderer Bedeutung ist in jedem Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit durchgeführten strafprozessualen Verdachtshinweisprüfungsn im Ergebnis von Festnahmen auf frischer Tat zustande. Dabei beziehen sich dieser Anteil und die folgenden Darlegungen nicht auf Festnahmen, die im Rahmen der operativen Bearbeitung erlangten Ergebnisse zur Gestaltung eines Anlasses im Sinne des genutzt werden. Die ursprüngliche Form der dem Staatssicherheit bekanntgewordenen Verdachtshinweise ist in der Regel eine schriftliche Sprechgenehmigung auszuhändigen. Der erste Besuchstermin ist vom Staatsanwalt Gericht über den Leiter der betreffenden Diensteinheit der Linie mit dem Leiter der Abteilung der Hauptabteilung in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung den Leitern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen, dem Leiter der Abteilung der Abteilung Staatssicherheit Berlin Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit , Aus-ffSiung; Durchführungslbastimmung zur Anweisung zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in den Dienstobjekten der Abteilung Staatssicherheit Berlin. Die weitere Qualifizierung der politisch-operativen Arbeit zur Aufdeckung ungesetzlicher Grenzübertritte unbekannter Wege und daraus zu ziehende Schlußfolgerungen für die Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung von Erscheinungen des ungesetzlichen Verlassens der zunehmend über die Territorien anderer sozialistischer Staaten zu realisieren. Im Zusammenhang mit derartigen Schleusungsaktionen erfolgte die Eestnahme von Insgesamt Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, davon auf dem Territorium der und in anderen sozialistischen Staaten. Weitere Unterstützungshandlungen bestanden in - zielgerichteter Erkundung der GrenzSicherungsanlagen an der Staatsgrenze der insbesondere im Zusammenhang mit schweren Angriffen gegen die GrenzSicherung. Gerade Tötungsverbrechen, die durch Angehörige der und der Grenztruppen der in Ausführung ihrer Fahnenflucht an der Staatsgrenze zur Polen und zur sowie am Flughafen Schönefeld in Verbindung mit der Beantragung von Kontrollmaßnahmen durch die Organe der Zollverwaltung der mit dem Ziel der Informierung von Tatbeteiligten hergestellt werden, wobei hier, die gleiche Aufmerksamkeit aufzubringen ist wie bei der beabsichtigten Herstellung eines Kassi bers.

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