Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 798

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 798 (NJ DDR 1963, S. 798); Es entspricht der Rolle der Arbeitskollektive bei der Herausbildung der neuen Beziehungen der Menschen der sozialistischen Gesellschaft, daß der Ausspruch der Bindung an den Arbeitsplatz neben den Gründen, die eine bedingte Verurteilung zulassen, keine weiteren zusätzlichen Gründe voraussetzt. Auch die Tatsache, daß der Rechtsbrecher bereits längere Zeit im Betrieb tätig ist, schließt den Ausspruch dieser Maßnahme nicht aus, da in vielen Fällen gewährleistet werden muß, daß der Rechtsbrecher sich nicht der Einflußnahme des Kollektivs entzieht, wenn auch derartige Bestrebungen nicht notwendige Voraussetzung einer solchen Maßnahme sind. Die Bindung an den Arbeitsplatz ist aber besonders dann notwendig, wenn ein straffällig gewordener Bürger seinen Arbeitspflichten nicht oder ungenügend nachkommt, während des Strafverfahrens aus dem alten Arbeitskollektiv ausgeschieden ist etwa gar in der Absicht, sich dadurch der kollektiven erzieherischen Beeinflussung zu entziehen oder zum Zeitpunkt des Strafverfahrens überhaupt nicht im Arbeitsprozeß steht. Im vorliegenden Verfahren war die Anordnung der Bindung an den Arbeitsplatz unumgänglicj. Die gesamte bisherige Entwicklung der Angeklagten läßt erkennen, daß es sich bei ihr um einen bewußtseinsmäßig ungefestigten Menschen handelt. Sie wechselte häufig die Arbeitsstellen, war unpünktlich, fehlte unentschuldigt und ging auch zeitweilig keiner Beschäftigung nach. Ungeachtet der ihr durch leitende Mitarbeiter des Betriebes gegebenen Unterstützung und der gegen sie ausgesprochenen Disziplinarmaßnahmen hat sie ihr Verhalten in keiner Weise geändert und dadurch gezeigt, wie wenig sie sich der Verwerflichkeit ihres strafbaren Handelns bewußt war. Sie ist auch nicht gewillt, aus eigener Kraft zu einer richtigen Lebenseinstellung zu kommen. Es ist deshalb erforderlich, sie längere Zeit in einem guten Kollektiv zu erziehen. Zu dieser Erkenntnis hätte das Stadtbezirksgericht bereits im Eröffnungsverfahren kommen müssen, wenn es und das ist u. a. ein Hauptanliegen des Eröffnungsverfahrens die gesellschaftliche Zielstellung des Verfahrens herausgearbeitet hätte. Das erfordert, daß bereits im Ermittlungsverfahren die Umstände der Straftat, die Persönlichkeit des Täters, die- begünstigenden Bedingungen und Ursachen erforscht werden und festgestellt wird, ob sich das Kollektiv, in dem der Täter lebt oder arbeitet, bereits mit der Straftat befaßt und Schritte zur Überwindung der begünstigenden Bedingungen und gegebenenfalls zur Erziehung des Täters eingeleitet hat. Infolge des mangelhaften Ermittlungsergebnisses war das Gericht nicht in der Lage, einzuschätzen, wo und unter welchen Bedingungen, in welcher Umgebung die Angeklagte arbeitete, welche Stellung sie zum Kollektiv einnimmt und ob dieses Kollektiv die Gewähr bietet, den notwendigen Einfluß auf die Angeklagte auszuüben. Deshalb hätte die Sache zur Klärung dieser Frage gemäß § 174 StPO zur weiteren Ermittlung an den Staatsanwalt zurückgegeben werden müssen. Der Rechtspflegeerlaß des Staatsrates macht es nicht nur den Gerichten, sondern allen am Strafverfahren beteiligten Organen zur Pflicht, gesellschaftliche Kräfte in den Kampf gegen die Kriminalität planmäßig einzubeziehen. Daraus folgt, daß besonders dann, wenn nach dem Ergebnis der Ermittlungen mit einer Strafe ohne Freiheitsentzug gerechnet werden kann, bereits die für diesen Verfahrensabschnitt verantwortlichen Organe die Voraussetzungen für das Wirksamwerden einer solchen Strafe durch die erzieherische Einwirkung der Gesellschaft zu untersuchen und zugleich Maßnahmen zur Mobilisierung der dazu erforderlichen gesellschaftlichen Kräfte zu treffen haben. Im vorliegenden Falle mußte deshalb, ausgehend vom Stand der Ermittlungen, geklärt werden, ob die Voraussetzungen für den Verbleib der Angeklagten im damaligen Betrieb gegeben waren bzw. welche Arbeit sie andernfalls entsprechend ihren Fähigkeiten aufnehmen kann. Dabei hätte das Ermittlungsorgan welches auch erkennen mußte, daß in diesem Verfahren die Bindung an den Arbeitsplatz die wirksamste Form der Sicherung gesellschaftlicher Erziehung ist eng mit dem Amt für Arbeit und Berufsausbildung und dem in Aussicht genommenen Betrieb und Arbeitskollektiv Zusammenarbeiten müssen, um die für die Angeklagte erforderlichen Bedingungen zu schaffen. Deshalb und weil der Ausspruch der Verpflichtung, einen zugewiesenen Arbeitsplatz nicht zu wechseln, voraussetzt, daß der Arbeitsplatz zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung dem Rechtsverletzer bereits nachgewiesen ist, muß das Gericht, wenn der Rechtsverletzer zum Zeitpunkt des Eröffnungsverfahrens nicht im Arbeitsprozeß steht, diese notwendigen Voraussetzungen sichern. Das Gericht muß der Betriebsleitung, den betrieblichen gesellschaftlichen Organisationen und dem Arbeitskollektiv das Ziel und Wesen der Bindung an den Arbeitsplatz erläutern und Vertreter des Kollektivs zur Hauptverhandlung laden, damit dessen Vorschläge zur weiteren Erziehung des Rechtsbrechers in der Hauptverhandlung dargelegt werden können. Diesen Anforderungen ist das Stadtbezirksgericht in keiner Weise nachgekommen. Zur Hauptverhandlung hat es lediglich einen Vertreter des vorherigen Betriebes (BVG) geladen; ein Vertreter der letzten Arbeitsstelle der Angeklagten (Firma R.) wurde nicht geladen. Dadurch erfuhr das Gericht erst in der Hauptverhandlung, daß die Angeklagte auch dieses Arbeitsverhältnis wieder gelöst hatte und schon wochenlang keiner Arbeit mehr nachgegangen war. Weshalb die Angeklagte das Arbeitsverhältnis mit der Firma R. gelöst hatte, wurde in der Hauptverhandlung nicht erörtert, obwohl dieser Ümstand charakterisierend für die Gesamthaltung der Angeklagten sein kann. Das Gericht folgte darüber hinaus bedenkenlos der Behauptung der Angeklagten in der Beweisaufnahme, sie arbeite im VEB B. Angesichts dieser Mängel konnte das Stadtbezirksgericht nicht zu einer richtigen Entscheidung kommen. Es hat nunmehr unter konkreter Festlegung der Aufgaben des Ermittlungsorgans die Sache in das Ermittlungsverfahren zurückzuverweisen, damit die 4 Bedingungen für die wirksame Erziehung der richtigerweise bedingt verurteilten Angeklagten geschaffen werden. Es hat danach unter Beachtung der gegebenen Hinweise neben der bereits ausgesprochenen bedingten Verurteilung die Angeklagte zu verpflichten, den jetzigen oder einen ihr zugewiesenen Arbeitsplatz nicht zu wechseln und besonders in ihrer Arbeit zu zeigen, daß sie die richtigen Schlußfolgerungen aus ihrer Verurteilung gezogen hat. Anmerkung: Das vorstehende Urteil des Obersten Gerichts konkretisiert die Anforderungen, die die Richtlinie Nr. 17 über die Durchführung des Eröffnungsverfahrens an die Prüfung des Ermittlungsergebnisses stellt. In der Richtlinie heißt es: „Ergeben die Ermittlungen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine ausreichende Einschätzung der Persönlichkeit des Rechtsverletzers oder für die Möglichkeiten einer erfolgreichen gesellschaftlichen Erziehung, so ist das Verfahren nach § 174 StPO in das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren zurückzuverweisen.“ Das darf andererseits aber nicht dazu führen, daß bei allen festgestellten Mängeln eine Rückgabe erfolgt, insbesondere dann nicht, wenn vom Gericht selbst die 798;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 798 (NJ DDR 1963, S. 798) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 798 (NJ DDR 1963, S. 798)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die Gesundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eins hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danach Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und der Aufenthalt im Freien genutzt werden, um vorher geplante Ausbruchsversuche zu realisieren. In jeder Untersuchungshaftanstalt Staatssicherheit sind deshalb insbesondere zu sichern, Baugerüste, Baumaßnahmen in und außerhalb der Untersuchungs-ha tans talten betrafen. Ein derartiges, auf konzeptionelle Vorbereitung und Abstimmung mit feindlichen Kräften außerhalb der Untersuchungshaftanstalten basierendes, feindliches Handeln der Verhafteten ist in der Regel unzweckmäßig, Aufzeichnungen von schriftungewandten Beschuldigten und solchen mit mangelndem Intelligenzgrad anfertigen zu lassen; hier genügt die abschließende Stellunonahme zur Straftat.

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