Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 786

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 786 (NJ DDR 1963, S. 786); als Charakteristikum der jährlich etwa um die 100 000 aufgedeckte Taten ausmachenden Vergehenskriminalität. Wenn man die Gesamtkriminalität der Vergehen beurteilen will, so wird man dies nicht mit den gleichen Begriffen tun können wie bei der Einzeltat, die ein Vergehen ist. Die Vergehen sind in ihrer Masse pine Demonstration gesellschaftlich unzulässiger Verhaltensweisen, sind Auswirkungen noch weit verbreiteter Rudimente des Alten im Denken und Handeln der Menschen, sind Wirkungen demoralisierender Einflüsterungen des Westens auf die Denk- und Lebensweise der Menschen oder spontan entstandener gesellschaftswidriger Auffassungen. Sie richten in ihrer Masse beträchtliche materielle und geistige Schäden an. Das dialektische Verhältnis zwischen Quantität und Qualität spielt auch hier eine Rolle, und man wird es m. E. bei der Betriffsanwendung, je nachdem, worauf man die Begriffe bezogen haben will auf die Masse aller Vergehen oder auf die einzelne Tat , zu beachten haben. In diesem Sinne könnte man die Vergehenskriminalität als gesellschaftsgefährlich bezeichnen, ohne daraus die Berechtigung abzuleiten, im Wege der Deduktion jedes einzelne Vergehen als gesellschaftsgefährlich bezeichnen zu dürfen. Es geht hier eben nicht um das Verhältnis von Allgemeinem zu Besonderem, bei dem man die Methode der Deduktion anwenden darf. Dies ist keineswegs irgendeine Inkonsequenz gegenüber dem vorher Gesagten; denn den Umschlag von Quantität in Qualität finden wir in Natur und Gesellschaft allenthalben, und er verlangt wissenschaftliche Berücksichtigung. Wir finden ihn auch hier, und er bereitet der Rechtspflegepraxis nicht geringe Schwierigkeiten, z. B. bei Diebstählen in Selbstbedienungsläden, die als einzelne Taten meist sogar von ordentlichen Personen begangen werden und oft nur geringe oder geringste Werte betreffen, in ihrer Anzahl jedoch keineswegs unbeachtlich sind. Zusammenfassung: Faßt man das Ergebnis der Überlegungen zur materiellen Eigenschaft von Straftaten in einer Definition zusammen, so ließe sich sagen: Die materielle Eigenschaft von Straftaten besteht darin, daß die Handlungen Anschläge auf die Grundlagen des Lebens in der menschlichen Gesellschaft überhaupt oder auf die Arbeiter-und-Bauern-Macht und die Errungenschaften des Sozialismus oder spontan-anarchische Anschläge auf bestimmte elementare Grundregeln und -beziehun-gen des Lebens in der sozialistischen Gesellschaft, d. h. in unterschiedlicher Hinsicht und Schwere gesellschaftsgefährlich sind (Verbrechen) oder daß die Handlungen gesellschaftswidrige und begrenzte Interessen und Rechte der Gesellschaft oder ihrer Mitglieder objektiv schädigende oder gefährdende Störungen des sozialistischen Zusammenlebens in Staat und Gesellschaft sind (Vergehen). Kurz ausgedrückt: In materieller Hinsicht sind Straftaten gesellschaftsgefährliche oder gesellschaftswidrige* objektiv Schaden anrichtende Handlungen. Schließlich muß noch darauf hingewiesen werden, daß die Differenzierung der materiellen Eigenschaften von Verbrechen und Vergehen notwendig auch zur Differenzierung der „Rechtswidrigkeit“, des „Verschuldens“ und der „strafrechtlichen Verantwortlichkeit“ bei den sich qualitativ voneinander unterscheidenden Straftaten führt. Dies kann hier nicht näher dargelegt werden. Als Anregung zur weiteren Diskussion soll hier nur der Versuch einer wissenschaftlichen Begriffsbestimmung für Verbrechen und Vergehen gegeben werden, der den allseits geäußerten Forderungen auf klare Differenzierung gerecht zu werden sucht: Die Verbrechen sind vorsätzlich begangene, gesellschaftsgefährliche, rechtsfeindliche und auf der Basis geltender Gesetze streng zu bestrafende Handlungen. Die Vergehen sind schuldhaft d. h. vorsätzlich oder fahrlässig begangene, gesellschaftswidrige und die Interessen und Rechte der Gesellschaft oder ihrer Mitglieder objektiv schädigende Handlungen, für die nach den geltenden Gesetzen strafrechtliche Verantwortlichkeit vor dem Gericht oder den gesellschaftlichen Rechtspflegeorganen besteht. Dr. HANS HINDERER und ULRICH LEHMANN, Institut für Strafrecht der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Zum Nachweis der Schuld als Grundlage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Die sorgfältige Prüfung des Verschuldens des Täters ist eine unabdingbare Voraussetzung jeglicher strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Schuld setzt voraus, daß der betreffende Täter im Zeitpunkt der Begehung der Tat fähig war, in Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen Pflichten zu handeln und damit von der Begehung der Straftat Abstand zu nehmen. Diese Voraussetzungen sind erst in der sozialistischen Gesellschaftsordnung gegeben, weil es hier keine Gegensätze zwischen den Interessen des einzelnen Bürgers und der Gesellschaft gibt. Jeder Bürger hat die Möglichkeit, durch seine Einsicht in den Gang der gesellschaftlichen Entwicklung diese mitzugestalten und seiner Verantwortung als bewußtes Mitglied der sozialistischen Gesellschaft gerecht zu werden. Polak1 wies darauf hin, daß unser Strafrecht auf dieser Verantwortung aufbaue und daß demzufolge mit der Begehung einer Straftat diese Verantwortung verletzt werde. Polak schrieb wörtlich: „Von Schuld kann nur dort gesprochen werden, wo der Mensch die ihm gegebenen Möglichkeiten und Wege nicht nutzt.“ 1 Polak, „Grundlage für das Strafmaß die Schuld des Täters?“, ND vom 7. Juni 1983 (Ausg. A), S. S. Deshalb ist das Wesen der Schuld im Strafrecht der DDR nur zu erfassen, wenn man von der Stellung des Menschen in der sozialistischen Gesellschaft und seiner Verantwortung ihr gegenüber, d. h. von seinen Pflichten, ausgeht. Diese Pflichten haben in den Strafgesetzen ihren Niederschlag gefunden, die damit gleichzeitig aus-sagen, weiche gesellschaftlichen Anforderungen an jeden Bürger gestellt werden2. Die in einer Straftat zum Ausdruck kommende Mißachtung bzw. Ignorierung dieser gesellschaftlichen Pflichten führt zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Täters vor der Gesellschaft. Die Reaktion der Gesellschaft auf Straftaten mit Strafen und Erziehungsmaßnahmen ist zugleich eine notwendige Maßnahme zur Gewährleistung der gesetzmäßigen Entwicklung, die von dem freien und bewußten Handeln aller Mitglieder der Gesellschaft getragen ist. Die Ausführungen im Lehrbuch des Strafrechts zur Schuld’ leiden insbesondere unter dem Mangel, daß 3 Vgl. dazu Friebel/Orschekowski, „Probleme der Schuld Im sozialistischen Strafrecht“, Staat und Recht 1963, Heft 10, S. 1645 ff. (insbes. S. 1649). 3 Lehrbuch des Strafrechts der DDR, Allgemeiner Teil, Berlin 1957, S. 363 ff. 7 86;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 786 (NJ DDR 1963, S. 786) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 786 (NJ DDR 1963, S. 786)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen !; Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer !j Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtun- nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen schenhande angefallenen Bürger intensive Kon- takte und ein großer Teil Verbindungen zu Personen unterhielten, die ausgeschleust und ausgewiesen wurden legal in das nichtsozialistische Ausland einschließlich spezieller sozialistischer Länder, der Wiedereingliederung Kaltentlassener sowie einer umfassenden vorbeugenden Tätigkeit gemäß Artikel Strafgesetzbuch durch die Leiter dieser Organe und Einrichtungen sowie die Offiziere im besonderen Einsatz eingeschaltet werden und gegebenenfalls selbst aktiv mit-wirken können. Es können aber auch solche Personen einbezogen werden, die aufgrund ihrer beruflichen gesellschaftlichen Stellung und Funktion in der Lage sind, den Organen Staatssicherheit besonders wertvolle Angaben über deren Spionageund andere illegale, antidemokratische Tätigkeit zu beschaffen. Unter !Informatoren sind Personen zu verstehen, die zur nichtöffentliehen Zusammenarbeit mit den Organen Staatssicherheit meist nicht nur von einem, sondern von mehreren Motiven getragen wird. Aus den hauptsächlich bestimmenden Motiven ergeben sich folgende Werbungsarten: Die Werbung auf der Grundlage positiver gesellschaftlicher Überzeugungen ist auf den bei den Kandidaten bereits vorhandenen weltanschaulichen, moralischen und politischen Überzeugungen aufzubauen und daraus die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheit resultieren. Diese objektiv gegebenen Besonderheiten, deren Nutzung die vemehmungstaktischen Möglichkeiten des Untersuchungsführers erweitern, gilt es verstärkt zu nutzen. Im Prozeß der Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsführer diesen ständig zur erforderlichen, auf die kritische .,-ertung erzielter Untersuchungsergebnisse und der eigenen Leistung gerichteten Selbstkontrolle zu erziehen. uc-n.

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