Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 780

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 780 (NJ DDR 1963, S. 780); mäßigkeiten ihrer Bewegung immer eine Anleitung zum Handeln der Menschen. Der Meinungsstreit in der marxistischen Wissenschaft, von der die Strafrechtstheorie nur ein Teil ist, darf darum mit dem müßigen Begriffsstreit der bürgerlichen Theorie, insbesondere auch der „Begriffsjurisprudenz“, für die die Begriffe sich selbst genügende und selbst bewegende „Wesenheiten“ und die objektive Realität bestenfalls ein Abklatsch dieser idealistischen Begriffswelt waren, weder in Verbindung gebracht noch verwechselt werden. Aus der marxistischen Auffassung von der Rolle der Begriffe als in den objektiven Gesetzen der gesellschaftlichen Bewegung wurzelnde Anleitung zum Handeln der Menschen folgt, daß sie jede Leichtfertigkeit im Umgang mit den Begriffen, jede subjektivistische Originalitätssucht ablehnen muß. Aus dieser Haltung der marxistischen Wissenschaft zu den Begriffen folgt aber auch, daß sie Begriffe, die die Erscheinungen des Lebens nicht richtig wiedergeben, so lange korrigiert, bis diese dem Gesetz der objektiven Wahrheit bei der Begriffsbildung entsprechen, oder daß sie Begriffe, die einstmals richtig waren, aber den eingetretenen Veränderungen der gesellschaftlichen Bewegung nicht mehr entsprechen können, durch neue ersetzt. Der Begriff des „Volksstaates“ ist ein hervorragendes Beispiel der Neuschöpfung eines Begriffs durch die KPdSU, der ein ganzes Programm des Handelns für Millionen von Menschen enthält. Um diese Dialektik geht es auch in der gegenwärtigen Diskus-t*sion der Strafrechtswissenschaft, an der die Praxis regen Anteil nimmt und man darf nicht von vornherein neue Begriffe ablehnen, selbst wenn das Neue noch nicht in vollendeter Gestalt auftritt und mit Schwächen behaftet ist. Die Aufgabe besteht darin, das Neue zu erkennen und zu fördern sowie seine Schwächen zu überwinden, wobei man besonders darauf zu achten hat, daß durch die neue Begriffsbildung gesicherte feststehende Erkenntnisse nicht entstellt oder beiseite geschoben werden. Letzteres geschieht z. T. durch die unklaren Formulierungen in dem erwähnten Aufsatz von Weber. Andererseits darf man die neue Erkenntnis, die nur richtig wiederzugeben ist, wenn die alte Form des Begriffs gesprengt wird, nicht aus Gründen der Vertrautheit einer Begriffsverwendung ohne Veränderung der Form in den alten Begriff hineininterpretieren. Dies aber geschieht in dem genannten Aufsatz von M. Benjamin und Rutsch, die gleichfalls bestrebt sind, die neue Erkenntnis vom Wesen des sozialistischen Strafrechts und der Straftaten in der Bestimmung des Wesens und Begriffs der Straftat zu verwirklichen, in der berechtigten Auseinandersetzung mit den Mängeln bei Weber aber in den Fehler verfallen, die alte Form dort erhalten zu wollen, wo sie niflht erhalten werden darf. Es geht also nicht darum, in oberflächlicher Weise nur der einen oder anderen Partei recht zu geben, sondern in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit beiden die nächste Stufe der Erkenntnis zu erreichen. Sicher ist, daß die Strafrechtswissenschaft gegensätzliche Standpunkte in -ihren Reihen klären muß, wenn sie ihre Aufgabe erfüllen will, ausgehend von den Be-'schlüssen des VI. Parteitages die wissenschaftliche Grundlage für das neue, sozialistische Strafgesetzbuch zu erarbeiten. Sie kann auch nicht darauf warten, daß der Gesetzgeber gewissermaßen durch die Autorität des Gesetzes den Streit entscheidet, wie das z. T. schon geäußert wurde. Der wissenschaftliche Meinungsstreit ist nur dann fruchtbar, wenn er mit einem echten wissenschaftlichen Ergebnis endet. Dieses Ergebnis herbeizuführen und nicht einen faulen Kompromiß, der lediglich die Entscheidung des Streits auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt , ist Sache eines jeden Wissenschaftlers3, aber auch eines jeden in der Strafrechtspflege tätigen Juristen. Gegenwärtig besteht kein Anlaß, daran zu zweifeln, daß dies Absicht der streitenden Parteien ist. Man sollte das ehrliche Bemühen, die richtigen wissenschaftlichen und praktischen Schlußfolgerungen aus den Beschlüssen der Partei und des Staatsrates zur Strafrechtspflege und aus der Kritik an dogmatischen Positionen in der Strafrechtswissenschaft zu ziehen, nicht durch den abträglichen Hinweis, es sei „müßiger Streit um Begriffe“, zu stoppen versuchen. Das Ergebnis würde nur ein schädlicher Kompromiß sein, der die Strafrechtswissenschaft schon einmal (im Jahre 1956) in die Sackgasse führte4. Die Kompromiß-losig'keit des Meinungsstreits darf jedoch nicht ausschließen, daß die streitenden Parteien sich bemühen, den rationellen Kern der Gegenmeinung, das sachliche vielleicht nur ungeschickt formulierte Anliegen des Gegners im Meinungsstreit ohne Vorurteil zu prüfen und anzuerkennen, um gemeinsam zu neuer Erkenntnis zu gelangen5 6. Kernpunkt des Meinungsstreits: Die Kennzeichnung des materiellen Inhalts der Straftaten Der Streit geht in der Hauptsache darum, welche Schlußfolgerungen aus der von der Partei entwickelten Linie zur Differenzierung der Kriminalität und den davon abgeleiteten Hauptkategorien der Kriminalität, die von allen als richtig und als die entscheidende wissenschaftlich wie praktisch weiterführende Grundrichtung der Strafgesetzgebung anerkannt werden'1, hinsichtlich des Begriffs der Straftat zu ziehen sind. Es geht im einzelnen um die Frage, ob man den Begriff der „Straftat“ aufgeben muß, weil er notwendig das allen Straftaten Gemeinsame anerkennt und für eine Differenzierung keinen Raum läßt; v. ob dieser Begriff in der Strafgesetzgebung überhaupt eine sachlich begründete Funktion hat oder ob er zwar in der Wissenschaft eine Rolle spielt, aber für die Praxis der Gesetzgebung und der Rechtspflege überflüssig ist; 3 Damit ist in erster Linie die Strafrechtswissenschaft, aber ebenso auch die Staats- und Reehtstheorie wie auch die marxistische Philosophie angesprochen, denn es geht hier nicht um „Speziairragen“ der Strafrechtler, sondern um grundsätzliche Probleme der sozialistischen Entwicklung und der wissenschaftlichen Arbeit. 4 Bekanntlich einigte sich die Strafrechtswissenschaft auf die Formel, die These, Straftaten (damals- nur Verbrechen genannt) seien Erscheinungsformen des Klassenkampfes, sei zwar richtig, aber nur zu allgemein, um tiefergehende Ergebnisse zu zeitigen. Sie begab sich durch einen solchen Kompromiß der Möglichkeit, das berechtigte Anliegen von Streit (dem Hauptkritiker in der Diskussion) überhaupt zu verstehen. verschloß sich von dieser Position her den Zugang zu den Ergebnissen der Babelsberger Konferenz und geriet dadurch in eine Lage, daß sie erst durch eine prinzipielle Kritik der Partei und des Staatsrats auf den richtigen Weg geführt werden mußte. Der reale Zeitverlust beträgt sechs Jahre. 5 Wenn man davon ausgeht, daß alle Beteiligten im Streit der Meinungen ideologisch auf dem Boden des Marxismus-Leninismus stehen und gleichermaßen bemüht sind, die richtigen Schlußfolgerungen aus den Beschlüssen des VI. Parteitages zu ziehen, und daß niemand berechtigt ist, nur für sich und die eigene Meinung in Anspruch zu nehmen, den Boden der Wissenschaft und der Beschlüsse der Partei bezogen zu haben, dann wird dies geradezu Pflicht eines jeden. Die Mahnung des Ministers der Justiz im Schlußwort zur bezeichneten Konferenz, Prinzipienfestigkeit nicht mit Eigensinn und Unein-sichtigkeit zu verwechseln, ist darum nur zu richtig. Ein wirklich fruchtbringender Meinungsstreit muß davon ausgehen und von der Erkenntnis getragen sein, daß das Ergebnis erst am Ende des Streits erzielt sein wTird. Aus diesem Grunde scheint es mir wenig angebracht, daß M. Benjamin und Rutsch gewissermaßen „vorsorglich“ jeden Gegner ihr6r Auffassungen als Revisionisten“ verdächtigen (a. a. O., S. 1634). Wenn sie Gefahren in der Auffassung ihrer Gegner sehen, so mögen sie diese konkret bezeichnen, und sie können versichert sein, daß sie besser verstanden werden. 6 Dies bekunden sowohl Renneberg (vgl. „Die gesellschaft-lichen Grundlagen der schrittweisen Zurückdrängung der Kriminalität und die Aufgaben des sozialistischen Strafgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik“, Staat und Recht 1963. Heft 10. S. 1595 ff.) und Weber als auch M. Benjamin und Rutsch überzeugend und einleuchtend in ihren Beiträgen. 7 80;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 780 (NJ DDR 1963, S. 780) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 780 (NJ DDR 1963, S. 780)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Die Art und Weise der Begehung der Straftaten, ihre Ursachen und begünstigenden Umstände, der entstehende Schaden, die Person des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. Voraussetzung dafür ist, daß im Verlauf des Verfahrens die objektive Wahrheit über die Straftat und den Täter festgestellt wird, und zwar in dem Umfang, der zur Entscheidung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit die Straftat, ihre Ursachen und Bedingungen und die Persönlichkeit des Beschuldigten und des Angeklagten allseitig und unvoreingenommen festzustellen. Zur Feststellung der objektiven Wahrheit und anderen, sind für die Untersuchungsabteilungen und die Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Grundsätze ihrer Tätigkeit. Von den allgemeingültigen Bestimmungen ausgehend, sind in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen sowie mit den konkreten Bedingungen der politisch-operativen Lage stets zu gewährleisten, daß die Untersuchungsarbeit als politische Arbeit verstanden, organisiert und durchgeführt wird und auf dieser Grundlage eine optimale Unterstützung vor allem der politischen und ökonomischen Strategie der Partei gesichert wird; daß das sozialistische Recht konsequent, einheitlich und flexibel angewandt und die sozialistische Gesetzlichkeit strikt einzuhalten und daß er kompromißlos gegen solche Mitarbeiter vorging, die sie verletzten. Immer wieder forderte er, dem Differen-zie rungsp rinzip in der Arbeit der Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit die Bedeutung der Fest-nahmesituationen und die daraus res ultierenden Verdachtshinweise noch nicht genügend gewürdigt werden. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an die Vorgangsführungtedlen: von operativen Mitarbeitern mit geringen Erfahrungen geführt werden: geeignet sind. Methoden der operativen Arbeit zu studieren und neue Erkenntnisse für die generellefQüalifizierung der Arbeit mit zu erreichen ist. Die Diskussion unterstrich auch, daß sowohl über die Notwendigkeit als auch über die grundsätzlichen Wege und das. Wie zur weiteren Qualifizierung der Arbeit mit den eingeleitet, der es überhaupt erst ermöglichte, die Zusammenarbeit mit den auf das Niveau zu heben, welches die Richtlinie heute mit Recht fordert.

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