Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 758

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 758 (NJ DDR 1963, S. 758); 9 Verhalts nicht ausreichen, daß insbesondere die vom Richter gesetzte Frist zur Beantwortung der Klage häufig nicht eingehalten wird, schlägt die Kommission, „um dieser Frist den nötigen Nachdruck zu verleihen“, die Einführung einer weiteren Form des Versäumnisurteils vor: Das Gericht soll verpflichtet sein, auf Antrag des Klägers im schriftlichen Verfahren ein Versäumnisurteil gegen den Verklagten zu fällen, wenn die Klagebeantwortungsfrist nicht eingehalten wird41. Der Charakter dieses Urteils als ausgesprochener Prozeßstrafe geht vor allem daraus hervor, daß es nicht, wie das bisher bekannte Versäumnisurteil, mit dem Einspruch, sondern nur mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand oder unter ganz beschränkten Voraussetzungen42 mit der Berufung angefochten werden kann. Das hierfür gegebene Argument, daß derjenige, der die Klage nicht in angemessener Frist beantwortet, in stärkerem Maße säumig sei als der im Termin Ausbleibende, geht völlig an der Situation rechtsunkundiger Bürger vorbei, für deren Verhalten bei der bekannten Schwierigkeit, ja oft Unmöglichkeit, sich ohne einen Anwalt in dem Gestrüpp der Gesetzesinflation und des Richterrechts zurechtzufinden, sich mindestens ähnliche Entschuldigungsgründe anführen ließen wie laut Kommissionsbericht im Falle der Terminsversäumung. Das neue Versäumnisurteil, das in den meisten Fällen praktisch zur endgültigen Verurteilung des Verklagten führt, übertrifft mit der Schärfe seiner Sanktion den Formalismus des jetzigen Versäumnisverfahrens um ein Vielfaches und wird die Flut der Zivilurteile, mit denen nur über einseitiges Parteivorbringen, über einen der wirklichen Sachlage widersprechenden Tatbestand, entschieden wird, anschwellen lassen sowie die faktische Ungleichheit der Parteien vor Gericht noch weiter ausprägen. Von dem Standpunkt aus, daß einer säumigen Partei „auch Nachteile materiell-rechtlicher Art zugemutet werden können und müssen“, ist die Kommission auch an die seit jeher in der bürgerlichen Literatur umstrittene Frage der Zurückweisung verspäteten Parteivorbringens herangegangen. Trotz ernsthafter Einwände, die aus der Praxis erhoben worden sind, hat sich die Kommission für die Beibehaltung dieser Institution ausgesprochen und will sie sogar noch dadurch erweitern, daß der Ausschluß nachträglichen Vorbringens bei Versäumung der hierfür gesetzten Frist und ungenügender Entschuldigung der Verspätung dem Richter zwingend vorgeschrieben wird4*. Eine gleichermaßen einschneidende Bestimmung ist für das Berufungsverfahren vorgesehen, wonach neue Tatsachen und Beweismittel, die in erster Instanz hätten geltend gemacht werden können, vom Berufungsgericht nur zuzulassen sind, wenn die Parteien nachweisen, daß sie den Vortrag in der unteren Instanz unverschuldet unterlassen haben. Damit wird es noch mehr als bisher dem Zufall überlassen, ob der Sachverhalt, von dem die Entscheidung des Gerichts ausgeht, mit der Wirklichkeit übereinstimmt, und die Chancen der anwaltlich vertretenen oder selbst prozeßerfahrenen Partei, durch geschickte Prozeßtaktiken (wie rein vorsorglich, gewissermaßen auf Vorrat vorgebrachte Behauptungen), sich zum Sieg über den Gegner vorzumanövrieren, werden weiter steigen44. 41 Bericht, S. 202. 42 Bericht, S. 262 f. 43 Bericht, S. 207. 44 vgl. Wieczorek, „Zu der Denkschrift der Kommission zur Vorbereitung einer Reform der Zivilgerichtsbarkeit**, Monats- schrift für Deutsches Recht 1962, Heft 1, S. 3, der darauf auf- merksam macht, daß der Richter, wenn er verspätetes, aber zutreffendes Parteivorbringen zurückweist, im Grunde über einen Aktiven Tatbestand entscheidet, daß dadurch die Partei, die sich mit ihrem prozessualen Auftreten in eine bessere Lage manövriert hat, bevorzugt wird und man, wenn man den Wie wenig Bedeutung die Kommission der Verantwort tung des Gerichts für Wahrheit und Vollständigkeit des im Prozeß zu würdigenden Tatsachenmaterials beimißt, geht auch daraus hervor, daß es den Parteien bei Entscheidungsreife des Prozesses grundsätzlich freigestellt sein soll, sich den Tatbestand des Urteils in gemeinsamer Arbeit selbst zurechtzuzimmern45 Damit wird versucht, die Verantwortung für die Richtigkeit des Tatbestandes soweit wie möglich den Anwälten zuzuschieben, die sich damit einen wesentlichen Teil des Urteils gewissermaßen im Wege der Selbstbedienung besorgen, während andererseits die Abfassung der Entscheidungsgründe dem Richtergehilfen überantwortet wird. ✓ Daß der „Rechtsmittelstaat“, zu dem sich das Bonner Staatswesen nach der Einschätzung der Kommission entwickelt hat, keinen Wert auf eine Rechtsmittelbelehrung im Urteil legt46, erscheint nach der bisher sichtbar gewordenen Grundrichtung der Kommissionsvorschläge nachgerade als selbstverständlich: Der Zivilprozeß wird als Anwaltsprozeß aufgefaßt, auch im Verfahren vor den Amtsgerichten, bei denen formell kein Anwaltszwang herrscht. Der Bürger, der sich keinen Anwalt leisten kann, mag selbst Zusehen, wie er in dem Gewirr der Zuständigkeitsregelungen und der vielen damit verbundenen prozessualen Fallstricke zu seinem Recht kommt. Erschwerung der Rechtsverfolgung Der Kommissionsbericht betont mehrfach, daß die für erforderlich erachteten Maßnahmen der Reform der Zivilgerichtsbarkeit den sozial gebotenen Rechtsschutz nicht beeinträchtigen dürfen. Was unter diesem verschwommenen Begriff zu verstehen ist, wo die damit angedeutete Mindestgrenze des Rechtsschutzes eigentlich verläuft, wird nirgends näher erläutert. Als sozial geboten sollte man auf alle Fälle auch die Erleichterung der Inanspruchnahme des Gerichts durch die unbemittelten Schichten der westdeutschen Bevölkerung ansehen. Mit der von ihr beabsichtigten Einschränkung der gerichtlichen ' Ermittlungen im Armenrechtsverfahren unterminiert die Kommission aber die noch vorhandenen wenigen Garantien für eine ernsthafte Nachprüfung des Armenrechtsgesuchs. Es soll nämlich künftig nicht mehr zulässig sein, im Armenrechtsverfahren Zeugen oder Sachverständige zu vernehmen. Die dazu gegebene Begründung ist bezeichnend für den Klassencharakter des westdeutschen Zivilprozeßrechts: Bei Zeugen und Sachverständigen sei keine Gewähr dafür gegeben, daß ihre Vernehmung im Armenrechtsverfahren stets dasselbe Ergebnis habe wie eine Vernehmung im ordentlichen Beweistermin47 * * * *. Was muß das für eine Sachverständigenvernehmung sein, bei der im Armenrechtsverfahren ein anderes Gutachten zustande kommt als im normalen Streitverfahren! Wie oberflächlich und summarisch muß die Vernehmung von Zeugen im Armenrechtsverfahren sein, wenn man von ihnen erst im ordentlichen Beweistermin die vollständige und wahrheitsgemäße Aussage erwartet! Obwohl sich die Kommission dessen bewußt ist, daß die Entscheidung über den Armenrechtsantrag im praktischen Ergebnis zumeist die Entscheidung über den Streitfall darstellt, hält sie es für „sozial geboten“, der armen Partei im Verfahren über einstweilige Kostenbefreiung für sie wichtige Beweismittel zu nehmen und damit die Entscheidung über ihr Gesuch im wesentlichen vom Er- Vorschlägen der Kommission folgen würde, konsequenterweise zum Schutze der Parteien auch in erster Instanz den Anwaltszwang einführen müßte. 45 Bericht, S. 253. 46 Bericht, S. 258. 47 Bericht, S. 278. 758;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 758 (NJ DDR 1963, S. 758) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 758 (NJ DDR 1963, S. 758)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der sind. Diese Verhafteten entstammen diesem System subversiver Aktivitäten, dessen Details nur schwer durchschaubar sind, da der Gegner unter anderem auch die sich aus der Aufgabenstellung des Untersuchth ges im Staatssicherheit ergeben gS- grijjt !y Operative SofortSrnnaiimen im operativen Un-tersuchungstypjsfüg und die Notwendigkeit der Arbeit. tiVät ihnen. Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der offensiven Nutzung der erzielten Untersuchungsergebnisse Potsdam, Ouristische Hochscht Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache - Oagusch, Knappe, Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der Sicherung wahrer Zeugenaussagen bedeutsam sind und bei der Festlegung und Durchführung von Zeugenvernehmungen zugrundegelegt werden müssen. Das sind die Regelungen über die staatsbürgerliche Pflicht der Zeuge zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die Gesundheit der Mitarbeiter, für Suicidversuche unduWarMchtung von Beweismaterial sind unbedingt ausbusnüält-nn, was bei der Ausgestaltung grundsätzlich Beachtung finden muß.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X