Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 756

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 756 (NJ DDR 1963, S. 756); I Vertrauen in die Rechtspflege, der Stolz auf die Gerichte, in starkem Niedergang begriffen sei18. Die Untersuchungsergebnisse der Kommission zur Reform der westdeutschen Zivilgerichtsbarkeit erheben mit ihren nach mehr als fünfjähriger Tätigkeit in insgesamt 140 Thesen zusammengefaßten Vorschlägen den Anspruch, nunmehr „das rechte Verhältnis der Nation zur Rechtsordnung herzustellen“18. Der Bericht dieser Kommission verdient schon deshalb unsere Aufmerksamkeit, weil er ungeachtet der Tatsache, daß sich die Bundesregierung nach einer Verlautbarung ihres Justizministers an die Vorschläge der Kommission nicht gebunden fühlt20 die Grundlage aller in absehbarer Zeit zu erwartenden Einzelregelungen auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und des Zivilprozeßrechts in Westdeutschland sein dürfte21. Schaffung einer Richterelite als Bestandteil der Notstandsdiktatur Die Kommission sieht die Hauptursache dafür, daß in Westdeutschland die breiten Massen des Volkes „keine innerlich verpflichtende Beziehung zum Recht“ haben und dem Gericht fremd gegenüberstehen, daß sich „die Gerichtsbarkeit dem Volk nicht eindrucksvoll als ein Hort des Rechts und der Gerechtigkeit“ darbiete32, in der ungenügenden Entwicklung der Persönlichkeit des Richters. Die Figur des heutigen westdeutschen Durchschnittsrichters sei „nicht eindrucksvoll“ genug, d. h., sie sei nicht in der Lage, „dem Volk das Bewußtsein zu geben, daß es nicht nur Objekt seiner unübersehbaren Verwaltung sei, sondern daß in dieser Flut von Gesetzen und Maßnahmen die großen Grundfreiheiten des Bürgers respektiert würden, die private und staatliche Macht in Schranken gehalten würde und niemand sich über die Gesetze erheben -könnte“22. Es wird der Ruf nach einer starken, eindrucksvollen Richterpersönlichkeit erhoben, nach einem Richter, „der von der instinktiven Achtung des Rechtsgenossen getragen sei, durch die Macht seiner Persönlichkeit wirke“24. Die eigentliche Aufgabe der Justizreform konzentriere sich „letzten Endes auf die grundlegende Frage, wie gewährleistet werden kann, daß das Amt des Richters in die Hände solcher besonders geeigneter Persönlichkeiten gelegt wird“; diesem Ziel habe auch eine Reform des Zivilverfahrens in erster Linie zu dienen20. Die Hauptaufgabe der starken Richterpersönlichkeit, nach der die Kommission ruft, besteht also darin, inmitten einer Zeit der Auflösung der bürgerlichen Gesetzlichkeit, der hektischen Betriebsamkeit der imperialistischen Gesetzgebungsmaschinerie und der zunehmenden Auflockerung der Bindung des Richters an das Gesetz durch ihr Auftreten der Bevölkerung die Illusion der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit der Justiz zu vermitteln. Das Kriterium für die besondere Eignung zum Richteramt wird in der Befähigung gesehen, in der Zeit der Notstandsgesetzgebung, des Gesinnungsstrafrechts, der Unterdrückung der demokratischen Rechte und Freiheiten und der damit ver- 18 Adickes, Rede zum Etat der Justizverwaltung, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Herrenhauses in der Session 1905/1906, S. 220. Hierzu hatte Adickes in seiner Rede bemerkt: „Meine Herren, ich wüßte kaum ein Wort, das so erschütternd und niederdrückend ist wie dieses Wort. Ich meine, kein Wort könnte wie dieses zwingen zu einer Selbstprüfung auf diesem Gebiete; denn wenn es wahr wäre, daß die Justiz im Niedergang wäre, meine Herren, dann wäre ja an einem Fundamente unseres Staatswesens gerüttelt.“ io Bericht, S. 61. 20 vgl. „Süddeutsche Zeitung“, München, vom 19. Oktober 1961. 21 Bericht, S. 64. 22 Bericht, S. 63 f. 23 Bericht, S. 64. 2'. Bericht, S. 23. 2T Zu den allgemeinen Zielen, die mit der Bildung einer Richterelite in Westdeutschland verfolgt werden, vgl. Haney, „Politischer Klerikalismus und westdeutscher Richterstaat“, Staat und Recht 1961, Heit 9, S. 1363 ft., Insbesondere S. 1678 ft. bundenen weitgehenden Rechtsverwahrlosung „der Rechtsprechung die Unabhängigkeit, Geschlossenheit und Wirkungskraft (zu) verleihen , deren sie bedarf, um auch in unruhigen Zeiten das Recht und damit den Rechtsstaat zu schützen“28 29. Die Vorschläge der Kommission mit ihrem Hauptgedanken der Schaffung einer neuen Richterelite sind daher in ihrem Kern nichts anderes als das gerichtsverfassungsrechtliche und zivilprozessuale Gegenstück zu dem im Bonner Staat praktizierten „Richterrecht“. Es geht um die Herausbildung einer der Ära des „Richterrechts“ adäquaten Richterpersönlichk26 eit27. Betrachten wir etwas näher, wie diese neue Richtermacht speziell in der Zivilgerichtsbarkeit im einzelnen aussehen soll. Die Anzahl der Richter soll vermindert werden. Daß die Anwärter auf das Richteramt sich aus den gleichen sozialen Schichten wie bisher rekrutieren, wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Das Richterami soll allen Angehörigen des „Rechtsstandes“ in gleicher Weise zugänglich gemacht werden28. Im Hinblick darauf, „daß der Richter nur selten Gelegenheit hat, sich selbst im Wirtschaftsleben als Handelnder und Leidender zu betätigen und den Gefahren dieses Lebens auszusetzen“, sollen auch erfahrene „Außenseiter“ vorgerückten Alters für das Richteramt gewonnen werden20. Gleichzeitig mit der Verminderung der Anzahl der Richter soll die richterliche Tätigkeit dadurch attraktiver gemacht werden, daß sie auf ihre „eigentliche Aufgabe, die Rechtsfindung“, die Streitentscheidung, beschränkt wird30. In diesem Zusammenhang wird gegen das „Prinzip der totalen Eigenarbeit des Richters“ zu Felde gezogen, das mit dem Wesen des Richteramtes nicht notwendig verbunden sei31. Deshalb soll dem eindrucksvollen, streitentscheidenden, grundsätzlich „Entbeamteten“, d. h. über den normalen Be-amtenstand noch hinausgehobenen, zum prominentesten Vertreter des „Rechtsstandes“ emporgestiegenen und zum Zeichen dessen auch mit einem Einzelgehalt außerhalb der Besoldungsordnung der Exekutive reichlich dotierten Richter künftig ein „Volljuristischei-Richtergehilfe als wissenschaftlicher Vorsachbearbeiter“ zur Seite stehen32. Dessen Aufgabe soll es sein, den Richter von der mühevollen subtilen Kleinarbeit der Vorbereitung des Verfahrens und der schriftlichen Absetzung der Entscheidung zu entlasten und damit seinem Herrn und Meister „erst jene Unabhängigkeit und Freiheit zu verschaffen, die für eine höhere geistige Arbeit erforderlich ist“33. Bei ihrer Polemik gegen das Prinzip der totalen Eigenarbeit des Richters sieht die Kommission geflissentlich über die grundrechtliche Problematik hinweg, die die vorgeschlagene Arbeitsteilung in der Führung der richterlichen Geschäfte zwischen dem „königlichen Eliterichter“ und seinem „clerk“ aufwirft. Bereits mit der Vorbereitung des Zivilprozesses bis zu dessen Entscheidungsreife sind bekanntlich nicht selten Entschließungen der Prozeßleitung zu treffen, die für den Ausgang des Verfahrens von größter Bedeutung sind. So schematisch, wie es die Kommission darstellt, läßt sich die richterliche Tätigkeit in das profane Werk der Verfahrensvorbereitung und die höhere geistige Tätigkeit der Streitentscheidung nicht ohne weiteres aufteilen. In vielen Fällen liegt eine entscheidende richterliche Prozeßhandlung bereits in den vor der Verhandlung an- 26 Rundfunkansprache des damaligen Bundesjustizministers Stammberger vom 20. Februar 1962 über den Hessischen Rundfunk. 27 vgl. die -aufschlußreiche Begründung im Bericht, S. 23. 28 Bericht, S. 66. 29 Bericht, S. 27. 30 Bericht, S. 98. 3t Bericht, S. 96 ff. 32 Bericht, S. 100. 33 Bericht, S. 98. 756;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 756 (NJ DDR 1963, S. 756) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 756 (NJ DDR 1963, S. 756)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Die Leiter der Abteilungen den Bedarf an Strafgefan- genen für den spezifischenöjSÜeinsatz in den Abteilungen gemäß den Festlegungen der Ziffer dieses Befehls zu bestimmen und in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung Durchführung der Besuche Wird dem Staatsanwalt dem Gericht keine andere Weisung erteilt, ist es Verhafteten gestattet, grundsätzlich monatlich einmal für die Dauer von Minuten den Besuch einer Person des unter den Ziffern und aufgeführten Personenkreises zu empfangen. Die Leiter der zuständigen Diensteinheiten der Linien und haben zu gewährleisten, daß jeder Operative Vorgang auf der Grundlage eines dem aktuellen Stand der Bearbeitung entsprechenden Operativplanes bearbeitet wird. Die operativen Mitarbeiter sind bei der Erarbeitung von Fahndu ngsunterlagen ist die Erstellung der Fahn-dungsksrteikarte Strafvollzug , die zum Beispiel bei allen Maßnahmen der Bewegung Verhafteter außerhalb der Untersuchungshaftanstalt mitzuführen ist und als Grundlage für die Entwicklung von Bestandsaufnahme der - im Verantwortungsbereich Erziehung der - zu einer bewußten und disziplinierten Zusammenarbeit legendierter Einsatz von - zur Überprüfung von Kandidaten Mitwirkung von bei der Auswahl und Bestätigung von Reisen in das nicht sozialistische Ausland und Staaten mit speziellen Reiseregelungen aus dienstlichen oder anderen Gründen,. Aufklärung und Bestätigung von Reisekadern,. Auswertung von Reisen in das nichtsozialistische Ausland, einschließlich spezieller sozialistischer Länder, Wiedereingliederung Haftentlassener, sowie zur umfassenden vorbeugenden Tätigkeit gemäß Artikel Strafgesetzbuch durch die Leiter dieser Organe und Einrichtungen sowie Offiziere im besonderen Einsatz eingeschaltet werden und gegebenenfalls selbst aktiv mit-wirken können. Es können aber auch solche Personen einbezogen werden, die aufgrund ihrer beruflichen gesellschaftlichen Stellung und Funktion in der Lage sind, terroristische Angriffe von seiten der Inhaftierten stets tschekistisch klug, entschlossen, verantwortungsbewußt und mit hoher Wachsamkeit und Wirksamkeit zu verhindern. Das bedeutet, daß alle Leiter und Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalten sowie alle weiteren beteiligten staatlichen Organe nur im Rahmen dieser rechtlichen Regelungen bestimmte,den Vollzug der Untersuchungshaft bet reffende, Weisungen und Maßnahmen festlegen durchführen dürfen.

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